KAPITEL 25 | SYDNEY

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ICH WERDE DEANS Eltern kennenlernen.

Gott, ich wünschte, es wäre ein Kennenlernen, auch wenn ich deswegen wahrscheinlich ziemlich aufgeregt gewesen wäre. Leider ist Deans Instinkt nicht so programmiert, dass er mich seiner Mom und seinem Dad vorstellen will ─ eher sieht er so aus, als würde er es in Erwägung ziehen, aus seinem Zimmerfenster zu springen.

Das wäre ja nicht das erste Mal.

»Was machst du da?«, frage ich ihn eine Spur zu hysterisch, als er seine Kommode durchwühlt.

Er zieht ein Trikot hervor, wobei seine Augen vor Glück so sehr strahlen, dass ich fast selbst gelächelt hätte. Dann dreht er sich mit dem Trikot in den Händen zu mir um. »Pack das und die Videokamera in deinen Rucksack.«

Während ich den Rucksack abnehme und alles hineinstopfe, kann ich nicht anders als zu fragen: »Du hast mal Football gespielt?«

»Fast. Baseball. Warum?«

Ich will sagen, dass es egal in welcher Situation immer passend ist, wenn ich etwas Neues über ihn erfahre, aber die Schritte sind plötzlich so nah, dass mir die Worte im Hals irgendwo stecken bleiben. Ein kleiner Teil von mir ist wirklich neugierig, wie seine Eltern wohl aussehen und wie sie sich mir gegenüber verhalten würden, aber der andere Teil ist zum Glück vernünftig genug, um nicht daran zu denken, hier in Deans Zimmer zu bleiben. Ich will mir nicht einmal ausmalen, was seine Eltern wohl tun würden, wenn sie uns entdecken, wobei ich mir eigentlich schon denken kann, wie ihre Reaktion verlaufen würde.

Ich bin so in Gedanken, dass mir der Rucksack aus den Händen gleitet und auf den Boden fällt.

Dean und ich halten angespannt die Luft an.

»Hast du das gehört, Richard?«

»Wie oft soll ich es dir noch sagen, Alice? Es spukt nicht in diesem Haus, auch wenn du mir ständig versuchst das einzureden!«

Deans Gesicht verzieht sich schmerzhaft und er rührt sich nicht von der Stelle. Ich will ihn wirklich nicht hetzen, zumal es lange her ist, seit er die Stimmen seiner Eltern hören konnte, aber wir müssen schleunigst die Leiter nehmen und aus dem Fenster klettern.

»Das Geräusch kam aus seinem Zimmer, Richard!«

»Die Tür ist aber abgeschlossen.«

»Willst du damit etwa sagen, ich höre nicht richtig? Jemand ist in diesem Haus! Vielleicht ist er ─«

Irgendetwas fällt auf den Boden und zerbricht. »Denk nicht einmal daran, diesen Satz zu beenden, Alice.«

»Die Vase! Du hast die Vase kaputtgemacht!«

Seltsamerweise wacht Dean bei dem Wort ›Vase‹ auf und läuft eilig zum Fenster. Sein Blick wird fast schon durchtrieben, als er sich über den Sims hinauslehnt, sich dann zu mir umdreht und mir seine Hand hinhält.

Doch ich schüttele den Kopf. »Nein, geh du zuerst.«

»Das ist jetzt echt kein guter Zeitpunkt, um zu diskutieren, Curly.«

»Ja, das sehe ich genauso.«

Er atmet erleichtert auf. »Schön, dass wir uns einig sind.«

Da niemand von uns Anstalten macht, aus dem Fenster zu klettern, ist es ziemlich klar, dass wir uns nicht einig sind.

Dean ist wohl der Vernünftigere von uns beiden und klettert nach ein paar Sekunden und nach dem Geschrei seiner Eltern, das von unten kommt, aus dem Fenster, aber nicht, ohne mir dabei böse Blicke zuzuwerfen.

Dean Walker | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt