Kapitel 29

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„Sollen wir es noch einmal durchgehen? Wie fühlst du dich dabei?", fragt Fox aufgeregt.
„Sie hat es doch schon hundert Mal gehört, ich hoffe doch wohl, dass sie sich mittlerweile alles gemerkt hat", antwortet Yorick für mich mit einem genervten Augenrollen.
„Natürlich, aber ich will doch nur sichergehen, dass sie auf alles vorbereitet ist", erwidert Fox.

Bevor die beiden anfangen zu streiten, melde ich mich lieber. „Keine Sorge, ich schaffe das schon." Ich schenke Fox ein beruhigendes Lächeln und wende mich zur Tür.
Offensichtlich wirke ich überzeugender als ich mich fühle, denn innerlich verkrampft sich alles und in Wahrheit bin ich überhaupt nicht bereit mich der Bevölkerung zu stellen.
Doch irgendwann muss ich es schließlich machen.

Mit zittrigen Händen öffne ich die Tür und zusammen mit Fox, Yorick, Nitida und Magnus mache ich mich auf den Weg zum Marktplatz.

Die Mittagssonne erwärmt die kühle Oktoberluft und eine schwache Brise weht mir durch das Haar. Da zur Mittagszeit normalerweise die meisten Menschen am Marktplatz sind, haben wir uns diesen Zeitpunkt ausgesucht, in der Hoffnung so viele Menschen wie möglich zu erreichen.

Die engen Gassen münden allmählich in immer größeren Straßen und immer mehr Einwohner drängen sich an uns vorbei. Als nach einigen Minuten endlich der riesige Marktplatz in Sicht kommt, fängt mein Herz an wie verrückt zu schlagen und mein ganzer Körper verkrampft.

Als würde Nitida meine Anspannung spüren, legt sie ihre Hand auf meine Schulter. „Keine Angst, Liebes, wir sind hier, falls etwas passiert. Und Außerdem könntest du die Rede wahrscheinlich schon im Schlaf aufsagen, so oft wie du sie geübt hast", sagt sie mit einem sanften Kichern.
Ich lächle ihr nervös zu und lockere meine angespannten Arme und Hände.

Wir schieben und quetschen uns durch die Menschenmasse und dringen nach etlichen Minuten bis zur Mitte des Hauptplatzes vor, wo sich ein stillgelegter Brunnen befindet.
Da der Brunnen auf einer Erhebung gebaut wurden, ist es die perfekte Stelle für meine Rede. Ich lasse meinen Blick über den Marktplatz gleiten und kann mir ein schweres Schlucken nicht verkneifen. Wie soll ich das bloß schaffen?

Yorick klopft mir ermutigend auf den Rücken und zwinkert mir ein letztes Mal zu bevor er wieder in der Menge untergeht. Während ich die Rede halte, werden die anderen sich nämlich unter die anderen Einwohner mischen.
Nitida und Magnus sprechen mir aufmunternd zu bevor sie ebenfalls aus meiner Sicht verschwinden.
Fox stellt sich mit einem ängstlichen Lächeln vor mich, zieht mich zu sich und schließt mich in eine feste Umarmung. „Wir glauben an dich", flüstert er mir zu und verschwindet in der Menge.

Ich hole tief Luft, führe meine Zitternde Hand zu meiner Hosentasche und hole meinen Vox-Chip heraus. Vorsichtig befestige ich die kleine, runde Scheibe hinter meinem Ohr.
Dieses kleine Gerät soll meine Stimme lauter machen, sodass mich auch jeder hören kann. Ob es auch wirklich funktioniert, wissen wir nicht, aber es ist die einzige Möglichkeit um meine Stimme hörbar zu machen.

Mit einem unguten Gefühl im Bauch steige ich die letzten Treppen zum Brunnen hinauf und klettere, um extra Höhe zu gewinnen, auf den Rand des Brunnens. Oben angekommen, spüre ich schon neugierige Blicke auf mir. Passiert wohl nicht allzu oft, dass jemand auf diesen Brunnen klettert.

