KAPITEL 39 | DEAN

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ICH HABE WEDER meine Eltern angerufen, noch Sydney von mir verscheucht und sie zu einem Abendessen mit Kolin geschickt.

Weil ich ganz einfach nicht konnte.

Meine Eltern nach den ganzen Monaten Funkstille anzurufen, ist nicht einmal das Schwierigste von allem. Ich bin einfach noch nicht soweit, um mit ihnen reden zu können und das teile ich ihnen mithilfe von unbeantworteten Nachrichten und weggedrückten Anrufen mit. Natürlich werde ich das nicht für immer durchziehen, aber im Moment bin ich froh, mich einfach mal um nichts kümmern zu müssen. Ich muss nicht rennen, ich muss nicht über irgendetwas akribisch nachdenken und ich muss vor allem nicht aus Fenstern springen. Ich kann mich einfach fallen lassen.

Mit Sydney natürlich. Deshalb fällt es mir auch so schwer, Punkt zwei und drei durchzuziehen. Ich will weder aufhören Sydney zu sehen, noch sie zu dem Arschloch Kolin schicken, der weiß Gott was mit ihr vorhat. In den letzten zwei Wochen ist nichts Spektakuläres passiert und ich bin heilfroh darüber. Mein Psychologiestudium ist genauso toll, wie ich es in Erinnerung hatte, auch wenn ich eine Menge nachholen muss. Sydney und ich lernen viel, aber wir tun auch Dinge, die sogar noch mehr Spaß machen als Psychologie.

Wir haben Sex. Viel Sex.

Und wir haben Dates. Auch wenn sie nur innerhalb des Geländes der University of New Haven stattfinden können. Vorgestern habe ich mithilfe von Peter, der mit Bronwyn einkaufen gewesen ist, ein Picknick vorbereitet und Sydneys Augen haben so wunderschön gestrahlt, dass ich mir für heute ebenfalls etwas ausgedacht habe. Das Wetter ist schlecht, weshalb Aktivitäten auf dem Campus schon einmal wegfallen. Trotzdem habe ich meine Wohnung ein bisschen aufgeräumt, mir Peters Tisch aus seinem Zimmer ausgeliehen ─ noch weiß er nichts davon ─ und ein Abendessen vorbereitet, ohne die Küche abzufackeln.

Es gibt eines von Sydneys Lieblingsgerichten: Nudeln mit extra viel Käse. Bronwyn hat mir erklärt, wie sie es zubereitet, und es ist fast schon so simpel gewesen, dass es mir ein bisschen zu wenig Mühe war.

Ich stelle eine Vase voll mit Blumen mitten auf den Tisch ─ Mädchen mögen doch Blumen, oder? ─ und höre dann schon das vertraue Klopfen, das Sydney sein muss, denn wir haben uns eine Art Klopfsignal ausgedacht, damit wir einem Überraschungsbesuch von Hunter, Gavin oder schlimmstenfalls Kolin ausweichen können. Außerdem kichert Sydney immer leise hinter der Tür, sobald sie die Klopfreihenfolge richtiggemacht hat, weil sie sich dabei wie eine Geheimagentin fühlt. Grinsend öffne ich die Tür, woraufhin sie auf mich springt ─ wortwörtlich ─ und ihre weichen Lippen auf meine legt.

»Hey«, begrüßt sie mich lächelnd. Ihr Blick schweift von meinem Gesicht zu dem gedeckten Tisch hinter mir, woraufhin ihr Lächeln ein wenig verrutscht. »Hast du das gemacht?«

Ich nicke ein wenig verlegen.

»Ganz allein?«

Nickend nehme ich ihre Hand und ziehe sie auf einen der zwei Stühle, bevor auch ich mich hinsetze. Es dämmert so langsam, weshalb der Raum von nichts als ein paar Kerzen durchleuchtet wird. Die Flammen spiegeln sich in Sydneys großen und vor Überraschung geweiteten Augen wider und noch nie durfte ich etwas Schöneres sehen. Wenn sie nur meine Gedanken lesen könnte und wüsste, was für einen Kitsch ich in meinem Kopf von mir gebe ...

»Das hat noch nie jemand für mich gemacht.« Sie klemmt sich mit beiden Händen die Haare hinter die Ohren und sieht mich dann lächelnd an. »Es ist ziemlich romantisch.«

Ich schenke ihr und mir mit einem riesengroßen Grinsen Wein ein. »Stimmt. Sogar für meine Verhältnisse.«

»Das Picknick-Date war schön, keine Frage«, entgegnet sie mit hochroten Wangen. »Wir hatten nur ein ziemlich großes Publikum auf der Campuswiese und dann musstest du es auch noch immer wieder ausreizen, indem du mich jedes Mal geküsst hast, wenn ich einem Studenten die Meinung gegeigt habe, der über dich hergezogen hat.«

Dean Walker | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt