Kapitel 32

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Stille herrscht am Esstisch. Jeder in seine eigenen Gedanken versunken. In mir, jedoch, tobt Gefühlschaos. Rohan will ernsthaft den Hauptmann der königlichen Wache auf unsere Seite bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sir Herol jemals seine Königin verraten würde. Das bedeutet aber auch, dass Rohan keine Chance hätte ihn zu überzeugen.
Sir Herol ist ein Berg aus Muskelmasse. Im Vergleich zu ihm ist Rohan ein Zwerg. Ein falsches Wort und Sir Herol lässt ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, einsperren. Da hilft es ihm sicherlich auch nicht, dass er der Kronprinz ist, denn was Rohan vorhat, zählt als Hochverrat. Dem Hauptmann wird es herzlich egal sein, dass die Königin und ihr Vater eigentlich diejenige waren, die Hochverrat begangen haben.

„In Ordnung", unterbricht Fox meinen Gedankengang.
„Was? Fox, das kannst du nicht machen, du weißt, was passieren könnte!"
„Kalia, jeder ist sich den Umstaenden bewusst, aber wir finden nun mal keine andere Lösung. Wir müssen jeden einzelnen auf unsere Seite bringen, wenn wir die Königin stürzen wollen. Das beinhaltet auch die königliche Wache. Oder hast du eine andere Idee?", fragt Fox mit ruhiger Stimme. Mein Schweigen dient als Antwort.

Verzweifelt gleitet mein Blick zu den anderen am Tisch, doch sobald meine Augen auf ihnen landen, senken sie schuldbewusst ihren Kopf.

„Das kann doch nicht euer Ernst sein", flüstere ich ernüchtert.
„Schätzchen, im Notfall kann er doch auch seine Fähigkeit einsetzten. Ihm wird schon nichts geschehen", ermutigt mich Nitida, doch auch das hilft nicht. Mit einem Schlag ist jegliche Hoffnung aus meinen Körper verschwunden.

Wütend drehe ich mich um und laufe die Treppen hoch und werfe meine Zimmertür hinter mir zu. Den Tränen nahe lasse ich mich aufs Bett fallen und sobald mein Kopf auch schon das Kissen berührt, entfliehen die ersten Tränen meinen Augen.

Ich habe ihn gerade erst wiederbekommen, er kann doch nicht jetzt schon gehen. Nur weil er ein Chronos ist, heißt das noch lange nicht, dass er sicher ist. Wer weiß, was für Tricks die Königin auf Lager hat. Seine Fähigkeiten garantieren auf keinen Fall seine Sicherheit.

Ich lasse meinen Tränen und Gedanken freien Lauf. Mehrere Minuten lang werden meine Augen regelrecht überflutet. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit versiegen meine heißen Tränen und ein eiskaltes Gefühl breitet sich in meinem Körper aus.

Regungslos starre ich nun die Schnörkel auf der weißen Decke über mir an, welche plötzlich unglaublich spannend sind.
Doch jedes Mal, wenn ich meine Augen schließen, kehrt dasselbe Bild zurück. Rohan, wie er von seiner Mutter durch ihre Fähigkeit erpresst und gequält wird.
So oft wie ich diesen Gedanken auch verbanne, er dringt immer wieder in meinen Kopf ein um mich zu plagen.

Ein sanftes Klopfen holt mich schließlich aus meiner Starre und statt der Decke fixiere ich nun die Tür. Lautlos öffnet sie sich und ein besorgter Rohan tritt herein. Die Tür schließt er hinter sich und vergraebt anschließend seine Hände unsicher in seinen Hosentaschen.
„Ich gehe morgen Früh", flüstert er in die Stille und senkt seine Augen auf den Boden. Ich hole tief Luft und wende mich wieder meiner schnörkeligen Decke zu.
Ich habe mich zwar nicht mit seinen Vorhaben angefreundet, habe aber nichts anderes von ihm erwartet. Nichts könnte ihn jetzt davon abbringen.

Wortlos geht er zur anderen Seite des Betts und legt sich zögerlich neben mich, als hätte er Angst er könnte mich mit der leichtesten Berührung zerbrechen.
Still liegen wir nun nebeneinander, beide ahnungslos, was wir in dieser Situation sagen sollen. Beide wissen, dass wir uns nach morgen eventuell nie wiedersehen.

Das ist doch schwachsinnig! Will ich wirklich den einzigen Abend mit ihm zusammen so verbringen? Naja, abgesehen von dem einen Mal, wo er mich in seinem Zimmer hat schlafen lassen, aber diese Nacht zählt nicht wirklich.
Wer weiß, was uns beiden morgen passieren könnte, ich will den womöglich letzten Abend nicht schweigend verbringen.

Entschlossen drehe ich mich auf meine linke Seite und mustere sein Profil sorgfältig, präge mir sein Gesicht ein. Ich lege meine Hand auf seine Wange und genieße die Wärme, die von seinem Körper ausgestrahlt wird.
„Es tut mir leid." Meine Stimme ist kaum hörbar, doch er dreht seinen Kopf zu mir und lächelt mich mit sanften Augen an.

„Es ist einfach ungerecht, dass wir uns ständig trennen müssen. Am liebsten würde ich mit dir mitkommen." Kaum habe ich diesen Satz beendet, will er sich schon darüber aufregen, doch bevor er sich dazu äußern kann, unterbreche ich ihn, „Keine Sorge, ich weiß, dass ich nicht mitkommen kann und du das alleine machen musst." Danach entspannt er sich wieder etwas.

„Ich würde dich am liebsten nie wieder aus meinen Augen lassen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr es mich quält dich jetzt wieder zu verlassen. Jedes Mal, wenn ich dich ansehe, habe ich das Gefühl, dass du mir in der nächsten Sekunde wieder weggenommen wirst", er seufzt kurz.
„Ich kann es kaum erwarten, dass das alles vorbei ist", flüstert er.

Er legt sich nun ebenfalls auf die Seite und stützt sich zugleich auf seinem Ellbogen ab. Nun führt er seine Hand zu meiner Wange und streicht mir behutsam einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Er senkt seinen Kopf und küsst mich zunächst zärtlich auf der Stirn. Sein Mund nähert sich meinem, doch bevor sich unsere Lippen endlich berühren, lächelt er mich an und fixiert meine Augen mit seinen Hellblauen.

„Ich liebe dich." Damit landen seine Lippen schließlich auf meinen.    

The Queen of SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt