Kapitel 2

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Laute Musik durchdringt die dünnen Wände unseres Hauses und schallendes Gelächter erklingt vom Garten. Der Großteil der Gäste ist bereits da und in unserem Garten bildet sich langsam ein kleines Menschenmeer. Doch trotz der fröhlichen Stimmung verstecke ich mich immer noch in meinem kleinen Zimmer.
Jedes Mal, wenn ich genug Mut gesammelt habe und mich auf den Weg in den Garten mache will, werde ich von Nervosität überfallen und drehe wieder um. Ich will mich nicht den Tatsachen stellen müssen. Es haben sich noch immer keine Anzeichen einer Gabe gezeigt. Und wenn sich bis morgen keine Fähigkeit offenbart, muss ich wie alle anderen den Eignungstest durchführen.
Ich könnte nicht mit Lynk zur Schule gehen. Und ich müsste einen gewöhnlichen Beruf finden, welcher mir automatisch nach dem Test anhand meiner Stärken und Schwächen zugeteilt wird.

Ich war schon immer recht gut in Naturwissenschaften und eine leidenschaftliche, jedoch vielleicht nicht allzu begabte Köchin. Wer weiß, welche Stärken der Eignungstest entdeckt.

Wenn ich schon nicht nach Paaralan gehen kann, dann will ich wenigstens etwas Außergewöhnliches machen, dass Spaß macht. Aber Schluss mit all diesen Gedanken. Möglicherweise dauert es einfach einen Tag bis sich meine Fähigkeit einspielt.

Ich atme ein letztes Mal tief durch und mache mich nun endgültig auf den Weg zu meinen Gästen. Mein Bauch flattert und die Nervosität überkommt mich abermals. Als ich erneut einen Rückzieher machen will und mich am liebsten im Bett verkriechen würde, stolziert mein Bruder mit einem breiten Lächeln in meine Richtung.
„Oh, hey, da bist du ja endlich. Was dauert denn so lang? Es sind schon fast alle Gäste da," mit einem kleinen Augenrollen fügt er hinzu „was nicht besonders schwer ist, da du auch nicht viele eingeladen hast. Aber du solltest sie trotzdem mal begrüßen kommen", empfiehlt mir Lynk während er mich am Ellbogen den Gang entlang zieht.

„Ja ich weiß...", entgegne ich kleinlaut. Er dreht sich zu mir um und zieht besorgt seine Augenbrauen zusammen. „Ist alles in Ordnung?" Seine sanften grünen Augen mustern meinen Gesichtsausdruck sorgfältig.
„Naja, ich bin etwas nervös. Es haben sich bis jetzt noch immer keine Anzeichen gezeigt und ich kann mir nicht vorstellen den Rest meines Lebens mit einem gewöhnlichen Beruf zu verbringen", gestehe ich.

Er löst seinen Griff um meinen Ellbogen und überrascht mich mit einer plötzlichen Umarmung. „Kalia. Mach dir darüber heute keine Gedanken, okay? Heute ist dein Tag und du solltest wenigstens versuchen ihn zu genießen. Du bist perfekt, so wie du bist. Ich liebe dich. Auch wenn du manchmal unglaublich nervig und stur sein kannst." Mit seinen letzten Worten breitet sich auf meinem Gesicht ein ungewolltes Lächeln auf und ich schlage ihn, so gut es in seiner festen Umarmung auch geht, gegen seinen Oberarm. Er grinst mir frech entgegen und packt abermals meinen Arm. „Komm, jetzt gibt's keine Ausreden mehr." Und damit zieht er mich voran.

„Kalia!!! Da bist du ja endlich. Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht!", ruft mir mein Vater laut zu und übertönt somit die Musik. Augenblicklich richten sich somit die Blicke auch mich und ich könnte am liebsten im Boden verschwinden.
Er kommt mit offene Arme auf mich zu und zieht eine Gruppe von Leuten, die ich kaum kenne, mit sich. Mit einem innerlichen Stöhnen und einem aufgesetztem Lächeln bedanke ich für alle Glückwünsche.

Nachdem sich der Ansturm ein bisschen gelegt hat, kommen Sahira und Kerros auf mich zu. Sie umarmen mich beide zugleich und schnüren mir dabei beinahe die Luft ab. „Wo warst du denn so lange?", fragt Sahira, „du wolltest doch nur kurz ins Badezimmer."
„Ich hatte einfach etwas Angst davor mich den ganzen Leuten zu stellen", murmle ich. „Das macht alles zu real. Und ich musste mich einfach noch ein bisschen beruhigen, damit ich nicht hyperventiliere und vor euch allen an meinem Geburtstag einen Herzinfarkt bekommen und Tod umfalle", versuche ich zu scherzen, doch meine Augen betrügen mich. Beide wissen sofort, dass ich mich am liebsten den ganzen Abend verstecken und mit keiner Menschenseele sprechen würde. Zum Glück reiten sie aber nicht länger darauf herum und begleiten mich zu den „jungen" Gästen.

The Queen of SecretsWhere stories live. Discover now