Kapitel 20

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Percy

Ich hätte nicht gedacht, dass die Nacht so gut verlaufen würde. Traumlos – jedenfalls konnte ich mich nicht daran erinnern – war Hypnos an mir vorbei gezogen. Ich setzte mich auf und reckte mich in alle Richtungen. Als ich die ersten Geräusche im Raum hörte, zog ich meine Vorhänge zur Seite und schaute in fünf schockierte Augenpaare.

»Ähm..., wer bist du?«, stotterte ein etwas dickerer Junge mit rundem Gesicht.

Noch bevor ich etwas sagen konnte, trat der Rotschopf auf mich zu und streckte mir seine Hand entgegen. »Hallo, ich bin Ron Weasley. Ich habe dich gestern bei der Feier gesehen. Du bist der Neue.«

»Percy Jackson«, sagte ich mit einer übertriebenen freundlichen Stimme. Diese Bezeichnung der Neue war ich mittlerweile echt leid. Ich war immer der Neue. Erst im Camp Half-Blood, dann bei den Römern und jetzt an dieser komischen Schule für Hexen und Zauberer. Und meine Zeit vor der Erkenntnis, dass ich ein Halbgott war, durfte man auch nicht außer Acht lassen. Ein Schulwechsel nach dem anderen. Man sollte meinen, ich hätte mich so langsam daran gewöhnt, doch noch immer war es ein doofes Gefühl, neu zu sein.

Ron begann die anderen Schüler vorzustellen. Der stotternde, dicke Junge war Neville Longbottom. Dean Thomas war ein hochgewachsener, dunkelhäutiger Junge. Von Seamus Finnigan, der noch immer auf dem Bett saß und den Blicken seiner Mitschüler auswich, erfuhr ich, dass er gerne Sachen in die Luft sprengte. Diese Aussage von Ron verwirrte mich etwas, aber einen Kommentar wollte ich dazu nicht abgeben, vielleicht würde ich später noch mehr dazu erfahren.

»Und das ist Harry Potter!« Ron machte eine Pause. Es schien mir so, als ob er den Namen wirken lassen wollte. Doch mir war schleierhaft, welche Reaktion sie nun von mir erwarteten. Die erwartungsvollen Blicke irritierten mich.

»Ähh ... freut mich«, gab ich lächelnd wieder.

Plötzlich stand Seamus auf, der schon fertig umgezogen war, und eilte aus dem Zimmer. Die anderen schauten ihm hinterher.

»Glaubt der vielleicht, er dreht durch, wenn er zu lange mit mir in einem Zimmer steckt?«, sagte Harry, während ich dabei war mir das Hemd zu zuknöpfen. Mit der Krawatte tat ich mich schwer, schon am Vortag hatte ich so meine Probleme damit gehabt. Da lobte ich mir ja unsere orangen Camp-Shirts, die wenigstens nicht so einengten.

»Und du kommst wirklich aus Amerika?« Neville war hinter mich getreten und schaute mich neugierig mit großen Augen an.

Ich nickte ihm zu und warf mir meinen Umhang über. Vom Nachttisch nahm ich meinen Zauberstab und den Kugelschreiber und verstaute beides in der Innentasche des Umhanges. Auch wenn ich mich in diesem Schloss mit Magie wehren konnte, würde ich dennoch immer auf Springflut zurückgreifen können.

Zusammen mit Neville, Ron und Harry verließ ich den Schlafsaal und wir gingen die Wendeltreppe hinunter zum Gemeinschaftsraum. Am Fuß der Treppe wartete ein Mädchen mit buschigen, braunen Haaren, welche genervt mit dem Fuß wippte. Grund für ihre Entrüstung war ein Aushang der Zwillinge. Ich musste mir eingestehen, dass mir die beiden immer sympathischer wurden. Sie gaben mir das Gefühl zu Hause zu sein, das lag daran, dass sie mich immer mehr an die Stoll-Brüder erinnerten. Nichts als Dummheiten im Kopf. Unwillkürlich musste ich über die Zwillinge lachen und erntete mir dabei einen bösen Blick von der entnervten Schülerin.

»Ah, das ist übrigens Percy Jackson«, stellte mich Ron vor. »Und das ist unsere Hermine Granger. Nimm dich vor ihr in Acht, sie kennt Hunderte von Zaubersprüchen. Manchmal nervt auch nur ihre Klugheit.« Wenn Blicke töten könnten – es sei denn man war eine Gorgo – wäre der Rotschopf jetzt ein toter Mann. Hermine schnaubte und wand ihm den Rücken zu.

