Kapitel 16

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Ron

Es war so voll am Bahnsteig, sodass ich schnell den Überblick verlor. Hermine konnte ich nicht mehr sehen. Also schnappte ich mir ein paar Zweitklässler, die nichts Besseres zu tun hatten, als sich gegenseitig zu schubsen. Ich führte sie zu den pferdelosen Kutschen. Hermine würde den Rest schon regeln. Schnell erreichte ich Harry, der wie gebannt die Deichsel der Kutsche begutachtete.

»Kannst du ... kannst du sie nicht sehen?«

»Was denn sehen?«, fragte ich ihn verwirrt.

»Kannst du nicht sehen, von wem die Kutschen gezogen werden?«

Wir stiegen ein. Ich machte mir große Sorgen um meinen Kumpel. Verlor er jetzt den Verstand oder was ging in ihm vor? Pferdewesen? Da war nichts vor den Kutschen. Hoffentlich wurde er nicht so verrückt wie Luna Lovegood. Ich beobachtete Harry, wie er in Gedanken versunken aus dem Kutschenfenster schaute. Ob er seine Hirngespinste beobachtete?

Erst als Luna behauptete, dass Hagrid kein guter Lehrer sei, konnte ich meinen Blick von Harry abwenden. Auch er schrak aus seiner Trance hoch.

»Doch, ist er!«, riefen Harry, Ginny und ich im Einklang. Selbst Hermine stimmte uns zu, wofür ich ihr dankbar war. Ihre Meinung viel schwer ins Gewicht, besonders, was die Fähigkeiten von Lehrern angingen.

»Nun ja, wir in Ravenclaw halten ihn für 'ne Art Witzfigur.«

Ich konnte nicht anders als meine Stimme etwas zu ergeben. Diese Luna machte mich wütend. »Dann ist euer Sinn für Humor eben zum Kotzen!«

Luna entgegnete nichts mehr, sondern schaute mich nur geradewegs an. Ich hielt ihrem Blick stand, bis die Kutsche klirrend an der Steintreppe hielt. Harry stieg als Erster aus, ihm folgte Luna und dann ich. Ich nahm die Eulenkäfige entgegen. Als Ginny und Hermine aus der Kutsche raus waren, setzte diese sich wieder in Bewegung.

Jetzt erst merkte ich, dass Harry gedankenverloren und bewegungslos dastand. Er schaute wieder zu den Deichseln einer Kutsche. Also betrachtete er wieder diese pferdeartigen Wesen, die niemand außer ihm sah. Vielleicht hatte er bei dem Kampf gegen Du-weißt-schon-wer einen Schlag abbekommen, wodurch sein Hirn jetzt nicht mehr richtig funktionierte. Ich beschloss, die ganze Sache weiter im Auge zu behalten. Das Letzte, was ich wollte, war dass mein bester Freund ins St.-Mungo-Hospital eingewiesen wurde.

»Kommst du jetzt, oder was?«, sagte ich und stieß ihn leicht an.

»Oh... ja«, sagte er noch etwas benommen.

Wir schlossen uns den anderen Schülern an, die Treppe hinauf und durch das eichernde Eingangsportal. Wir ließen uns vom Strom treiben und erreichten die große Flügeltür zur Großen Halle. Es war laut, die Echos der zahlreichen Gespräche hallten im Raum wieder.

Luna trennte sich ohne ein Wort von uns, als wir den Ravenclaw-Tisch erreichten. Plötzlich verharrte ich im nächsten Schritt und blieb einfach in dem Gedrängel der Ankommenden stehen. Ich erblickte ein Mädchen, das ich zuvor in Hogwarts noch nie gesehen hatte. Irgendwie hatte man jeden Schüler schon gesehen, man sah sich bei den Mahlzeiten hier in der Halle oder man begegnete sich auf dem Gang. Doch diese Schülerin war mir noch nie über den Weg gelaufen, daran würde ich mich mit Sicherheit erinnern. Und sie war eine Schülerin, das war sicher, denn sie trug den schwarzen Umhang und die Schuluniform mit dem Ravenclaw-Wappen. Ihr honigblondes Haar legte sich in Wellen über ihre Schultern. Ich vermutete, dass sie ungefähr in meinem Alter war, wenn nicht sogar älter. Ihr engelgleiches Gesicht verzauberte mich sogleich. Mein Herz fing kurz an wild zu pochen, je länger ich sie betrachtete.

