d r e i z e h n

107 10 11
                                    

"Die Medien lieben dich, Livia." Howard hatte uns schon im Hauptquartier erwartet. Er stand vor einem der Tore und sah uns abwartend an.
"Soll ich das jetzt gut oder schlecht finden?"
"Kommt ganz darauf an. Heute Morgen noch haben sie dich als Heldin gefeiert und jetzt hinterfragen sie deine wirklichen Absichten. Immerhin hast du ja ein Café in die Luft gejagt."
"Ich hoffe, dir ist klar, dass wir angegriffen wurden und ich nichts dafür konnte."
"Versuche das einmal den Medien zu erklären."

Howard war sehr sturköpfig und wollte sein gutes Image wahren. Und da er Leiter von S.H.I.E.L.D. war und ihn das unwillentlich mit Peggy und mir verknüpfte, fühlte er sich gezwungen, auch schlechte Berichterstattung über uns zwei zu verhindern.

"Warum wurdet ihr angegriffen?"
"Das wissen wir noch nicht", erklärte Peggy. "Es könnte jeder gewesen sein. Nun ja, fast jeder, denn die Waffe war nicht gerade eine Standardwaffe, die du normal kaufen kannst. Und dann gäbe es noch diese Sache..." Sie sah zu mir. Offenbar erwartete sie, dass ich Howard erklärte, was in den letzten paar Stunden passiert war.

Doch genau in dem Moment überkamen mich höllische Schmerzen. Ich schrie auf, presste mir die Hände an meinen Kopf und sank auf die Knie. Entfernt nahm ich wahr, wie Peggy sich neben mir hinkniete und Howard und einige andere wie wild anfingen zu reden. Während all dem wurde ich erneut durch dutzende Erinnerungen gejagt, eine ließ mich verwirrter zurück als die andere.

Langsam nahmen die Schmerzen wieder ab und mit ihnen auch der Schwall an Erinnerungen. Ich stütze mich mit einer Hand am Boden ab, während ich zu den anderen aufsah.
Howard blickte mich gleichzeitig verstört und verwirrt an, während ich in Peggys Gesicht nichts außer pure Sorgnis erkannte.

"Was war das gerade?" In Howards Stimme konnte ich klare Verwirrtheit ausmachen, aber auch einen Hauch an Unglaube.
"Genau das, worüber ich gesprochen habe", antwortete Peggy, als sie mir aufhalf. "Oder worüber Livia dir sicher gerade erzählen wollte."
Ich nickte nur schwach und kniff kurz erneut meine Augen zu, um ein weiteres Aufflackern des Schmerzes zu unterdrücken. "Wir sollten vielleicht hineingehen und das dort besprechen."



Ich saß in einem der verlassenen Räume im untersten Geschoß des Hauptquartiers. Wem auch immer das hier gehört hatte, derjenige war vermutlich schon lange in das neue Gebäude in D.C. umgesiedelt. Die Regale und Tische standen verlassen da und langsam begann sich bereits der Staub zu sammeln.

Meine Finger spielten mit einer Halskette, die vor mir auf dem Tisch lag. Der Anhänger bestand aus einem vierzackigem Stern mit zwei gekreuzten Schwertern. Mir war gesagt geworden, dass ich sie getragen hatte, als man mich aus dem Ozean geholt hatte. Ich hatte keine Erinnerung an diesen Tag, aber langsam wieder an diese Kette. Auch wenn es verschwommen war und deshalb meist nicht ganz klar, war sie mir offenbar von einer Freundin überreicht worden. Zum Geburtstag, nahm ich an.

Ein erneuter Schmerz durchzuckte mich, gefolgt von einer weiteren Erinnerung. In dieser stand ich auf einer metallenen Brücke, in etwas, von dem ich vermutete, dass es sich um eine Fabrik handelte. Unter mir brannte es und immer wieder hörte ich Explosionen. Und in der Ferne, auf einer der Brücken unter mir, erkannte ich zwei Personen, eine mit einem merkwürdig aussehenden Stück Metall am Arm.

"Ich habe dich überall gesucht." Peggys Stimme warf mich aus der Erinnerung. Sie stand im Türrahmen und sah mich mitfühlend an. "Was machst du hier unten?"
"Nachdenken, nehme ich einmal an." Ich lächelte leicht, mein Blick senkte sich jedoch wieder auf die Kette vor mir. "Ich weiß nicht, was ich sonst machen sollte."
"Dich nicht abschirmen, zum Beispiel." Sie zog einen der Sessel, die im Raum verteilt standen, auf die andere Seite des Tisches, sodass sie direkt gegenüber von mir saß. "Lass dir helfen, rede mit Menschen."
"Reden war noch nie wirklich meine Stärke."
"Versuch es doch zumindest. Du musst da nicht alleine durch."
Peggy hatte Recht, ich war nicht alleine. 

