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Ergeben presste ich die Handballen auf meine Augen und gab ein undefinierbares Grummeln von mir. Die Bettwäsche knisterte unter mir. Ich atmete durch und konnte die Luft entlang meiner Nasenflügeln strömen spüren.

Von draußen war kaum ein Mucks zu hören. Nur das Rascheln der Blätter in den Bäumen, die durch den starken Herbstwind durcheinander gewirbelt wurden.

Erneut stieß ich Luft aus.

Der Laptop neben mir gab ein leises Summen von sich und hellte mein Zimmer in ein schwaches Licht. Er lag nur wenige Zentimeter neben meinem Kopf. Aufgeklappt und den Videochat geöffnet.

»Jetzt kneif mal die Arschbacken zusammen, Sutton!«

Ich schnaubte, nahm die Hände vom Gesicht und drehte mich auf die Seite. Meine Augen richtete sich auf das Display meines Laptops und damit mitten auf meine beste Freundin.

»Das sagt sich so einfach. Ich bin mir inzwischen nicht mal mehr sicher, ob er es wirklich war oder ich ihn mir nur eingebildet habe«, teilte ich ihr mit und stieß einen verzweifelten Seufzer aus.

Auf Joons Stirn bildete sich eine tiefe Falte.

»Du glaubst gar nicht wie gerne ich dir jetzt gerade eine Kopfnuss verpassen würde.«

Ich schmunzelte. Joon war die ruppigste und ehrlichste Haut, die ich kannte. Ich liebte sie dafür, dass sie einfach nicht anders konnte, als stets das zu sagen, was ihr auf der Zunge brannte.

Joon und ich waren befreundet seit ich denken konnte. Im Kindergarten hatten wir uns kennengelernt und seitdem waren wir einander nicht mehr von der Seite gewichen. Sie war all das, was ich nicht war, und ich war all das, was sie nicht war.

Es hatte nie einen ernsten Konflikt zwischen uns gegeben, aber...

Würde ich sie heute zum ersten Mal treffen, bin ich mir nicht sicher, ob wir uns jemals näher kennenlernen würden. Ob wir jemals Freunde werden würden. Doch damals... damals war alles so unfassbar einfach gewesen. Sie hatte mich nach einem roten Buntstift gefragt, ich hatte ihn ihr gegeben und schon waren wir Freunde.

Es war schön jemanden zu haben, der einen so lange kannte, aber... manchmal wünschte ich mir, wir würden uns wenigstens in ein paar Sachen ähneln oder in irgendetwas übereinstimmen.

»Sutton!«

Erschrocken zuckte ich zusammen und konzentrierte mich wieder auf meine beste Freundin, die mir leicht genervt durch den Laptopbildschirm entgegen blickte.

»Mh?«, machte ich nur. Meine Augenbrauen wanderten fragend in die Höhe.

»Jesus Christus! Mit dir ist wirklich ni...«

Den Rest ihrer Wörter hörte ich nicht mehr, denn just in diesem Moment meldete sich mein Handy zu Wort. Es lag hinter mir, vibrierte und gab damit ein leichtes, rhythmisches Summen von sich. Ich griff danach und saß im nächsten Moment kerzengerade in meinem Bett.

»Sag nicht, er ruft dich gerade an«, hörte ich Joon sagen, doch ich nahm sie nur mit einem Ohr wahr. Denn sie hatte Recht. Es war Nash, der mich anrief. Kurz vor Mitternacht. Nachdem ich wie ein verschrecktes Reh davon gelaufen war.

»Sorry, Joon, ich muss Schluss machen«, wandte ich mich an meinen Laptop.

»Nein! Hey, lass mich mithören. Bitte, Sutton. Ich bin auch ganz leise. Es–«

»Sorry.« Und damit klappte ich den Laptop zu. Joon verschwand und nun war allein das leise Vibrieren meines Handys zu hören. Ich schluckte und hatte in der nächsten Sekunden bereits den grünen Hörer gedrückt.

»Hey, Sut.«

Seine rauchige Stimme ertönte und sofort begann ich zu grinsen.

»Hi, Nash.«

Ich ließ mich wieder zurück auf den Rücken fallen und verschränkte meinen rechten Arm hinter dem Kopf, während ich mir mit dem anderen das Handy ans Ohr hielt. Die Decke raschelte unter mir und das Kissen gab langsam unter meinem Gewicht nach.

»Stör ich?«, fragte er und beinah hätte ich aufgelacht. Nash hatte noch nie gestört. So war das nicht unter Freunden. Selbst wenn der andere störte... man war trotzdem für ihn da.

»Nein.«

Ich konnte ihn auf der anderen Seite tief durchatmen hören. Abrupt und völlig ungewarnt, kippte die Stimmung und hüllte uns in ein unangenehmes Schweigen, aus dem es nur ein Entkommen gab. Angriff.

»Warum hast du mir nicht gesagt, dass du bleibst?«

Warst du geblieben? Warst du die letzten Monate wirklich hier? Hier in der Stadt und damit nur dreißig Minuten entfernt? Warst du wirklich hier ohne es mir zu sagen? Hast mich angeschwiegen, mich im Dunkel tappen lassen, während du genauestens Bescheid wusstest? Hast du das wirklich getan? Und wenn ja, warum? Warum hast du einfach so den Kontakt abgebrochen? Nachdem wir über Jahre hinweg so eine enge Freundschaft geführt haben.

»Erinnerst du dich an das Gespräch am vorletzten Abend, Sut.«

Ich nickte und er wusste es.

»Du hast mir nicht das Gefühl gegeben als würdest du mich hier haben wollen.«

Ich schluckte.

Warst du nun geblieben? Hast du es wirklich getan? Reist du wirklich nicht mehr umher? Oder ist das hier auch nur ein kurzer, diesmal etwas längerer kurzer Trip, von dem du nach ein paar Monaten auch wieder die Nase voll hast?

»Du

Überrumpelt zuckte ich zusammen

»Du bist der Grund, warum ich mich nicht gemeldet habe.«

Ich schloss die Augen und versuchte den aufkeimenden Schmerz in mir zu unterdrücken.

»Aber... ich wusste doch nicht, dass du es diesmal ernst meinst.« Meine Stimme war nur ein Wispern und ich verfluchte mich dafür.

»Du hast mir so oft gesagt, dass du nicht mehr reisen willst. Dass du für immer hier in Chesford bleiben willst. Du hast es so oft gesagt und nie ist es in Erfüllung gegangen. Ich hab den Glauben daran verloren, dass deine Worte jemals real werden.«

Das war es was ich ihm schon am Abend vor zwei Monaten hatte sagen wollen.

»Aber nun sind sie es.«

Nun sind sie es.

»Ich reise nicht mehr mit meinen Eltern, Sut.«

Er reist nicht mehr mit seinen Eltern.

»Diese Zeiten sind vorbei.«

Ich schluckte und öffnete wieder meine Augen. Vor ihnen tat sich eine düstere Finsternis auf, in der ich nicht einmal meine Hand vor Augen sehen konnte.

»Ich will einfach nicht mehr jede Woche woanders sein. Ich will...«

Er stoppte und verstummte.

»Was willst du?«

Er holte Luft, atmete jedoch nur tief aus. Dann wieder.

Ihm lag etwas auf der Zunge, aber aus welchem Grund auch immer konnte er mir nicht verraten was es war.

*

Damals hatte ich keinen blassen Schimmer, dass du bereits wusstest, was ich erst wenige Monate später erfahren sollte. Dass du bereits realisiert hattest, während ich nach wie vor durch eine milchige Scheibe blickte. Tag für Tag.

Crowded RoomWhere stories live. Discover now