Erneut fülle ich meine Lunge mit einem tiefen Luftzug und räuspere mich anschließend zögerlich. Doch mein Räuspern wird deutlich lauter als ich gedacht hätte und ich zucke erschrocken zusammen. Wieder landen die Blicke der Passanten auf mir, doch deren Blicke wirken diesmal alles andere als freundlich. Oh, Gott, wieso tu ich mir so etwas an?

Am liebsten würde ich wieder hinunterklettern und mich in meinem Bett zu verkriechen.

Ich lasse meinen Blick schweifen und meine Augen bleiben an etwas Rotem hängen. Fox.
Er nickt mir mit einem Lächeln kurz zu und deutet mir weiter zu machen.

Erneut räuspere ich mich, diesmal etwas lauter. Sofort schallt meine Stimme über das Gelände und zieht alle Blicke auf mich.

„Ähm, hallo", sage ich knapp. Meine Begrüßung klingt jedoch eher wie eine Frage. Wie peinlich! Geht's eigentlich noch schlimmer. Ich schüttle meinen Kopf zu meiner eigenen Dummheit.

Nun breitet sich ein Murmeln aus und die verwunderten Blicke der Menschen verwandeln sich mehr und mehr in Genervte. Panisch suche ich wieder nach Fox, doch finde kann ihn nicht. Vielleicht hat er sich absichtlich versteckt.

„Hallo", sage ich jetzt etwas kräftiger, „vielleicht habt ihr schon von mir gehört, aber falls nicht, ähm... Mein Name ist Kalia und mein Großvater war Tarquin de Moy."

Die Menge verstummt. Doch nach einigen Sekunden fängt mein Publikum an untereinander zu tuscheln.
„Ihr könnt vermutlich erahnen, wieso ich heute hier bin", fahre ich fort, „es ist an der Zeit, dass ihr mich kennenlernt und seht, dass es mich auch wirklich gibt."
Abermals liegen alle Blicke auf mir.

„Vielleicht habt ihr auch schon viele Gerüchte gehört und wisst nicht mehr was ihr glauben sollt.
„Eines kann ich mit Sicherheit sagen. Die Königin ist nicht die Person, die sie vorgibt zu sein. Die wichtigste Person in ihrem Leben ist sie selbst, sie kümmert sich nicht um die Bevölkerung. Wollt ihr wirklich so eine Person als eure Königin?
„Sie würde alles dafür tun um an der Macht zu bleiben und scheut auch nicht vor unvorstellbare Grausamkeit zurück. Gestern wurde ich von zwei Männern, welche von eurer Königin angeheuert wurde, überfallen und beinahe getötet. Sie lügt und betrügt und gibt vor etwas zu sein, was sie nicht ist."

Immer mehr Menschen in der Menge fangen an mir mit Nicken mir zuzustimmen, was mir Hoffnung gibt, dass unser Vorhaben tatsächlich funktioniert.

Ich lasse meine Worte kurz einsickern und setze dann wieder mit meiner Rede fort. „Vor kurzem waren wir in der Lage ein Dokument zu veröffentlichen. In diesem Dokument sieht man, dass vor etwa 80 Jahren ein Arzt bestochen wurden um falsch auszusagen." Als ich die Geschichte des Dokumentes und meiner Herkunft erzähle, schwindet die Skepsis immer mehr aus den Gesichtern meines Publikums.

Mit dem Ende meiner Erzählung hängen alle an meinen Lippen und keiner rührt sich vom Fleck. Der ganze Marktplatz ist komplett still. Mir fällt ein Stein vom Herzen.

„Ich frage euch jetzt, wollt ihr wirklich so eine Frau als eure Königin? Wollt ihr euch weiterhin w-"
Ich lasse meinen Blick schweifen, doch was ich jetzt erblicke, lässt meinen Atem stocken.

The Queen of SecretsWhere stories live. Discover now