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Winter 2016.

Nass. Kalte Lippen. Und du.

Der Wind pfiff um meine Nase, fegte die Haare unter meiner Mütze hervor und ließ in mir die Sehnsucht nach einem heißen Tee aufkeimen. Doch statt Zuhause in meinem Zimmer zu sitzen, trieb ich mich bei lausiger Kälte und Nieselregen auf dem Wintermarkt rum. Joon hatte sich bei mir eingehakt und betrachtete verträumt die vielen glitzernden Lichterketten, die über uns gespannt waren. Wir liefen durch die engen Gassen der Stände, vor uns Nash und Fintan. Letzterer lachte gerade laut auf und schlug Nash mit der Faust gegen den Oberarm. Er torkelte einige Schritte zur Seite, bevor er sich fing und zurück in seine Spur kehrte.

Ich musste schmunzeln, während ich mir mit der Zunge über die Lippen fuhr. Der Geschmack von süßem Glühwein haftete noch immer auf ihnen und machte es mir schwer meine Gedanken bei mir zu halten. Niemand von uns hatte den Abend über viel getrunken und doch waren unser alle Sinne deutlich verklärt. Joon war zum kleinen Kind geworden, das alles sonderbar faszinierend fand, Nash hatte Probleme mit der Aussprache, ich mit dem Gang, nur Fintan wirkte von uns allen noch am normalste. Vermutlich aber auch nur, weil er bereits nüchtern wie betrunken wirkte.

Der Duft von gebrannten Mandeln und Vanillekipferln strömte in meine Nase. Ein Ehepaar kam uns entgegen und wir wichen aus. Es war ein dichtes Gedränge von Wintermänteln, Mützen und Glühweinbechern, die es nicht zu verschütten galt.

»Ich will auf das Karussell!«, rief Joon mit einem Mal und deutete hinüber zu dem bunten Lichtermeer, das sich langsam im Kreis drehte. Ich schüttelte grinsend den Kopf und ließ es zu, dass Joon sich von mir losmachte und zu den anderen nach vorne preschte. Sie quetschte sich mittig zwischen sie, stieß Fintan dabei absichtlich mehr zur Seite als Nash und erzählten ihnen von ihrem Vorhaben. Fintan war sofort Feuer und Flamme.

»Ne, danke«, lehnte Nash ab und rückte sich seine Mütze zurecht, bevor seine Hände zurück in den Jackentaschen verschwanden. Ich schloss zu ihm auf und stieß mit meiner Schulter leicht gegen seine. Sein Blick flog sofort zu mir.

»Wir holen uns Mandeln.«

Er schaute mich eine Weile an, bevor er mir zustimmte. Fintan und Joon verschwanden Richtung Karussell.

Du und ich schlenderten über das Pflaster, schoben uns durch die Menschenmasse und erkämpften uns eine Tüte frisch gebrannter Mandeln. Das knackende und knirschende Geräusch zwischen den Zähnen, der zuckersüße Geschmack auf der Zunge. Für mich war das der Innbegriff der Vorweihnachtszeit.

»Gib mir auch eine.«

Ohne zu zögern griff ich in die Tüte und warf dir eine zu. Statt sie jedoch zu fangen, ließt du sie verdutzt auf den Boden fallen. Tadelnd blickte ich dich an.

»Zweiter Versuch.«

Du deutetest mir an es noch einmal zu wagen und ich tat dir den Gefallen. Diesmal schnapptest du sie dir mit den Mund und recktest vor Siegesfreude die Arme in die Luft.

Mir entfuhr ein Glucksen, während ich mich an dir festhielt. Du stolpertest rückwärts und knalltest mit dem Rücken gegen einer der Budenwände. Ich trat einen Schritt von dir zurück und legte den Kopf lachend in den Nacken.

Als ich dich wieder ansah, erkannte ich dich in der Dunkelheit kaum wieder. Es war stockfinster, beinah schwarz. Ich schaute nach oben und erkannte die Lichterketten, die ihr Licht nur schwach in die Nische zwischen den Buden warf. Genau dorthin, wo wir uns befanden. Umhüllt von frischer Finsternis und gedämpfter Stille.

In der einen Sekunde warst du noch anderthalb Schritte entfernt und in der nächsten bereits bei mir. Deine Schuhspitzen stießen gegen meine und bei jedem Atemzug berührte deine Jacke meine.

Fuck.

Ich blickte auf dich hinunter und mit einem Mal schwebten deine Lippen direkt vor meinen. Leise, vorsichtig und doch durchaus forsch lehntest du dich weiter vor. So weit bis unsere Nasenspitzen sich berührten und deine Lippen nur mehr Millimeter von meinen entfernt waren. Wir atmeten dieselbe Luft und allein dieser Gedanke schaffte es, mir einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen.

Ich schluckte.

Mein Blick sprang zu deinen Augen und sofort zog ich zischend die Luft ein. Die Lichterketten hüllten deine Gesichtszüge in ein schwummriges Licht, doch deine Augen... sie waren pechschwarz. Düster, geheimnisvoll und doch mit einem Glanz belegt, der mir jede Ader gefrieren ließ. Für den Bruchteil einer Sekunde schimmerte das Funkeln ihrer himmelblauen Farbe durch, bevor sie wieder von dem schwarzen Monster verschlungen wurde.

Mein Herz wummerte wie ein Presslufthammer. Du warst mir so nah, dass mir jeglicher Gedanke abhanden kam. Die Fähigkeit zu denken stand nicht mehr zur Verfügung und vielleicht merkte ich erst dadurch das aufgeregte Kribbeln in meinem Bauch. Die schwitzigen Hände, den trockenen Hals und das unbändige Verlangen mich dir entgegen zu werfen.

Du stelltest dich auf die Zehenspitzen und dann spürte ich sie. Deine Lippen lagen auf meinen. Sanft und vorsichtig schmiegten sie sich an meine. Bedacht und ruhig fingen sie an sich zu bewegen. Sie testeten und ich ließ sie gewähren. Solange bis ich es nicht länger aushalten konnte. Ich erwiderte den Kuss und es fühlte sich soviel besser an als in meiner Vorstellung.

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