"Ich- Ich war mir immer so sicher, was ich wollte. Ich wollte der Welt helfen. Während des Krieges war es, den Krieg zu beenden und jetzt ist es, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Aber jetzt..." Ich atmete tief durch. Obwohl ich meine Augen auf die Kette gerichtet hatte, wusste ich, dass mir Peggy genau zuhörte.
"Ich weiß, dass ich mich an Einiges erinnern konnte, als ich nach dem Krieg aus dem Meer gezogen wurde. Doch irgendwie wurde das immer weniger. Meine Erinnerungen kreuzten sich, verschwammen oder tauchten gar nicht mehr auf. Ich weiß nicht, wieso; tat ich damals nicht und tue ich auch heute nicht. Aber ich lernte, damit zu leben. Ich wollte mir ein neues Leben aufbauen, weg von all den schrecklichen Dingen, die während des Krieges passiert waren. Und teilweise habe ich das auch geschafft." Mein Blick wanderte zu Peggy, die mich anlächelte. Ich konnte das nur erwidern. Sie war es immerhin gewesen, die mir das alles ermöglicht hatte. Dank ihr war ich mehr geworden, als mir viele Leute vielleicht zugetraut hätten.

"Es gab immer noch einige Sachen, die keinen Sinn ergaben. Aber ich blendete das alles aus, so gut ich konnte. Meine Vergangenheit sollte nicht bestimmen, wer ich im Augenblick war. Es hatte funktionierte. Bis heute." Mein Daumen glitt über die inzwischen erwärmte Oberfläche des blauen Sterns. Ich wusste nicht, was für ein Stein das war, aber er war wunderschön. "Seit mich dieser blaue Schuss getroffen hat, werde ich mit Erinnerungen überflutet. Man könnte jetzt sagen, dass das gut ist, dass ich jetzt endlich Klarheit schaffen könne und Licht in die Vergangenheit bringen könne. Ich wünschte wirklich, es wäre so; mehr, als jeder andere. Aber wenn dieser Tag eines gemacht hat, dann nur noch verwirrter. Meine Erinnerungen überschneiden sich wie nie zuvor. Ich erinnere mich, im selben Moment an zwei verschiedenen Orten gewesen zu sein, mit zwei verschiedenen Personen und zwei verschiedene Sachen gesagt habe. Es macht keinen Sinn."

Peggy hörte mir weiterhin genau zu und verfolgte jedes meiner Worte. Eine kleine, graue Haarsträhne war ihr vors Gesicht gefallen, aber offenbar störte sie das nicht.
"Und ich erinnere mich an zwei verschiedene Varianten der selben Person."
"Was meinst du damit?" Sie war die ganze Zeit über still gewesen, deshalb zuckte ich kurz zusammen, als ich ihre Stimme hörte.
"Ich habe offenbar einen Cousin gehabt, Markus war glaube ich sein Name. Ich habe ihn auf der Feier zu meinem 18. Geburtstag kennengelernt. Er lebte in den USA, deshalb war ich ihm vorher nie begegnet. Und deshalb mochte ihn meine halb Verwandschaft auch nicht." Damals war Österreich bereits Teil des Dritten Reichs gewesen und somit auch all der Glaube - und die Lügen - Teil der Bevölkerung gewesen. "Aber ich erinnere mich auch daran, ihn in einem Lager Hydras zum ersten Mal gesehen zu haben. Er stellte sich nicht als mein Cousin vor, sondern einfach nur als er selbst. Beide Varianten sind jedoch gleich gestorben." Ich habe ihn getötet.

"Kann es sein, dass eine der Varianten einfach eine andere Person mit dem gleichen oder einem ähnlichen Namen war?"
"Mein Gedächtnis ist unfehlbar." Bis auf den Fakt, dass ich fast alle Geschehnisse vor dem Krieg vergessen hatte. "Nenn mir einen Namen und ich kann dir genau sagen, ob ich diese Person bereits getroffen habe und wenn ja, wann, wie und wo. Wenn ich dir jetzt also sage, dass zwei Varianten von derselben Person in meinem Gedächtnis existieren, muss es eine Erkläung dafür geben. Eine, die erklärt, wie er zweimal in meinem Kopf existieren kann."
Peggy legte eine Hand auf meine und sah mir in die Augen. "Wir werden diese Erklärung finden, Livia."
Sie hatte recht, es tat wirklich gut, mit jemandem zu reden. Einfach einmal rauszulassen, was einem auf dem Herzen lag. Dank ihr hatte ich neuen Mut gefasst. 

"Gut. Denn ich weiß auch schon, wo wir anfangen werden."







Yey, ich habe es tatsächlich geschafft, noch in dieser Woche etwas hochzuladen. Glaubt mir, nur, weil ein Killervirus in der Welt wütet, der mich zwingt, zu Hause zu bleiben, heißt das noch lange nicht, dass ich genügend Motivation und Kreativität habe, um ein neues Kapitel zu schreiben.

Sagt mir gerne, wie ihr das Kapitel findet. Es war ein sehr ruhiges, mit sehr viel Monolog und eher wenig Dialog oder anderweitigem Krimskrams. Mir tut es sehr gut, einmal alles rauszulassen, was mir über die letzten paar Monate so alles eingefallen ist. Natürlich ist das noch lange nicht alles, aber immerhin habt ihr jetzt ungefähr eine Ahnung, was in Livias Kopf so wirklich abgeht.

How do you plan on beating Death? [2] || {Death-Saga}Where stories live. Discover now