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Es war äußert skurril Nash wieder vor mir zu haben. Es war nichts von der Leichtigkeit mehr da, die uns früher immer umgeben hatte. Es war nichts davon da, einfach zu plaudern und rumzualbern.

»Wir kennen uns schon einige Jahre«, nahm Nash wieder das Wort an sich und wandte sich damit an Fintan. Der nickte nur und zuckte mit den Schultern.

»Dann kommt doch einfach rüber.« Er winkte uns zu und verschwand in seiner Wohnung. Nash folgte ihm und ich blickte Joon verdattert an. Sie schien nicht sonderlich begeistert.

»Ich mag diesen Fintan nicht.« Joon zog die Augenbrauen zusammen und kräuselte die Nase.

Ach, was. Ehrlich? Hatte ich noch gar nicht bemerkt.

»Er scheint okay«, entgegnete ich schwammig und hoffte damit keinen Punkt bei Joon getroffen zu haben. Als Reaktion bekam ich nur ein Schnauben und Joons Rücken, den sie mir zuwandte. Sie verschwand in ihrer Wohnung, dann hörte ich etwas klirren, einen Kronkorken, der auf den Tisch fiel und kurz darauf tauchte Joon wieder neben mir. Unter ihrem Arm befand sich das zweite Sixpack von vorhin, während sich in ihrer linken Hand bereits ein offenes Bier Zuhause fühlte.

»Nüchtern halte ich den nicht aus.« Und mit diesen Worten nahm sie einen kräftigen Schluck, zog die Tür hinter sich zu und lief hinüber auf die andere Flurseite. Zögerlich folgte ich ihr in Fintans Wohnung.

Von da an trafen wir uns öfter. Beinah jedes Wochenende vertilgten wir zu viert einen Kasten Bier in entweder Fintans oder Joons Wohnung. Die Zeit, die wir miteinander verbrachten, schaffte es die Eiswand zwischen Nash und mir wieder schmelzen zu lassen. Es war wieder wie früher, wie vor diesem Sommer. Wieder genauso simpel und genauso locker. So als wären die letzten Monate nie passiert.

Nur waren sie passiert. Sie waren passiert und hatten in mir eine Unsicherheit entzündet, die nicht mehr wegzudenken war. Wo ich früher noch sicher war, was du dachtest, hatte ich heute keinen blassen Schimmer mehr. Wo ich früher noch jede deiner Reaktionen voraussagen konnte, hatte ich nun Angst etwas Falsches zu sagen.

Für mich war es die reinste Qual.

Ob es das auch für dich war, wusste ich nicht. Denn du ließt dir absolut nichts anmerken. Du warst einfach du. Nur selbstbewusster, sicherer und deutlich aufgeschlossener als früher. Mit den Wochen bekam ich mehr und mehr das Gefühl, dass du um Jahrzehnte gealtert warst, während ich nach wie vor auf der Stelle trat.

Es dauerte eine Weile bis ich verstand warum. Bis ich den Grund verstand. Erst als wir eines Abends ausgingen, in eine Bar, hinter dessen Tresen Fintan von Zeit zu Zeit aushalf, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wir saßen an der Bar, ein Typ baggerte dich an und keine halbe Stunde später fand ich dich mit ihm knutschend neben der Jukebox.

Während ich die vergangenen Monate damit zugebracht hatte, mir Gedanken darüber zu machen, warum du wortlos verschwunden warst und wieso seitdem Totenstille zwischen uns geherrscht hatte, hattest du die Möglichkeiten beim Schopf gepackt. Du hattest gelebt und die Gelegenheit genutzt, um den unerfahrenen Jugendlichen von dir abzuschütteln.

Ich schluckte und wandte mich von dem Anblick ab.

*

Das brennende Gefühl in der Brust hatte ich für Sodbrennen gehalten, dabei war es so viel mehr gewesen.

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