Kapitel 11

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Jeden Tag ist so viel zu erledigen, dass ich kaum Zeit habe an etwas anderes zu denken als Arbeit. Trotz des stressigen Alltags, habe ich an meinem Beruf Gefallen gefunden. Nie hätte ich gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich fühle mich hier im Schloss wohl. Vor allem Morgan hat alles wesentlich erträglicher gemacht.

Seit dem letzten Treffen mit Lynk ist bereits mehr als ein Monat vergangen. Ich hätte ihn gerne öfters gesehen, aber in letzter Zeit hatten wir beide einfach kaum Zeit. Ich bleibe nachts länger Wach um genug Zeit zu finden Briefe zu schreiben. Alle paar Wochen versuche ich nach zuhause zu schreiben. Mutter, Vater und Sahira freuen sich immer über einen Brief.

Nach und nach, habe ich auch die Hoffnung aufgegeben, mehr über Tarquin herauszufinden. Es scheint so, als hätte er nie existiert, es gibt keine Bücher über ihn. Hin und wieder wird er in Geschichtsbüchern als der verrückte Herrscher bezeichnet, aber das wars auch schon. Als ich Morgan über ihn gefragt habe, meinte sie, sie wüsste nichts Besonderes über ihn, nur, dass er verrückt war.

Prinz Rohan verhält sich auch etwas seltsam mir gegenüber. Seitdem ich beiläufig erwähnte, dass mein Bruder seine Gedanken gelesen hatte, geht er mir aus dem Weg. Trotzdem spüre ich seine Blicke auf mir, manchmal erwische ich ihn dabei, wie er mich heimlich beobachtet. Sobald ich ihn erwische, ignoriert er mich wieder. Natürlich hat er mich auch schon oft starren gesehen. Leider kann ich das aber nicht so gelassen wie er ignorieren. Stattdessen laufe knallrot an und versuche einfach sein Grinsen nicht zu beachten.

Heute haben Morgan und ich wieder etwas mehr Freizeit als sonst, also haben wir uns in der Bücherei verabredet, um vielleicht mehr über Tarquin de Moy herauszufinden. Es sind noch einige Bücher übrig, die wir noch nicht durchkämmt haben.
Als ich in die staubige Bücherei trete, sehe ich Morgan bereits auf einem der gemütlichen Stühle sitzen. Ich lasse mich erschöpft mit einem lauten Seufzer auf den Stuhl neben ihren fallen. „Anstrengender Tag?", fragt sie mich ohne aufzublicken. „Mhm", stimme ich ihr zu. „Ich habe schon seit Tagen Kopfweh und schwindelig wird mir auch öfters", erzähle ich ihr. „Hast du vielleicht nicht genug getrunken?", fragt sie mich besorgt.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich genug trinke. Ich weiß wie sich normale Kopfschmerzen anfühlen. Diese fühlen sich irgendwie anders an."
Da wir beide ratlos sind nehmen wir einfach wieder unsere Bücher in die Hand und beginnen zu lesen.

„Ugh!", meldet sich Morgan plötzlich, „Ich hasse diese Bücher. Wieso können sie sich nicht selbst vorlesen, oder wenigstens eigenständig umblättern."
„Ich weiß was du meinst, es wäre wirklich praktisch, wenn man nichts tun müsste", stimme ich ihr zu. Ich richte meinen Blick zurück auf das schwere Buch in meinem Schoss. Plötzlich kommt mir eine Idee.

Ich kann nicht sagen wieso, aber auf einmal überkommt mich ein seltsames Gefühl. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und konzentriere mich auf das Buch. „Ehm, Lia? Hat dich das Buch beleidigt, oder wieso starrst du es so wütend an?", höre ich Morgans spöttische Stimme neben mir, was mich jedoch beim Fokussieren stört. Ich bringe sie mit einem gehobenen Finger zum Schweigen, damit ich mich besser konzentrieren kann. Mein Mund formt die Wörter bevor ich mich davon stoppen kann. „Blätter um!", befehle ich dem Buch. Doch nichts geschieht, also lasse ich meine Schultern enttäuscht hängen.

Neben mir fängt Morgan wieder an zu sprechen. „Alles okay? Willst du dich vielleicht lieber doch hinlegen?", fragt sich zurückhalten. Sie denkt wahrscheinlich ich wäre verrückt. Gerade als ich sie aufklären wollte, rührt sich das Buch. Plötzlich hebt sich die rechte Seite des Buches und deckt die nächste auf. Fassungslos starre ich das Buch an. Morgan ist ebenfalls völlig stumm, vermutlich fixiert sie, so wie ich, ungläubig das Buch.

Als ich meine verwunderten Augen auf Morgan richte, sitzt sie mit offenen Mund da. „Ist das jetzt wirklich passiert?", fragt sie mich etwas abwesend.
„Ich bin mir nicht ganz sicher", gebe ich ehrlich zu.
„Du hast gerade eine Seite umgeblättert ohne sie zu berühren", stellt sie schon fast panisch fest. Sie springt von dem Stuhl auf und überquert die Länge des Zimmers mit langen Schritten. Da ich noch immer nicht ganz in Worte fassen kann, was eben passiert ist, beobachte ich sie nur. Am Ende des Zimmers kehrt sie wieder um und ihre großen gelblichen Augen finden mich.
„Mach das nochmal", fordert sie mich mit leiser Stimme auf.
Erst jetzt bin ich in der Lage meinen Körper halbwegs unter Kontrolle zu bringen. Ich nähere mich dem mit Büchern überhäuften Tisch und lege mein offenes Buch darauf ab. Danach mache ich einige Schritte zurück und fixiere meine Augen wieder auf dem alten Buch.

The Queen of SecretsWhere stories live. Discover now