[ 30 ] come back

787 100 21
                                    






Schneeflocken fallen auf das kalte Friedhofsgelände und hüllen die vielen verschiedenen bunten Blumen in eine eiskalte Schneeschicht ein. Die Erde wirkt schon ganz eingeweicht. Ich ziehe mir meinen Schal und meine Mütze zurecht und knie mich vorsichtig hin. Taehyung's Grab wirkt so unwirklich, als würde er noch direkt neben mir stehen.

Ich werfe einen Blick auf meinen Blumenstrauß, der mit Rosen verziert ist. Ich habe mich nie wirklich für Blumen interessiert, aber jetzt habe ich das Gefühl Blumen eine gewisse Trauer mit sich tragen, schließlich sind sie ein Geschenk für die Toten. Seinen Namen auf diesen Grabstein zu lesen, tut so unglaublich weh. » Tae... « fange ich an. Ich weiß das man mit Toten nicht reden kann. Viele glauben daran. Ich bin keiner davon, trotzdem sitze ich jetzt vor seinem Grab und rede. Ich bin ja auch verrückt. » Du redest mit mir? « ertönt seine Stimme.

Ich versuche meinen Atem zu beruhigen und atme tief durch. Jedesmal wenn seine Stimme erneut in meinem Kopf ertönt, bekomme ich überall Gänsehaut. So als wäre sie real. » I-Ich... « ich stoppe. Mein Herz beginnt zu schmerzen und meine Brust zieht sich zusammen, dass es mir beinahe den Atem nimmt. » I-Ich vermisse dich. « bringe ich kaum hörbar und wimmernd aus meinem Mund. Wenn er mich so sehen würde, würde er sich sicher schlecht fühlen.

Meine Knie sacken auf den Boden zusammen und auch der Blumenstrauß landet auf die Erde. » Bitte... Bitte komm zurück zu mir. « schluchze ich. Eigentlich war ich hier um mich zu entschuldigen, ich wollte mich für meine Taten entschuldigen. Ich wollte das er es hört, aber alles was ich tue ist hier auf den kalten Boden zu sitzen und zu weinen. Meine Augen kneifen sich zusammen und winzige Tropfen verlassen sie. Sie tropfen auf den Boden und hinterlassen winzige Abdrücke im Schnee.

Mein Blick wandert zum Himmel hinauf. Die Wolken haben ihn komplett bedeckt und kleine Schneeflocken fliegen auf mein durchnässtes Gesicht. Wenn ich mir eins wünschen könnte, wäre es der Wunsch zu vergessen. Ich möchte ihn vergessen. Ich möchte von Schmerz seines Verlustes befreit werden und wieder aufatmen. Ich möchte von meinen inneren Dämonen befreit werden und endlich Glück finden. All diese schmerzen, all diese Verluste, sie trampeln auf mir herum als wäre ich nichts. Ein Niemand.

» B-Bitte. Wenn es wirklich einen Gott gibt, dann bitte! Bitte gebt mir noch eine Chance ihn zu retten! « brülle ich. Meine Stimme zittert und bebt. Ich habe wohl mittlerweile den kompletten Verstand verloren. » B-Bitte... « flehe ich und lasse meinen Kopf wieder auf den Boden sinken. Der Friedhof ist so still, dass ich sogar schon den Wind hören kann und dennoch habe ich das Gefühl das ich die Stimmen der einzelnen Toten wahrnehme.

Ich höre wie sie schreien, mir Dinge befehlen und ich will das es aufhört. Ich höre seine Stimme unter der Masse. Sie reden mit mir. Sie betteln um Hilfe. Sie haben Angst.

Plötzlich dröhnt mein Kopf und beginnt zu schmerzen. Ein Piepsen raubt mir die Nerven und die Stimmen werden immer lauter und unerträglicher. Ich beginne zu schreien, doch sie übertönen meinen Geschrei. Das Piepsen wird immer stärker und auch meine schmerzen. Macht das es aufhört! Ich halte es nicht mehr aus! Ich halte meine Ohren zu, doch es hört einfach nicht auf.


Und wie auf einen Schlag, ist es komplett ruhig. Ich höre nichts mehr. Meine Ohren sind für einen Moment komplett Taub. Meine Augen hören auf zu Tränen und mein Atem geht unglaublich schnell. So schnell, dass ich das Gefühl habe gleich meine Luft zu verlieren. Verwirrt von der plötzlich Ruhe, lasse ich meine Hände gekränkt senken. Meine Knie zittern und auch meine Hände hören nicht auf. Ich hebe meinen Blick, meine Augen immer noch von den Tränen rot angeschwollen.


Doch... Ich bin nicht mehr im Friedhof? Was zum Teufel? Wo bin ich? Es ist erstaunlich ruhig und ich lasse meinen Blick umher schweifen. Die kahlen Bäume und die leeren Parkbänke, die nur mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt sind, kommen mir unglaublich bekannt vor. Ich bin im Park. Es ist nicht irgendein Park, sondern der Park wo ich Taehyung das erste Mal traf.

Wie bin ich hierher gekommen? Was mache ich hier? Mein Blick erstarrt, als ich zum See schaue und ich eine bekannte Sioulette erkenne. Seine Haare haben dieses sanfte Braun und sein Wangen dieses lebendige rot. Ich würde die Person immer wieder erkennen. Ich würde immer wissen wer es ist. » Tae... « ich muss wohl so komplett verrückt geworden sein, dass ich nicht nur ihn sehe, sondern auch diese vertraute Umgebung.

Ich will aufstehen, doch blicke verwirrt zu mir runter, als ich die Kamera bemerke die um meinen Hals hängt genauso wie die Klamotten die ich vorher nicht getragen hatte. » Träume ich? « frage ich mich selber. Mein Blick erstarrt komplett, als Taehyung seinen Kopf zu mir wendet und zu mir läuft. Mein Herz klopft aufgeregt und mein Mund fühlt sich an wie ausgetrocknet. Trotz der eisigen Kälte, beginnen meine Hände zu schwitzen. Er wirkt so echt.

» Du hast ein Bild von mir gemacht, habe ich recht? « meint er und lässt seinen Blick an meiner Kamera verweilen. Verwirrt rapple ich mich auf, doch meine Augen können sich nicht von seinen abwenden. Es wirkt so, als wäre er tatsächlich vor mir. Als würde er atmen und leben. » W-Was? « frage ich verwirrt. Er räuspert sich. » Deine Kamera, du hast ein Bild von mir gemacht. « er zeigt mit seinem Finger auf meine Kamera und perplex nehme ich sie in meine Hand, doch mein Blick erstarrt, als ich das Bild von ihm sehe.

Es sieht aus wie das Bild, das ich damals aufgenommen habe. Das Bild von Taehyung wie er am See steht und weint. Ich fande ihn damals wunderschön. » Ich habe nicht gegen Bilder, aber darf ich wissen wieso? « Taehyung holt mich zurück aus meinen Gedanken und legt fragend seinen Kopf schief. » W-Wieso? « spreche ich ihm verwirrt nach. » Du scheinst wohl nicht sehr gesprächig zu sein. « lacht er leise. » Das Bild. Wieso hast du es geschossen? « wiederholt er sich.


» Tae... « flüstere ich vor mich hin und ohne das ich es bemerke werden meine Augen wieder glasig. Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, doch er weicht zurück. » Woher kennst du- « bevor er seinen Satz beenden kann, ziehe ich ihn eine Umarmung. Er fühlt sich so real an. Ich spüre diese Wärme, dieser Geruch. Er riecht genau wie immer. Ich kralle mich an seinem Shirt fest und drücke ihn näher an mich. Mich interessiert garnicht ob ich ihn mir gerade einbilde oder nicht, alles was ich möchte ist ihn in die Arme zu nehmen. » Wer zum Teufel bist du? « lacht Taehyung, doch in seinem Lachen ist dieser ironische Unterton den er immer hatte wenn er gelogen hat.


Ich entferne mich aus seiner Umarmung, denn es wirkt ganz so, als würde mich Taehyung garnicht kennen. » Taehyung... Ich bin's. « erinnere ich ihn, doch er weicht wieder abweisend zurück. Was? Wieso? Seine Miene ändert sich. Er sieht mich ernst an. So ernst, dass ich Angst habe er könnte mich jede Sekunde verletzen. » Ich ruf die Polizei, wenn du mir nicht sagst wieso du ein Bild von mir gemacht hast und woher du meinen Namen kennst. Ich meine das ernst. «


» D-Die Polizei? Was redest- « und plötzlich erkenne die gewohnte Umgebung wieder. Ich erkenne die kahlen Bäume, die genau so aussehen wie an dem Tag wo ich ihn kennengelernt habe. Ich erkenne Tae's Klamotten die er trug, als ich ihn weinend am See fotografiert hatte. Es ist nicht nur eine Erinnerung, oder ein Traum. Ich bin hier.

Ich bin genau an dem Tag in der Vergangenheit. An dem Tag, als ich ihn das erste mal traf.

Ich bin hier um ihn zu retten.

White Snow // Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt