Kapitel 6

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Die Fahrt im Hover vergeht wie im Flug, wortwörtlich, da man ja über magnetischen Leitungen schwebt. Mir ist es nicht wie zehn Stunden vorgekommen, jedoch habe ich aber auch die meiste Zeit geschlafen. Wenn ich nicht geschlafen habe, habe ich an dem Essen gemanscht, das unerwartet auf einem Tisch auftauchte.

Da wir angeblich bald ankommen sollten, bin ich natürlich förmlich an die Fensterscheibe geklebt. Die Landschaft unter mir hatte sich seit zuhause gewaltig verändert. Mein Leben lang war ich immer nur die dauergrünen Palmen aus meiner Heimat gewohnt. Da ich auch noch nie verreist war, bin ich äußerst fasziniert von meiner neuen Umgebung. Unter mir breitet sich ein riesiger Laubwald mit saftigen grünen Blättern aus. Am Horizont kann man auch schon Anzeichen von Bergen erkennen.
Mein geliebtes Meer kann ich leider nicht mehr sehen. Mein Heimatdorf liegt an der Sud-Ostküste unseres Königreiches, wo es das ganze Jahr über relativ warm ist und weit und breit keine Berge sind. Den Strand habe ich bis jetzt immer für selbstverständlich genommen. Doch je weiter ich mich von meiner gewohnten Umgebung entferne, desto mehr wird mir bewusst, dass ich tatsächlich in ein Schloss ziehe und jetzt alles anders sein wird.

Nach weiteren dreißig Minuten kann man endlich die Umrisse des Schlosses erkenne. Es liegt auf einer kleinen Klippe am Rande von Kabisera. Der Ausblick von dort muss sicher unbeschreiblich schon sein. Wahrscheinlich kann man die ganze Stadt nur von einem Fenster aus sehen. Vielleicht kann man sogar Paaralan, Lynks Schule, erkennen.
Viel schneller als mir eigentlich lieb wäre, nähern wir uns dem beeindruckenden Gebäude. Die weiße Fassade erscheint zu glitzern in den Sonnenstrahlen. Als ob das ganze Schloss aus Kristallen besteht. Vielleicht ist es sogar aus Kristallen gebaut, es könnte gut möglich sein, so reich wie die königliche Familie ist. Das Dach ist aus einem wunderschonen, für mich undefinierbaren, Material. Die Farbe wechselt zwischen einem kühlen Silber und einem strahlenden Gold. Je naher ich komme, desto mehr Details kann ich ausmachen. Wie zum Beispiel, dass sich eine breite Allee vom Eingang die Klippe hinunterschlingt bis sie in der Stadt mit den anderen Straßen vermischt.
Meine Vorstellungen werden dem Schloss und der riesigen Stadt nicht gerecht. Die Erzählungen von Lynk treffen auch kaum zu. Er hat eindeutig untertrieben. In den Gassen unter mir wimmelt es nur so von Menschen. An fast jeder Ecke ist eine Art von Markt im vollsten Gange. Ich kann es kaum erwarten alle Geheimnisse der Stadt zu erkunden. Hoffentlich darf ich auch hin und wieder alleine etwas Unternehmen.
So in meinen Beobachtungen versunken, merke ich gar nicht wie der Hover langsam zu sinken beginnt bis ein leises Zischen das Öffnen der Tür ankündigen. Erschrocken hupfe ich zurück um nicht aus der Tür zu fallen. Ich richte meine Kleidung und steige in die etwas kühle Nachmittagsluft meiner neuen Heimat.

Vor mir erhebt sich das Schloss von dem jedes Kind geträumt hat. In echt ist es um einiges großer als man sich je hätte vorstellen können. Schon die Eingangstür alleine ist etwa so hoch wie unser ganzes Haus zuhause, was aber auch nicht sonderlich schwer war, da es relativ klein ist.
Hinter mir räuspert sich jemand. „Miss?"
Ich wende mich zu meinem Fahrer um und sehe ihn mit meiner kleinen Tasche in der Hand. Er streckt mir mein Gepäck entgegen. „Oh ja", sage ich und eile zu ihm um ihm meine Tasche abzunehmen.
„Viel Erfolg in deinem neuen Beruf", sagt er und dreht sich wieder zur Fahrertür um.
Was? Der kann doch nicht einfach gehen. Was soll ich denn jetzt machen?
„Uhm. Ich kann doch nicht einfach da reingehen, was soll ich jetzt machen?", frage ich ihn etwas verzweifelt. Er wendet sich mit einem freundlichen Lächeln wieder mir zu. „Du musst einfach nur anklingeln und dich wird schon jemand empfangen."
„Oh. Okay, gut", erwidere ich etwas zu emotionslos.
Er macht sich wieder auf den Weg zum Hover und ich bin zu überfordert um mich zu bewegen, also starre ich ihm einfach nur hinterher.
Meine Starre löst sich erst wieder als der Hover lautlos vom Boden abhebt. Da ich ja nicht ewig hier draußen bleiben kann, bin ich wohl gezwungen etwas zu Unternehmen. Mit Herzrasen nähere ich mich der Gewaltigen Holztur. Im Vergleich bin ich ein Zwerg.

The Queen of SecretsWhere stories live. Discover now