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Mein Griff ist fest an den beiden Stangen befestigt und ich versuche mich aufrecht zu halten. Meine Beine zittern und meine Hände fühlen sich schwer und schwitzig unter den hölzernen Stangen an, trotzdem schaffe ich es tatsächlich ein wenig zu laufen ohne gleich komplett umzukippen. Der Gymnastikraum ist stickig und Geruch meines Schweißes liegt in der Luft. Mein Atem ist flach und mein Herz pumpt Adrenalin. Seit gefühlten 30 Minuten versuche ich schon angestrengt mit diesen Übungen endlich wieder das Laufen zu erlernen, aber Fortschritte mache ich wenige.

» Du machst das toll! « feuert mich die Krankenschwester mit einem zierlichen Lächeln an.

Ich versuche noch einmal einen Schritt zu machen, doch meine Muskeln Versagen angestrengt und ich sacke müde auf der blauen Matratze zusammen.

» Du wirst wohl noch ein paar Tage mit den Krücken klar kommen müssen, aber ich versichere dir das es wirklich gut aussieht! « muntert mich die Krankenschwester mit einem breiten Grinsen auf. Sie ist wirklich niedlich und sieht ziemlich jung aus für eine Krankenschwester und obwohl sie ziemlich hübsch und niedlich ist, bleibt mein Blick bei Taehyung stehen der angelehnt am Türrahmen steht und mich zufrieden anlächelt.

» Das sah wirklich gut aus « meint Taehyung mit einem ruhigen, aufmunternden Lächeln. Meine Wangen färben sich bei seinen Worten automatisch rot und geschmeichelt blicke ich auf den Boden.




Zuhause angekommen ist es ziemlich ruhig. Nicht diese ruhige Atmosphäre in der wir uns normalerweise befinden. Sondern einfach nur ruhig. Taehyung ist ruhig und wirkt heute irgendwie abwesender als sonst. Sein Blick ist ständig nachdenklich und auch wenn ich anfange zu reden reagiert er spät oder garnicht. In seinen Augen liegt nicht diese schöne, funkelnde Aura die ich sonst immer sehe, ich sehe in ihnen Einsamkeit und Trauer.

» Alles ok? « unterbreche ich die Stille. » Hm...? Ja... « nuschelt er abwesend. Seine Stimme ist gesenkt und ruhig. Ich weiß das irgendetwas nicht stimmt und das er mit seinem „ Ja " mir eine komplette Lüge erzählt und dennoch bleibe ich leise ohne weiter nach zu fragen ob etwas passiert ist.

» Ich geh eine Weile raus... bleib du zuhause okay? «  äußert er mit einem Räuspern, bevor er von der Couch aufsteht und auf die Tür zusteuert. Er schenkt mir nicht einmal einen Blick, ein Tschüss oder ein Lächeln das ich sonst immer so unglaublich liebe. Nein, er geht einfach ohne irgendein Wort zu sagen und lässt mich in der stillen Einsamkeit zurück. Sofort fühlt sich alles so leer an ohne seine Anwesenheit. So Eis kalt, so als hätte Taehyung die Wärme mitgenommen.

Ich ziehe meine Beine an meinen Oberkörper und blicke auf die Tür die er gerade verlassen hat.




Ein paar Stunden sind nun vergangen, seit Taehyung abgehauen ist und ich sitze immer noch nachdenklich in der selben Position und warte auf seine Rückkehr. Es sind nur ein paar Stunden und trotzdem kommt es mir so vor als würde ich schon Tage auf ihn warten. Ich weiß nicht was mit mir los ist, er ist doch nur ein bisschen rausgegangen und ich fange schon an mir höllische Sorgen zu machen wie als wäre ich seine Mutter. Das Wohnzimmer wirkt so unglaublich ruhig und ich höre nur meinen leisen Atem, das Ticken der Uhr und der laute Regen von draußen. Es hat es bereits angefangen zu regnen und müde beobachte ich die kleinen Regentropfen die die Fensterscheibe herunterfließen. Ich hoffe er hat einen Unterschlupft gefunden oder ist irgendwo wo es warm und geborgen ist.