In diesem Moment wurde ich von hinten angerempelt, sodass ich nach vorne stolperte und fast auf den Steinboden fiel. Glücklicherweise fand ich mein Gleichgewicht noch wieder.

»Ron, träum nicht!«, ertönte Hermines Stimme. »Wo bleibst du denn? Du stehst den anderen im Weg!«

Ich schnaubte mürrisch, folgte ihr und den anderen aber dann zum Gryffindor-Tisch. In der Mitte der langen Tafel fanden wir Platz zwischen dem Fast Kopflosen Nick und Parvati Patil, die sich angeregt mit Lavender Brown neben sich unterhielt.

Als wir saßen und den Lehrertisch absuchten, mussten wir mit Bedauern feststellen, dass Hagrid auch hier nicht anwesend war. Wo konnte er nur sein? Harry stellte die Vermutung auf, dass er noch immer für den Orden unterwegs war. Auch ich hielt das für wahrscheinlich. Doch genau konnten wir es nicht wissen. Mehr als Vermutungen blieben uns nicht.

»Wer ist das denn?«, sagte Hermine plötzlich äußerst schnippisch. Sie deutete auf eine in rosa Tweed gekleidete Frau, mit kurzen, grauen Locken. Ihr Gesicht ähnelte dem einer Kröte und ihre braunen, hervorquellenden Augen schauten von der Empore auf die Schüler herab. Harry erzählte Hermine und mir, dass sie Umbridge hieße und für Cornelius Fudge im Ministerium arbeitete. Ich mochte sie schon jetzt nicht. Schon alleine das ganze Rosa an ihr ließ mich vor Ekel erschaudern.

Ich wand mich wieder dem Ravenclaw-Tisch zu, an dem die hübsche Blonde saß. Sie unterhielt sich mit niemanden, schaute etwas verloren in der Gegend herum. Immer wieder schweifte ihr Blick in meine Richtung. ›Bitte bemerke mich‹, dachte ich hoffnungsvoll und bereitete schon mal mein strahlendes Lächeln vor, für den Fall, dass unsere Augen sich gleich treffen würden. Doch dazu kam es leider nicht. Ihr Blick verharrte immer an einer anderen Stelle, nicht unweit von mir entfernt. Ich wollte wissen, wer ihre Aufmerksamkeit hatte und suchte den Gryffindor-Tisch ab. Jetzt fielen mir auch die zahlreichen tuschelnden Mädchen auf, bei denen es sich alle um das gleiche Thema zu drehen schien. Zuerst habe ich gedacht, es sei wegen Harry. Schon im Zug hatte es um ihn herum Getuschel gegeben. Aber nun schien das Interesse der Schülerinnen bei jemand anderen zu liegen. Ich lehnte mich zu Parvati rüber, die noch immer mit Lavender flüsterte.

»Okay, um wen geht es hier? Ihr seid nicht die einzigen Mädchen, die leise miteinander reden?«

Parvati funkelte mich böse an. Ihr schien es nicht zu gefallen, dass ich ihr Gespräch unterbrochen habe.

»Nun ja«, sagte Lavender, während sie sich eine ihrer schwarzen Strähnen hinters Ohr strich. »Wir haben einen neuen Schüler hier am Tisch und er sieht gar nicht mal so schlecht aus.« Sie fing an zu kichern und lehnte sich auf den Tisch. Ihr Blick wanderte die Tafel hinauf und ich folgte ihrem Blick. Neben meinen Brüdern Fred und George saß ein Junge mit schwarzen Haaren. Er lächelte und unterhielt sich angeregt mit den Zwillingen und es sah so aus, als ob sie sich bestens verstanden.

Es gab also noch einen Neuen. Ob er und die Blonde sich kannten? Ich hoffte nicht. Doch war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die beiden miteinander bekannt waren, denn sie schaute immer wieder zu dem Neuen und er hin und wieder zu ihr.

›Durchatmen, Ron. Du kennst noch nicht einmal ihren Namen. Und voreilige Schlüsse zu ziehen war noch nie gesund. Das regt einen nur auf.‹

Ich wand mich zu Hermine und Harry zu. Ich wollte sie fragen, ob sie das mit den Neuen ebenfalls mitbekommen hatten, als sich die große Flügeltür öffnete und Professor McGonagall mit den Erstklässlern die Große Halle betrat. Jegliche Gespräche verstummten und alle Schüler schauten gebannt Richtung Lehrertisch.

Treffen der Helden (Percy Jackson/Harry Potter Crossover)Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang