Kapitel 34

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Rohans POV

So weit so gut. Bis jetzt bin ich nur ein paar wenigen Angestellten begegnet, welche mir mit dem üblichen „eure Hoheit" und verlegenen Blicken zunicken. Vermutlich haben sie noch nicht gehört, was gestern auf dem Marktplatz passiert ist.

Je näher ich jedoch den Gemächern der Wachen komme, desto nervöser werde ich. Meine Zuversichtlichkeit diente heute Morgen nur zur Fassade. In Wahrheit habe ich keinen blassen Schimmer, wie Sir Herol reagieren wird. Das konnte ich aber nicht den Anderen zeigen und schon gar nicht Kalia.
Sie hätte mich dann nie gehen lassen, oder wäre mir gefolgt und das kann ich nun wirklich nicht zulassen. Laut meinem Vater hat meine Mutter Sir Herol persönlich den Auftrag gegeben Kalia zu ermorden. Wenn sie auch nur einen Fuß in dieses Schloss setzt, ist sie, solange Sir Herol den Befehlen meiner Mutter folgt, tot.
Ich bezweifle jedoch, dass die Wachen auch schon auf der Suche nach mir sind. Daher ist jetzt die vermutlich einzige Chance überhaupt in die Nähe von Sir Herol zu kommen.

In meinen Gedanken versunken laufe ich durch die kahlen Gänge. Obwohl ich mein ganzes Leben lang hier wohne, konnte ich mich trotzdem nie mit dem Schloss anfreunden. So schön wie es Außen rum auch sein mag, Innen drinnen ist es alles andere als perfekt. Die meisten, die zu viel Zeit hier verbringen, sind im Endeffekt genauso verrückt und hinterlistig wie meine Mutter.

Meine gesamte Kindheit musste ich mit den verklemmten Kindern der Adeligen verbringen. Jedes Mal, wenn ich mit den Kindern der Angestellten gespielt habe, wurden sie für meine Fehler bestraft. Es dauerte nicht lang und ich wagte es nicht einmal mehr in ihre Richtung zu blicken, aus Angst ihnen noch mehr Schmerz zuzufügen.

Wahre Freundschaften gibt es in unserem Umfeld nicht. Du kannst keinem hier trauen, denn jeder könnte dich verraten, wenn es ihnen Vorteile verschafft. Auch wenn du denkst du könntest jemanden trauen, weißt du nie, wer hinter der nächsten Ecke lauert und dich belauscht.

Mein einziger Lichtblick war mein Vater und meine Schwester. Vater war zwar immer strenger mit mir als mit meinen Geschwistern, aber er war immer für mich da. Er hat sein wahres ich, trotz der vielen Jahre hier, nie verloren.
Jedes Mal, wenn ich weinend aus dem Büro meiner Mutter lief, war er derjenige, der mich solange hielt bis meine Tränen versiegten.
Valaia war meine einzige Spielgefährtin, mit der ich über alles reden konnte, ohne Angst zu haben. Sie verhält sich zwar wie eine richtige Prinzessin, aber sie würde nie jemanden verraten.

Natürlich wäre es mir auch nie erlaubt gewesen eine normale Kindheit zu haben, denn schon so lang ich mich erinnern kann, wurde ich dafür erzogen der nächste König zu sein. Meiner Mutter war es völlig egal, dass ich lieber mit den Kindern der Angestellten spielen wollte, denn ich musste ja Stunden lang Fechten, Tanzen und sonstige überhebliche Sachen meistern, die ich so wie so nie verwenden muss. Ich bezweifle, dass sich jemanden beschweren würde, wenn der Prinz nicht tanzen kann, aber versuche das mal meinem Tanzlehrer zu erklären.

Trotz der vielen Menschen um mich herum war ich immer einsam.

Endlich in dem Flügel, in dem die Gemächer der Wachen liegen, angekommen, beseitige ich alle ablenkenden Gedanken und fokussiere mich auf den Plan. So langsam füllen sich die Gänge mit mehr und mehr Angestellten, die meisten jedoch zu vertieft in deren Gespräche, dass sie mich nicht einmal beachten.
Das letzte Zimmer auf der linken Seite gehört dem Hauptmann und ist um einiges größer als das, der anderen Wachen.
Hoffentlich ist er überhaupt in seinem Gemach, sonst müsste ich durch das ganze Schloss laufen um ihn zu suchen und wer weiß, wer mich dann sehen würde.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, hole ich tief Luft und klopfe an die dicke Holztür. Ein dumpfer Knall echot durch den Gang. Nach einigen Sekunden klopfe ich erneut an die Tür, diesmal noch fester, doch es rührt sich keiner.
Gerade als ich mich schon auf die Suche nach ihn machen will, wird die Tür hinter mir grob aufgeschwungen und hinter ihr kommt der Muskelberg mit grimmiger Miene zum Vorschein. 

The Queen of SecretsWhere stories live. Discover now