Ich erschrecke, als plötzlich die Tür auffällt und Taehyung mit völlig durchnässten Klamotten an der Tür steht. Sein Blick ist kalt und leer und obwohl seine Haare und sein Gesicht in Regenwasser getränkt sind, erkenne ich das er weint. Er weint unaufhaltsam und seine Hände zittern wie verrückt. Sein Brustkorb hebt und senkt sich und sein Atem ist unglaublich schnell.

» Tae! « ohne groß nachzudenken, zwinge ich mich aufzustehen und humple eilig zu dem weinend Tae der sich vor Verzweiflung auf den Boden krümmt. Seine Augen sind geweitet und ich erkenne in ihnen pure Leere, Hass und ein Hauch von Angst. Sie sind beinahe Pech schwarz, so als würde er jeden moment seine Seele verlieren. Ich will ihn gerade an der Schulter berühren und fragen was passiert ist, doch er schlägt meine Hand ohne mich dabei anzusehen weg. Sein Blick ist einfach nur stur geradeaus gerichtet.

» Er ist tot... « murmelt er leise vor sich hin.

Meine Augen öffnen sich schlagartig und verwirrt starre ich ihn an. Ich erkenne seine Angst, seine Furcht, sein Leid. Er zittert und scheint zu schreien, doch niemand kann ihn hören. Er hat sein Leid die ganze Zeit über unterdrückt, kaum rausgelassen und jetzt holt ihn die Angst ein. Sie rannte einen Marathon mit ihm, bis sie schließlich bei ihm angelangt war und die Ziellinie vor seinen Augen erreichte.

» Weißt du was für ein Tag heute ist?... « fragt er mich. Seine Stimme klingt so zerbrochen, so als würde er sie jeden Moment verlieren. Ich spüre sein gebrochenes Herz, seine Wut, seine Angst. Sein Hals krächzt förmlich und er scheint sich ziemlich zu bemühen überhaupt mit mir zu sprechen. » ... ich weiß es nicht... « antworte ich ihm schuldig und schaue auf den braunen Holzboden. » Jimin's Todestag. « beantwortet er mir seine Frage.

Meine Augen weiten sich erneut und ich lasse meine Hand auf den Boden senken.

» Ich habe versucht glücklich zu wirken... ich habe versucht dir zu zeigen das alles in Ordnung ist. Ich wollte nicht das du mich so schwach siehst, ich meine du hast immer zu mir aufgesehen und jetzt bin ich derjenige der am Boden sitzt und nicht mehr weiter weiß... « wimmert er. Seine Hände ballen sich zu Fäusten und er beißt sich angestrengt auf die Lippe. Sein ganzer Körper zittert unaufhaltsam und ich erkenne seinen brennenden Tränen die langsam seine Wange herunterfließen. Ich kann mir nicht ausmalen wie viel Schmerz er empfindet oder wie er leidet. Es tut weh ihn so zu sehen. Ich möchte ihn in die Arme schließen, ihn helfen, aber ich kann nicht.

» Bitte kommt zurück zu mir... Jungkook... Jimin... Ich habe alles verloren... « schluchzt er laut, das es schon fast einem Schreien ähnelt. Ich hebe meine Hand und möchte sie aufmunternd auf ihn legen, aber ich lasse sie wieder gekränkt fallen. Alles was ich tuen kann würde die Sache schlimmer machen, es fühlt sich an als wäre meine Anwesenheit alleine eine Last.

» ich möchte alleine sein, also bitte geh... « bittet er mich.

» Tae- «

» VERSCHWINDE! « erhebt sich seine Stimme. Er hebt seinen Kopf an und sieht mich nun endlich an, aber nicht mit diesen beruhigenden und zärtlichen Blick den er mir sonst schenkt. Er hat kein Lächeln auf seinem Gesicht, sondern ich erkenne nur puren Hass und Wut auf mich. Einzelne Tränen tropfen von seinen Regenwasser getränkten Strähnen auf den durchnässten Holzboden. Ich will so viel sagen und so viel tun um ihn aufzumuntern, aber mein Herz zerspringt in Einzelteile das ich deutlich hören kann wie die Scherben auf den Boden fallen.

Es kommt mir vor als hätte Taehyung ein Messer in mein Herz gestochen, denn so fühlen sich seine Worte an, aber es ist in Ordnung. Denn es ist Taehyung. Ohne noch etwas hinzuzufügen, stehe ich langsam auf und befolge seiner Bitte ihn alleine zu lassen.

White Snow // Taekook Where stories live. Discover now