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Die nächsten sechs Monate waren furchtbar. Sie waren ein Albtraum, noch mehr als die Monate davor. Denn nun wusste ich, was ich wollte. Nun wusste ich, was du mir hattest sagen wollen. Was dir auf der Zunge gebrannt hatte. Nun wusste ich es. Nun fühlte ich es.

Nur schien das für dich alles nur noch entsetzlicher zu machen.

Du brauchtest ganze zwei Wochen bis du mich das erste Mal wieder anschauen konntest. Und noch eine weitere, um meinem Blick wieder standhalten zu können.

Du warst ständig auf der Flucht vor mir.

*

Sommer 2017.

Hitzewelle. Verlangen. Chaos.

Es war bahnbrechend heiß. Regen hatte es seit anderthalb Wochen keinen gegeben und der Portless River war kaum mehr als Bach.

Wir lagen am Ufer des Flusses, im Schatten der Brücke und genossen die brennende Luft, die uns umhüllte. Joon hatte ihren Hinterkopf auf meinem nackten Oberkörper gebettet. Sie hielt ein Buch in den Händen, legte es jedoch auf ihre Brust, als Fintan sie mit einem Grashalm zu ärgern begann. Sie trat nach ihm, doch er schien sich nicht beirren zu lassen. Er kitzelte sie weiterhin an ihren Füßen.

Und du... du lagst irgendwo hinter Fintan. Verborgen und möglichst weit weg von mir. Mit geschlossenen Augen und einem Arm über deinem Gesicht.

»Quieee!« Joon kreischte auf und im nächsten Moment hörte ich Fintan aufstöhnen. Ich blickte zu den Beiden und konnte noch sehen, wie Fintan sich die Brust hielt, bevor er aufsprang und davon rannte.

»Ich werde dich umbringen, Fin!«, brüllte Joon und war im nächsten Moment ebenfalls auf den Füßen. Sie sprang über Lewis Beine und rannte dem Kauz hinterher.

Ich grinste und fuhr mir übers Gesicht.

»Ich bin immer noch der Meinung, dass die beiden irgendwann was miteinander anfangen werden«, murrte Lewis. Mein Blick sprang zu ihm und ich konnte mir nur schwer ein Grinsen verkneifen. Ich war seiner Meinung.

»Joon wird ihm das Herz brechen«, mischte sich Nash ein. Überrascht sprangen meine Augenbrauen nach oben. Bis eben hatte ich tatsächlich gedacht, er würde schlafen.

Lewis stieß ein Schnauben aus, warf seinem Bruder einen missbilligen Blick zu und vertiefte sich wieder in seinen Laptop, den er auf seinem Schoss platziert hatte. Es war kein Geheimnis, dass Lewis in Joon verknallt war. Dass sie sich jedoch niemals auf ihn einlassen würde, ebenso wenig.

Nash kleiner Bruder war vor knapp drei Monaten zu unserer Gruppe gestoßen. Er hatte die Schule beendet, es seinem Bruder nachgemacht und war nach Chesford gezogen. Was ihre Eltern davon hielten, wusste ich nicht. Wie auch. Schließlich schwieg mich Nash seit gut einem halben Jahr an.

Meine Augen blieben an dir hängen. Sie sogen deinen Anblick in sich auf, unsicher wann sie dich das nächste Mal in Ruhe studieren konnten. Sie fuhren über dein verdecktes Gesicht, deine zerzausten Haare bis hinunter zu deinem Oberkörper, der nackt und verschwitzt im Gras lag. Der sich nicht darum kümmerte, dass ihn schon fünf Menschen heute ausgiebig gemustert hatten. Ihn und seine Muskeln, über die sich seine goldbraune Haut spannte.

Mir wurde heiß und dann, wie aus dem Nichts, drehtest du deinen Kopf zu mir und sahst zurück. Überraschung spiegelte sich in deinen Gesichtszügen wieder, doch kurz darauf folgte der Trotz und die Herausforderung, die ich in den letzten Wochen immer öfter bei dir gesehen hatte. In dir ging irgendetwas vor, nur ließt du mich daran nicht mehr teilhaben.

»Ich hol mir was zu trinken.«

Mit diesen Worten erhobst du dich aus dem Gras und entferntest dich von uns. Überrumpelt blickte ich dir hinterher, während Lewis dir keinerlei Aufmerksamkeit schenkte.

»Ich hol mir, glaub ich, auch was.«

Lewis nickte nur. Ich zögerte kurz, rappelte mich dann aber doch auf und lief dir hinterher. Du warst bereits an dem kleinen Wagen angekommen, der am Kiesweg stand und Getränke und Snacks verkaufte. In der Ferne sah ich Joon und Fintan, die wieder zurück zu unserem Platz kehrten.

»Alter.«

Verdattert blickte ich auf und erkannte sofort deinen Haarschopf. Ich war in dich reingelaufen. Deine glasklaren Augen sahen zu mir hinauf und ich glaubte jeden Moment in den Boden zu sinken. Sie drangen in mich ein als wollten sie mich jeden Moment erdolchen.

Du schütteltest den Kopf und wolltest dich an mir vorbei schieben, doch ich hielt dich auf.

»Ich kann das so nicht länger, Nash.«

Du stocktest, wichst meinen Blick aus und versuchtest deine Unsicherheit zu überspielen. Ich trat näher an dich heran, aber du blicktest nur auf deine nackten Füße.

»Nash.«

Du schlucktest, schienst dich sammeln zu wollen und sahst mir letztendlich mit kalten Blick in die Augen.

»Ich weiß nicht was du meinst.«

Mir entfuhr ein Schnauben, während du die Chance nutztest und an mir vorbei gingst. Mein Blick folgte dir, haftete sich auf deinen attraktiven Rücken. Das leichte Schwingen und das Funkeln im Sonnenschein.

Ich verstand dich nicht. Ich verstand nicht was so falsch war.

Und ich hasste es. Ich hasste es so sehr, dass es mich rasend machte.

»Das ist Bullshit!«

Du zucktest zusammen und drehtest dich zu mir um. Ich konnte das Funkeln in deinen Augen sehen, wie sie sprühten. Dir widerstrebte es. Du wolltest, dass ich die Sache einfach auf sich beruhen ließ.

Mit großen Schritten kamst du auf mich zu, bautest dich auf und triebst mich zurück. Ich stolperte einen Schritt rückwärts bis ich die Wurzeln des Baums hinter mir unter meinen Füßen spüren konnte. Ich sah mich um, doch eine Gruppe von Büschen versperrte die Sicht auf unseren Platz unter der Brücke.

»Ich will darüber nicht reden, Sutton.«

Deine Stimme war ein Knurren. Kalt und distanziert.

Ich schluckte, als es in meinen Ohren zu rauschen und mein Herz zu wummern begann. Mein Atem ging schwer und mit einem Mal kehrte ein lieblicher Glanz in deine Augen. Der Sturm legte sich und wich einer spiegelglatten Oberfläche.

Du warst direkt vor mir. Nur einen Schritt entfernt. Nur einen halben Meter. Nur...

Du lehntest dich mir entgegen und ich verlor die Beherrschung. Ich griff nach deinem Gesicht, zog dich zu mir und taumelte mit dir einen Schritt zurück. Mein Rücken knallte gegen den Baumstamm hinter mir, die Rinde kratzte unangenehm über meine Haut. Doch das war vergessen, sobald sich deine Lippen gierig auf meinen bewegten.

Crowded RoomWhere stories live. Discover now