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Der Sommer verschwand und du mit ihm.

Wie ich es vorhergesagt hatte.

*

Herbst 2016.

Stürmisch.

Die Sonne hatte sich hinter dicken Wolken versteckt, der Wind pfiff unangenehm um die Ohren und die Luft roch verdammt stark nach Regen.

Meine Beine trugen mich im Eilschritt die Treppenstufen des Gebäudes hinunter bis sie auf dem gepflasterten Weg ankamen und mir meinen Weg durch die anderen Studenten bahnten. Links vorbei, kurz stoppen, dann wieder beschleunigen, scharf rechts einscheren. Aufpassen! Nicht in die Hacken treten. Tempo anpassen, noch einmal überholen und schon verflüchtigte sich die Masse.

Ich ließ die anderen hinter mir, joggte mit großen Schritten über den Campus und kam noch rechtzeitig an der Bushaltestelle an.

Ein wenig außer Atem grüßte ich den Busfahrer, zeigte ihm im Vorbeigehen mein Ticket vor, kam ins Straucheln, als er losfuhr, und ließ mich letztendlich erleichtert auf einen der alten Sitze fallen.

Mein Blick wanderte nach draußen.

Ich hatte mich für Chesford entschieden. Ich war geblieben und du warst gegangen. Und seitdem hatte ich nichts mehr von dir gehört. Überhaupt nichts.

Warum wusste ich nicht.

Die Stadthäuser zogen vor meinen Augen vorbei, wurden zu einer einheitlichen grauen Masse, bis sie passierten und freie Sicht auf den Pordless River boten. Dort unten, am Ende der Brücke und am Ufer des Flusses war unser Ort. Der Ort, den ich mit allen Sommern der letzten sieben Jahre verband. Der Ort, der mir immer vor Augen halten wird, wie unfassbar ich unsere Freundschaft wertschätzte.

Ich liebte es, dass wir in so vieler Hinsicht gleicher Meinung waren und uns dabei doch nicht glichen wie ein Ei dem anderen. Jeder von uns hatte seine Vorlieben, seine Eigenarten, in denen wir uns unterschieden ohne zu weit voneinander weg zu driften.

Mein Kehle verengte sich und sofort verdränge ich die Erinnerungen an die Momente der letzten Sommer.

Ich wollte mir keine Gedanken darüber machen, warum du von heute auf morgen von der Bildfläche verschwunden warst. Schon zu lange zerbrach ich mir den Kopf darüber und als ich begann, die Schuld bei mir selbst zu suchen, sprang ich geradezu auf die Bremse.

Der Name meiner Haltestelle murmelte durch den Bus und ich schnappte mir meinen Rucksack, um nach der nächsten Kurve aufzustehen und zur hinteren Tür zu wanken. Der Bus ging in die Eisen und ich konnte von Glück sprechen, dass meine Hand zur Stange schoss und ich Halt gewann. Mit einem leichten Schrecken drückte ich erneut den Knopf und die Tür flog auf. Sofort blies mir eine Brise der feuchten Oktoberluft entgegen und wuselte durch meine Haare. Ich zog mir den Rucksack über beide Schultern, während ich mit einem großen Schritt den Bus verließ und die Straße nach oben lief.

Der Bus ließ Druck ab und rollte wieder von der Bordsteinkante. Als ich um die nächste Ecke bog und noch einmal einen Blick über die Schulter warf, war er bereits zwei Kreuzungen weiter und nur noch ein kleiner Punkt am Horizont.

Ich richtete meinen Blick wieder auf den Gehweg vor mir, wich gerade noch rechtzeitig einer großen Pfütze aus und kramte in der nächsten Sekunde bereits nach meinem Haustürschlüssel, der sich irgendwo in der Seitentasche meiner Tasche befand. Fündig geworden ließ ich ihn zwischen meinen Fingern klimpern bis ich unsere Haustür erreichte. Ich schloss sie auf, nahm ihm Wohnflur immer zwei Stufen auf einmal und kam mit erhöhten Puls an unserer Wohnungstür an.

Vielleicht sollte ich mehr Sport treiben?

Ich schüttelte noch im selben Augenblick den Kopf und betrat, statt mir weiter Gedanken über meinen körperlichen Zustand zu machen, die Wohnung, in der ich aufgewachsen war. So leise ich konnte schloss ich die Tür hinter mir, schlüpfte aus meinen Schuhen und schlich durch die offene Küche in den Flur. Ich vernahm ein leises Knarzen aus dem Wohnzimmer und als ich einen flüchtigen Blick hineinwarf, sah ich Mom, wie sie sich gerade vom Sofa aufzurappeln versuchte.

Crowded RoomWhere stories live. Discover now