KAPITEL 9 | DEAN

7.3K 571 125
                                    

XANDER, DER HOLLYN auf dieser Party bedrängt und wahrscheinlich auch vergewaltigt hat, steht direkt vor mir. Er hat mit Hunter zu meinen engsten Freunden gehört, doch wenn ich ihn jetzt ansehe, verspüre ich nichts anderes als Abscheu und Wut, die ihm gilt. Er steckt hinter dieser ganzen Sache mit den Catchers? Zugegeben, ich hätte ihm schon vor sechs Monaten zugetraut, dass er sich verkleiden und unschuldige Leute im Gangster-Style jagen würde, aber trotzdem ist es noch mal etwas ganz anderes, dass er derjenige ist, der die ganze Zeit hinter mir her war, ohne dass ich es gewusst habe.

Fassungslos schüttle ich den Kopf. »Du tickst doch nicht mehr richtig. Was soll der Scheiß, Mann? Und wer sind die anderen von euch überhaupt?«, frage ich in der Hoffnung, dass er mir die Namen nennt.

Natürlich tut er es nicht. »Gib zu, der Moment, in dem ich meine Maske abgesetzt habe, war filmreif, oder nicht?« Xanders grüne Augen wirken fast schon irre. Eigentlich wirkt alles an ihm irre.

»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«

Er lacht viel zu schrill und hoch. »Hast du denn eine gestellt?«

»Ich hab gefragt, was der Scheiß hier soll!« Ich bemühe mich um eine ruhige Stimme, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen, was fast schon unmöglich ist. Zu viele Studenten stehen in einem sicheren Abstand um uns herum. »Was willst du verdammt noch mal von mir? Reicht es dir nicht, dass ich deinetwegen überhaupt hier stehe?«

»Meinetwegen?« Wut flammt in seinen Augen auf. Endlich macht er nicht mehr einen völlig verrückten Eindruck. »Du hast Hollyn umgebracht.«

»Ich habe sie im Gegensatz zu dir nicht einmal angerührt.«

»Du warst eifersüchtig, weil es offensichtlich gewesen ist, wie sehr Hollyn und ich ineinander verliebt gewesen sind. Du hast dich auf der Party betrunken und nicht gewusst, was du ihr angetan hast. Und als sie dich abgewiesen hat, bist du wütend geworden, so wütend, dass sie jetzt tot ist.« Xander grinst plötzlich. »Das ist jedenfalls die Geschichte, die die Polizei vermutet.«

»Und ich wette, du und Hunter habt ihnen das genau so eingetrichtert«, vermute ich laut. Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie tief verletzt ich bin. Hunter und Xander sind noch vor sechs Monaten für mich da gewesen und jetzt verraten sie mich, ohne mit der Wimper zu zucken.

Xander zeigt grinsend auf den ebenfalls in schwarz gekleideten Kerl neben ihm. »Einer von uns konnte heute leider nicht kommen und wenn du schlau ist, dann weißt du auch, wer.«

Sydneys Zimmermitbewohnerin steht immer noch an Ort und Stelle und reißt panisch die Augen auf. Spätestens jetzt ist mir auch klar, wen Xander meint. Hunter spielt also auch den Gangster in Xanders kleiner Bande, die mich aus irgendeinem Grund fangen will. Ganz toll.

Bronwyns Augen füllen sich mit Tränen und sie läuft mit verzerrtem Gesicht weg. Ich bete, dass sie nicht Sydney holt, weil sie nicht einmal in die Nähe von Xander kommen soll.

»Was ist eigentlich dein Plan in dieser ganzen Sache?«, will ich von Xander wissen.

Er lacht nur. »Ist das nicht offensichtlich?«

Irgendwie nicht.

Er grinst fast so, als könnte er meine Gedanken lesen. »Wir drei wollen, dass die Polizei dich endlich schnappt.«

Passend zu seinem letzten Satz, höre ich Stimmen und Polizeisirenen, die ganz nah sind. Trotzdem kann und will ich nicht einfach so abhauen und bevor ich es mir richtig überlege, schnelle ich nach vorn und schlage mit meiner zusammengeballten Faust so fest auf Xanders Kiefer ein, dass der mindestens geprellt ist. Eigentlich wollte ich nach diesem einen Schlag gehen, aber es reicht mir noch nicht. Nachdem Xander sich wieder aufgerichtet hat, gehe ich erneut auf ihn los und ziele jetzt auf sein rechtes Auge. Blitzschnell hole ich aus und ─

»Dean!«

Sydneys Stimme lässt mich innehalten. Ich habe Xander immer noch im Griff und traue mich aus irgendeinem Grund nicht ihn loszulassen, aber meine Hand senke ich jetzt langsam.

Sydney atmet so schnell, dass sie kaum sprechen kann. »Das ist doch genau das, was er will, verstehst du das denn nicht?«

Ich schaue in Xanders grinses, blutverschmiertes Gesicht. Keine Ahnung, ob ich es mir nur einbilde, aber mit seinem rechten, zugeschwollenen Auge zwinkert er mir dreist zu. Wieder packt mich die Wut.

»Dean, du musst gehen. Sofort, okay? Dean, du hast keine Zeit mehr, verstehst du das? Die Polizei ist hier

Ich lasse endgültig von Xander ab, der plötzlich kehlig anfängt zu lachen und sich dabei das Blut aus dem Gesicht schmiert. Eigentlich verteilt er es nur noch mehr, aber egal.

»Das hier wird die Polizei davon überzeugen, dass du ein verdammter Mörder bist«, sagt er, während er auf sein Gesicht zeigt.

Ich werde ihn umbringen.

»Dean.« Sydneys große Augen liegen warnend auf mir.

Sie hat absolut Recht, ich muss gehen.

Xanders Stimme verfolgt mich durch die gesamte Universität, denn seine letzten Worte sitzen tief. Jeder hört sie. Aber durch mich sickern sie noch tiefer. »Früher oder später landest du dort, wo du hingehörst, Walker. Und zwar hinter Gittern.«

Dean Walker | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt