[ 27 ] wake me up

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- Erinnerung -

Wenn man von Leben sprach, war es dann auch wirklich nur dieses am Leben sein? Ich hatte mir das Leben immer psychisch vorgestellt. Du lebst, wenn du Freude empfindest oder die Liebe deutlich spüren kannst. Du lebst, wenn du Menschen um dich hast, die dir wichtig sind. Leben war für mich noch nie einfach nur dieses Atmen das mich davon abhielt in den Tod zu stürzen. Wenn man das Leben nur rein psychisch betrachtet, bin ich bereits gestorben.


Grelles Licht schien gegen meine Augen. Es war weiß. Schneeweiß. Der Raum kam mir bekannt vor. Er war groß und trotzdem leer. Ich wusste sofort wo ich war: Im Krankenhaus. Wie gelähmt blickte ich auf das Licht, unfähig mich zu bewegen. Meine Augen fühlten sich schwer an und beinahe gelähmt. Meine Erinnerungen schwankten hin und her, unsortiert. Die Geräusche meiner Umgebung wirkten auf mich unklar. Wie durch eine dicke Watteschicht konnte ich das Piepsen der Maschinen erkennen. Mein Atem ging flach, als würde ich nicht selber atmen.

» Hey... « hörte ich eine Stimme flüstern. Ich wollte meinen Kopf drehen oder etwas sagen, aber ich war wie eingefroren. Wie Eis. Ich kannte die Stimme. Sie gehörte zu ihm. Zu Taehyung. Meine Arme waren taub, meine Beine auch. Selbst meine Augen konnten sich nicht bewegen, aber ich hörte ihn. Ich hörte den Klang von Kim Taehyung's Stimme. » Ich war heute mit Hobi in der Stadt und wollte mich ablenken, weißt du? « erzählte er mir. Die Matratze senkte sich und ich spürte wie er sich an den Bettrand setzte. Seine warme, große Hand legte er an meine Stirn. Ich wusste nicht wovon er sprach, seine Stimme klang so unwirklich, doch ich spürte seine Nähe, seine Wärme. Seine Berührung wie er sanft über meine Hand und durch meine Haare strich.

» Deine Haut ist so blass. « stellte er fest. Trotz seiner Bemerkung lächelte er mich sanft an. Ich wollte antworten und mit ihm reden, aber ich konnte nicht. Meine Stimme war wie verschwunden und auch berühren konnte ich ihn nicht. Ich konnte ihn nur sehen und hören.


» Das Koma lässt dich wirklich krank wirken. « lachte Taehyung leise.

Koma?

Wie auf einen Schlag wurde mir wieder alles bewusst. Mein Unfall. Das Auto. Ich hatte ihn überlebt.

Ich war im Koma.

Ich wollte mich bewegen, weg von hier, zeigen das ich am Leben war, doch mein Körper streikte. Ich konnte weder reden, noch irgendeinen Muskel meines Körpers bewegen. Ich war noch mitten im Koma.

» Ich will mit dir reden können... « schluchzte Taehyung plötzlich. Ich hatte nichtmal bemerkt das er weinte. Seine Lippen zeigten ein Lächeln, doch seine Augen waren glasig. Er legte seine Hand an meine Wange und fing an sie vorsichtig zu streicheln. Seine Berührungen waren immer so zart und weich.

„ Du kannst mit mir reden! "


Ich wollte seine Hand nehmen, seine zarten im Licht schimmernden Lippen küssen und ihm zeigen das ich wach war, doch ich konnte nicht. Ich wusste das es ein Fehler war abzuhauen und ich wusste auch das wenn ich Taehyung wieder zu Gesicht bekam, ich jede einzelne Tat bereuen würde und das tat ich. Ich wollte mich für alles entschuldigen.

„ Taehyung... ich bin hier. Ich bin wach. "

» Ich werde dich verlassen. «

Seine Worte stachen in mein Herz, doch er lächelte als er es sagte. Vermutlich wollte er nie das ich seine schwache Seite sah. » Ich werde nicht hier sein falls du aufwachst... «
Er strich mir erneut durch meine Haare. Ich roch den Duft seines Parfüms gemischt mit seinem Eigengeruch. Ich hatte es so vermisst. Ich hatte ihn so sehr vermisst.

» Bitte nimm es mir nicht übel, Jungkook... « er beugte sich langsam über mich und legte seine Stirn an meine. Endlich konnte ich wieder sein bezauberndes Gesicht betrachten. Endlich wieder konnte ich ihn sehen, aber sein Anblick zerstörte mich innerlich. Er weinte. Seine Augen waren feuerrot und sein Gesicht gezeichnet von Augenringen. Unsere Atem kreuzten sich, das spürte ich. Ich spürte
seinen warmen Atem an meiner kalten Haut. Ich spürte ihn.


„ Was soll ich dir nicht übel nehmen? "


» Nimm es mir nicht übel, dass ich vor dir gehe... « hauchte er. Mein Herzschlag beschleunigte sich, ich wollte mich bewegen. Ich wollte ihn in meine Arme nehmen. Ich wollte seine Tränen weg wischen. Ich wollte ihm zeigen das ich lebe.

» Ich liebe dich... « mit diesen Worten vereinte er behutsam unsere Lippen. Seine weichen Lippen berührten ganz zart meine und ich wollte den Kuss erwidern. Ich wollte ihn küssen. Ich wollte ihn zu mir ziehen, so wie wir es gewohnt waren. Ich wollte ihn umarmen und halten. Ich wollte ihn bei mir haben. Ich hatte ihn vermisste.

Ich liebe dich auch Taehyung.
Ich liebe dich so sehr.

Taehyung unterdrückte  sich erneut ein Schluchzen und seine salzigen Tränen tropfen langsam seine Wange herunter, bis sie mein Gesicht erreichten. Ich konnte ihn nur bei seinem Leid zusehen. Ich konnte ihm nicht helfen. » Es tut mir leid... Mach's gut Jungkook... « erneut drückte er mir einen kurzen Kuss auf die Lippen und stand auf. Ich fühlte mich als würde ich schreien wollen das er da bleibt. Ich hatte diesen Drang ihm hinterher zu rennen, ihn aufzuhalten vor seinen Taten.

Ich wusste das Selbstmord keine Lösung war. Ich wusste mittlerweile das es keine Lösung war zu gehen. Ich bereute, dass ich abgehauen bin, aus Angst ich könnte ich ihn nicht mehr in die Augen sehen. Ich hatte ihn alleine gelassen, ohne ein Wort zu sagen und wollte sterben, doch ich bereute es. Ich wusste das er gehen wollte. Hätte ich mich bewegen können, hätte ich ihn aufhalten können. Mein Drang nach seiner Hand zu greifen wuchs und innerlich kämpfte ich mit mir selber endlich aufzuwachen, aber ich konnte nicht.

Bitte geh nicht!
Bitte verlass mich nicht Taehyung!


Ich kämpfte mit mir selber und schrie innerlich. Niemand konnte mich hören. Nur ein Anzeichen das ich lebe, hätte genügt um Taehyung abzuhalten. Nur ein Anzeichen, doch es brachte nichts.

Bitte komm zurück zu mir.

Von den Seitenwinkeln sah ich wie Taehyung gekränkt den Raum verließ. An seiner Hand trug er den Ring. Den Verlobungsring.


Es tut mir leid Taehyung... Bitte verlasse mich nicht!

Mein Herz zerbrach in Einzelteile und meine Inneren Tränen kämpften damit meinen Körper zu verlassen. Ich kämpfte damit aufzuwachen.


Komm zurück...


Ich flehte und bettelte doch vergebens. Egal wie lange ich weiter machte, es versuchte. Mich angestrengt hatte.

Taehyung ging.

Er ging durch diese Zimmertür und es war das letztes Mal das ich ihn lebendig sah.

White Snow // Taekook Where stories live. Discover now