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Mit geweiteten Augen und schweratmend wache ich aus meinem Schlaf auf. Meine Stirn schwitzt und meine Kehle fühlt sich ausgetrocknet an. Beinahe so, als würde ich ersticken. Meine Sicht dreht sich und mein Kopf schmerzt. Ich befinde mich im Wohnzimmer auf der Couch, aber meine Sicht ist verschwommen und unklar. Wie in einem Karussell dreht sich meine Erinnerung an Taehyung, an das Krankenhaus und seine sanfte Stimme, im Kreis.

Mein Atem beschleunigt sich und meine Brust zieht sich automatisch schmerzhaft zusammen. Sie drückt und drückt. Meine Augen sind in Tränen getränkt und brennen. Salzige Tränen laufen meine Wange herunter und ich drücke meine Hand auf meine Brust in der Hoffnung der Schmerz würde aufhören. Mit der anderen Hand drücke ich gegen meinen Mund um mir ein Wimmern zu unterdrücken. Die Tränen brennen auf meiner Haut wie Feuer und meine Hände zittern.

» Taehyung... « schluchze ich.


Es tut weh. Es tut verdammt nochmal weh.


» Bist du okay? « Taehyung's Stimme holt mich aus meinen Gedanken. Wie auf Knopfdruck hebe ich meinen Kopf und blicke direkt in sein bezauberndes Gesicht, doch ich kneife meine Augen wieder zusammen. » VERSCHWINDE ENDLICH AUS MEINEM KOPF! « brülle ich. Meine Kehle schmerzt und mein Puls ist unglaublich schnell. Ich halte meine Ohren zu in der Hoffnung seine Stimme würde verschwinden. Sie macht den Schmerz nur noch schlimmer.

» W-Wie lange bilde ich mir schon ein das du da bist Tae? Wie lange? « nuschle ich fragend, doch ich weiß genau das ich keine richtige Antwort bekommen kann. Ich stehe hektisch auf und laufe gegen den Kleiderschrank. Eine Weile halte ich mich fest, in der Hoffnung das Schwindelgefühl würde aufhören, dann hole ich ein Shirt aus dem Schrank. Um genau zu sein ist es Taehyung's. Es ist vermutlich das Einzige das mir von ihm übrig bleibt. Ich umklammere es und vergrabe mein Gesicht darin.


Es hilft mir zu denken, dass es wirklich da ist. Sein Geruch ist immer derselbe und er hilft mich zu beruhigen. Ich atme seinen Geruch tief ein und lasse mich auf den Boden sinken. Es wirkt so, als hätte er dieses Oberteil erst vor kurzem an gehabt

» Wie lange hast du mich schon alleine gelassen? «

Immer wieder japse ich auf und versuche meinen Atem wieder zu normalisieren, aber ich habe das Gefühl das es jedes Mal mehr schmerzt und ich in meinen eigenen Tränen ertrinke. Die Einsamkeit hat mich verrückt gemacht, sie hat mich überholt und mich auf den Boden zerstört, zurück gelassen. Ich hatte immer vor die Scherben meiner Erinnerung zu ordnen, sie zu finden um endlich glücklich zu sein. Glücklich zu sein mit ihm, aber ich habe das Gefühl das dieses zusammengefügte Glas erneut zerbrochen ist. Es zerbrach in winzige Einzelteile und lässt mich erneut die Scherben aufsammeln. Sie sind verteilt auf den Boden, ungeordnet.


» Wieso hast du mich nochmal in dich verlieben lassen? Wieso Taehyung...? « ich schnappe nach Luft und versuche eine Antwort auf meine Fragen zu bekommen, aber wen Frage ich überhaupt? Ich reden schließlich mit mir selber.

Ist das der Grund wieso Taehyung nie richtig meine Fragen beantworten konnte und nur die Fragen beantwortet hatte, dessen Antwort ich bereits kannte? Ist er nur ein weiterer Scherbe meiner Erinnerung?

Vorsichtig öffne ich meine Augen und schaue mich im Zimmer um. Für einen Moment hatte ich erhofft ihn wieder zu sehen, aber wieso auch?

Verzweifelt wische ich mir meine Tränen weg, doch jedesmal vermehren sie sich. Sie fließen unaufhaltsam, wie ein Wasserfall aus meinen Augen. Mein Ärmel ist bereits durchnässt.

» Jungkook, bist du okay?! « schweratmend stürzt Hobi ins Zimmer und für einen Augenblick hatte ich gehofft Taehyung's Stimme wieder zu hören. Meine Sicht ist verschwommen und mein Atem schwer. » Oh Gott.. « seine Hand legt er an ungläubig an seinen Mund, ich muss furchtbar aussehen. Erschrocken von meinem Anblick sieht mich Hobi an, bevor er sich ohne viel hinzuzufügen auf mich stürzt.

Sein Geruch gleicht nichtmal annähernd dem von Taehyung. Niemand gleicht Taehyung, doch für diesen einen Moment reicht mir diese Umarmung vollkommen aus um mich für einige Sekunden zu beruhigen. Er legt seine Arme um mich und zieht mich fest an sich.

Ich kralle mich fest an sein Shirt und vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. Meine Tränen nässen sein Shirt und meine Fingernägel bohren sich in sein Oberteil. » Sssshh... Alles wird gut. « flüstert er behutsam, während er vorsichtig über meine Rücken streicht.

Wie soll alles gut werden?
Wie soll ich so weiter leben?

» I-Ich will das er zurück kommt, Hobi. « wimmere ich verzweifelt. Hobi platziert seinen Kopf an meiner Schulter und streicht mir vorsichtig durch die Haare. » Ich auch Jungkook. Ich auch. «


» Ich hab ihn gehört. Ich habe ihn gehört bevor er- « der Gedanke daran was Taehyung sich angetan hat, zerstört mich. Es zerreißt mich innerlich, dass ich es nichtmal schaffe es auszusprechen. Es ist wie ein Demon der sich in meinen Körper platziert hat und nur darauf wartet auszubrechen. Wie ein gesammelter Stau, gefüllt mit Trauer.

» I-Ich hab ihn gehört bevor er gegangen ist.. « setze ich fort. Immer wieder schluchze ich auf, unfähig vollständige Sätze zu bilden.

» B-Bitte mach das der Schmerz aufhört Hobi .. « zittere ich. Mit jeder Träne, habe ich das Gefühl das es schlimmer wird. Ich sinke immer mehr, ohne jemanden zu haben der mich auf der Tiefe hochzieht, denn er Einzige der das kann ist Taehyung. Meine Hand krallt sich immer fester an Hobi und meine Panik raubt mir meine Luft. Sie nimmt mir meinen Atem und mein Schmerz wird so unerträglich, dass ich das Gefühl habe es ist nicht mehr nur meine Psyche die mich wahnsinnig macht.

Es ist der Verlust der mir meine Freude raubt und sie in kompletten Schmerz umwandelt. In Depressionen. In Angst.

» Pssst.. Pass auf, hör zu Jungkook okay? Schließ einfach deine Augen und hör zu. « fordert mich Hobi auf. Seine Stimme ist beruhigend und ich nicke stumm als Antwort. Hobi kramt in seiner Hosentasche nach seinem Handy und tippt etwas nervös darin herum.

» Das ist ein altes Lied. Taehyung hat es aufgenommen... « erzählt er.

Als er auf Play drückt und Taehyung's beruhigende Stimme ertönt, erstarre ich förmlich. Diese tiefe und raue Stimme gehört definitiv zu ihn. Es kommt mir so vor als hätte ich Tae's Stimme erst vor kurzem gehört und doch ist es eigentlich schon Monate her. Die Tiefe seiner Stimme erklingt in meinen Ohren gemischt mit der beruhigenden Musik. Langsam beginnt er zu singen und plötzlich löst sich mein Griff von Hobi und ich lasse locker.

Ich beruhige mich und das nur wegen seiner Stimme. Mein Schluchzen hört für den Moment auf wo ich den ruhigen Gesang lausche und der Schmerz lässt nach. Seine Stimme heilt ihn. Ich schließe meine Augen und höre seinem schönen Gedanken zu während mein Herz ungleichmäßig schlägt.

Ich liebe seine Stimme.

Ich liebe ihn.

Als das Lied beendet ist und seine schöne Stimme wieder verschwindet, erstarre ich. Ich erstarre unfähig mich zu bewegen. Unfähig zu reden. » Wie fühlst du dich? « fragt er. Immer wieder versuche ich anzusetzen etwas zu sagen, aber es wirkt als wäre ich verstummt, also könnte ich nicht mehr reden. Meine Kehle fühlt sich eingeengt an und auch weinen tu ich nicht mehr. Nein, mein Körper ist einfach komplett gelähmt, wie als wäre ich erneut im Koma.


Als hätte ich jegliche mir zu verfügten Kraft verloren.

White Snow // Taekook Where stories live. Discover now