Kapitel 31-Heimweh

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Es ist einfacher für die Welt,

eine simple Lüge zu akzeptieren

als eine komplexe Wahrheit.

 

Alexis de Tocqueville

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Noel und ich sind inzwischen seit 2 Wochen unterwegs.

Seit 2 Wochen haben wir unsere Familie nicht mehr gesehen.

Wir sind einfach losgefahren. Mit nur ein paar Klamotten und den wichtigsten Sachen.

Seit diesen 2 Wochen hat sich so einiges geändert. Noel und ich sind irgendwie mehr zusammengewachsen. Wir haben akzeptiert, dass wir Zwillinge sind und unsere Eltern mich damals weggegeben haben. Noch verstehen wir es nicht. Doch vielleicht irgendwann mal.

Damals haben wir es geschafft, ohne Geräusche unsere Tasche zu packen und mit Dave's Wagen abzuhauen.

Weder ich noch Noel wussten wohin. Aber das zählte in diesem Moment nicht. Wir haben nur an eines gedacht.

Abhauen. Weg von dieser Familie.

Noel ist einfach aus der Stadt gefahren und immer gerade aus, die Landstraßen lang. Das haben wir ungefähr 4 Stunden durchgehalten, bis wir langsam Hunger bekommen haben und auch einen leichten Druck auf der Blase verspürten.

Deshalb haben wir die nächste Haltestelle gesucht und zu unserem Glück, war da auch ein Motel.

Die weiteren Tage sind wir nur so herumgeirrt und wussten die meiste Zeit nicht, wo wir sind. Aber wir hatten uns und das war das wichtigste.

Seit diesem Tag, wo uns die Wahrheit gesagt wurde, ist etwas zwischen mir und Noel passiert. Wir brauchen keine Worte, um uns zu verstehen. Wissen auch so, was der andere denkt...

Aber auch die glücklichsten Momente haben irgendwann ein Ende. Und da wir beide noch schulpflichtig sind, müssen wir wohl oder übel wieder dorthin. Eigentlich hätten wir ja schon vor einer Woche wieder hin gemusst. Da können wir nur hoffen, dass unsere Eltern uns entschuldigt haben!

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"Re?"

"Ja?"

"Wie werden sie wohl reagieren?"

"Ich habe nicht die geringste Ahnung Bruder. Aber sie werden uns wohl nicht den Kopf abreißen!", versuche ich ihn ein bisschen zu beruhigen, obwohl ich selber Angst habe.

"Versuch gar nicht erst mich anzulügen, René."

"Tut mir leid. Hab kurz vergessen, dass du meine zweite Hälfte bist." Ich muss mich zusammenreißen, um nicht loszulachen.

"Ach halt doch die Klappe. Und nur zur Info... Wir sind in 20 Minuten zu Hause."

"Oh mein Gott", flüstere ich leise. Jedoch mehr zu mir.

Aber mein Zwilling hat es wohl verstanden und lacht laut los, obwohl er sich eigentlich auf den Straßenverkehr konzentrieren sollte.

"Weißt du eigentlich, was ich echt unfair finde?"

"Nein was denn?"

"Das du der ältere sein sollst! Immerhin sind wir gleich alt! Auf den Papieren bist du volljährig und ich nicht. Du darfst schon Auto fahren und ich nicht. Du darfst schon gesetzlich Alkohol trinken UND ICH NICHT."

"Ohhhh... Ich bin halt der stärkere von uns."

"Laber nicht. Hast du eigentlich schon mal wieder mein Body gesehen? Der ist förmlich mit Muskel überseht!"

"Das will ich erstmal sehen, bevor ich es glaube!"

"Kannste gerne haben! Auch wenn ich die letzten Tage nicht trainiert habe, habe ich echt an Muskel zugelegt."

"Wir werden es ja sehen Twin."

Je näher wir meines alten Zuhauses kommen, desto aufgeregter werden wir beiden.

Wie werden sie reagieren? Werden sie uns Hausarrest aufbrummen?

Mit Sicherheit. Wir sind erledigt.

"Bist du bereit?"

"Bereit, wenn du es bist Bruder." Ich suche hilflos nach seiner Hand und schließe mit zitternden Händen die Haustür auf.

Sweety (boyxboy)Where stories live. Discover now