Wir verließen den Turm wieder durch den runden Eingang, vor dem das Bild der dicken Frau hing.

»Also, was ist los mit dir, Harry?«, fragte Hermine plötzlich.

Die beiden Jungen erzählten ihr von dem Streit am Abend mit Seamus. Ich bemerkte, dass sie das nicht allzu sehr verwunderte. »Ja, Lavender glaubt das auch«, erzählte sie.

»Dann hattest du sicher eine nette kleine Unterhaltung mit ihr, ob ich nun ein lügnerischer, Aufmerksamkeit suchender Schwätzer bin oder nicht?«

Wie gerne wüsste ich, was hier genau das Problem war. Doch eines wusste ich genau, seinen Freunden schien Harry nicht so zu vertrauen, wie ich es bei meinen tat. Annabeth, Grover, Nico und den anderen würde ich mein Leben anvertrauen. Auf sie konnte ich zu jeder Zeit zählen und sie auf mich. Einmal Hades und zurück. Das war es, was uns auszeichnete. So wie Harry mit seinen Freunden redete, so würde ich nie mit meinen Reden. Ihre Loyalität und ihr Vertrauen nicht infrage stellen.

»Nein! Ich habe ihr nur gesagt, sie soll ihr großes Schwabbelmaul halten, was dich angeht. Aber es wäre ganz nett, wenn du aufhören würdest, ständig auf uns rumzuhacken, Harry, denn falls du es noch nicht gemerkt haben solltest, Ron und ich stehen zu dir.«

Eine Pause trat ein, in der alle nur still die Treppen weiter hinunter gingen. Ich nahm mir vor, bei der nächsten Gelegenheit ein paar Informationen über diesen Harry zu sammeln. Es war unschön im Unwissen zu sein. Eventuell hatten ja die anderen beiden was über ihn gehört.

Wir erreichten den Absatz der großen Marmortreppe. Einige Schüler mit blauen Krawatten liefen an uns vorbei. Ich machte einen langen Hals, um zu schauen, ob meine Freundin bei ihnen war. Enttäuscht ließ ich meinen Blick wieder fallen. Wie sollte man bei so vielen Schülern eine bestimmte Person finden.

»Suchst du jemanden bestimmten?«, fragte Ron mich.

Ich wand mich ihm zu. »Ja, ich suche...«

»Percy!«, erklang eine helle, melodische Stimme vom Fuße der Treppe.

Ich wirbelte herum und meine Stimmung hellte sich gleich bei Annabeths Anblick auf. »Ah, da ist sie!« Eilig nahm ich die letzten Stufen zu ihr hinunter. Meine drei Begleiter folgten mir. Es entging mir nicht, dass sich Rons Miene ebenfalls veränderte. Er wurde sanfter, wenn nicht sogar verliebt. Bei Gelegenheit, sollte ich ihn warnen, die Finger von meiner Freundin zu lassen.

»Leute, das ist Annabeth Chase, Tochter de-« Ein Ellenbogenstoß in meine Rippen seitens Annabeth, hielt mich davon ab, Mist zu verzapfen. Fast hätte ich mich verplappert und hätte gesagt, dass ihre Mutter Athene war, die Göttin der Weisheit. Wie gut das ich mein Neunmalklug hatte, welches auf mich aufpasste. Hoffentlich hatten die anderen nicht zu sehr auf meine Worte geachtet. »Ähm ... ja ... und das sind Harry, Ron und Hermine.«

»Hallo, freut mich!«, sagte Annabeth.

»Hi!«, hauchte Ron mit einer, wenn man mich fragte, zu verträumten Stimme.

Meine Freundin ging nicht weiter auf die anderen ein und richtete sich wieder mir zu. »Nico wartet im Hof auf uns!«

»Aber ... aber ich habe Hunger«, quengelte ich. »Wir wollten gerade zum Frühstück in die Große Halle.«

Annabeth verdrehte die Augen und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. »Dafür ist schon gesorgt, Algenhirn. Jetzt komm!« Sie packte meine Hand und zog mich hinter sich her, ohne dass ich mich von den anderen verabschieden konnte.

Treffen der Helden (Percy Jackson/Harry Potter Crossover)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt