Kapitel 3

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Als ich langsam aufwachte, dachte ich meine Schwester schreien zu hören, doch als ich mich im Bett umdrehte, bemerkte ich, dass dieses Bett viel zu weich und groß für mein Bett war. Mit geschlossenen Augen griff ich auf meine rechte Seite und war erleichtert, alleine im Bett zu liegen. Langsam prasselten die Geschehnisse des vergangenen Tages auf mich ein. Die Vorbereitungen, das „FEST" und natürlich die blauen Augen eines Mannes, der mir so vertraut zu sein scheint. Doch, wie jedes Kind weiß, ist Lucifer der Herr der Lügen und der Täuschung. Deshalb beschloss ich, es ihm nicht zu leicht zu gestalten. Als ich mich endlich traute, meine Augen zu öffnen, blickten mir grüne, katzenartige entgegen. Ein Dämon, dachte ich und wollte gerade schreien, als sie aufsprang und mich mit Worten beruhigen wollte:

„Guten Morgen, Herrin! Keine Angst ich bin Dorothea, Ihre persönliche Dienerin. Beruhigen Sie sich der Herr hat mir aufgetragen auf Sie aufzupassen und Ihnen alles zu zeigen. Sie werden in einer Stunde im Speisesaal erwartet." 

Etwas beruhigter schloss ich meinen Mund und war bereit für eine Antwort: „Guten Morgen! Bitte nenn mich doch Ruby, das HERRIN ist mir noch etwas unangenehm. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber warum sollst du auf mich aufpassen?"

„Wenn ich dich Ruby nennen darf, dann nenn mich doch bitte Do. Glauben Sie mir, in der Unterwelt gibt es viele Dinge, die gefährlich sind und da Sie sich noch nicht auskennen und Sie noch nicht offiziell vorgestellt wurden, weiß auch noch niemand von Ihnen...dir."

„Danke für die ehrliche Antwort", ich merkte, dass sie nicht log, da sich beim Lügen die Aura giftig gelb verfärbt, doch ihre blieb in einem Grün, das ihren Augen glich.

„Du bist ein Dämon der Täuschung oder?"

„Ja, Herrin. Ich meine, Ruby" antwortete sie mit einem schüchternen Lächeln.

„Also, das ist nun mein Zimmer?"

„Das Beste habt Ihr noch gar nicht gesehen," schrie sie enthusiastisch und zeigte auf eine der drei Türen, die sich in meinem dunkelrot tapezierten Zimmer befanden. Und sie hatte recht. Es war ein Anziehraum, der voll war mit pompösen Kleidern in rot, schwarz und anderen dunklen Farben. Es gab aber auch normale Anziehsachen, wie Shirts, Leggings, Jeans und Pullis. Auch zahlreiche Paar Schuhe waren hier und zwar von Sneakers bis zu so hohen Schuhen, mit denen ich mir wahrscheinlich das Genick brechen würde. Ich streifte durch den Raum und wusste einfach nicht, was ich tragen sollte.

„Do. Was trägt man denn zu so einem Frühstück mit dem HERRN?" fragte ich sie schüchtern.

„Es ist üblich beim Frühstück und Mittagessen Alltagskleidung zu tragen, doch bei offiziellen Dingen und dem Abendessen trägt man Kleider", beantwortete Do mir meine Frage.

Erleichtert nahm ich mir schwarze Unterwäsche, eine Jeans und einen schwarzen Pulli und bat Do mir in 30 Minuten Bescheid zu geben. Um mich frisch zu machen, stieg ich spontan in die Dusche, welche sich in meinem riesigen, schwarzen Badezimmer befand. Es waren sogar weiche Tücher herausgelegt worden und ich fragte mich, warum die Hölle nicht furchteinflößend war. Doch vielleicht liegt es daran, dass ich sie noch nicht wirklich gesehen hatte. Beim Duschen dachte ich über alles nach und versuchte verzweifelt nicht zu nervös zu sein wegen meinem „Frühstücksdate". Gerade als ich mich fertig umgezogen hatte und mir die Locken wild ins Gesicht hingen, klopfte Do an die Türe. Ich ließ meine wilde Mähne so wie sie war, da es mir so am besten gefiel. Außerdem betonte es meine verschieden färbigen Augen und meinen hellen Teint. Als ich nun endlich aus dem Badezimmer kam, wartete Do schon etwas gehetzt auf mich.

„Sie müssen in 5 Minuten im Speisesaal sein", erwiderte sie aufgeregt.

„Ja dann mal los" sagte ich und schlüpfte in meine schwarzen Sneakers. Die Gänge außerhalb meines Zimmers erschienen mich zu erdrücken, die aus Holz bestehenden Wände waren nämlich alle in schwarz gestrichen und in jeder Ecke verbargen sich Schatten, die mir leise zu flüsterten. Es war schon irgendwie furchteinflößend, doch ich versuchte, meine Angst und Schwäche zu verbergen. Auf den Wänden befanden sich viele Bilder, die meist Lucifer, während seiner Rebellion oder beim Aufbau der Höhlenkreise zeigten. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass er mir nicht gefiel. Er war nämlich wirklich gutaussehend und berührte etwas in mir. Ich verspürte eine gewisse Verbundenheit. In den Holz- und Steintüren, die in einem regelmäßigen Abstand die Gänge zierten, waren edle Schnitzereien eingearbeitet worden. Manche schienen so echt zu sein, dass man sie fast mit den am Boden kriechenden Schatten verwechseln konnte. Wie die Menschen am Marktplatz wichen mir auch die Schatten aus, was wohl etwas mit Lucifer zu tun hat. Nach einer halben Ewigkeit hielt Do plötzlich vor einer großen Flügeltüre an und klopfte bestimmt auf das Holz. Ein erzürntes „Herein!" war zuhören, was meine Nackenhaare gen Himmel stehen ließ, doch dies lag bestimmt nicht am Wort, sondern an der rauen und tiefen Stimme, die es aussprach. Do öffnete die Türe und knickste sogleich. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, doch als Lucifer mich sah, wurden seine Züge sanfter und ein Lächeln schmückte sein markantes Gesicht. Er erhob sich von seinem großen Sessel und deutete auf den Platz rechts von ihm. Ich interpretierte diese Geste als Einladung und schlenderte langsam nach vorne. Als ich beim Stuhl war, der schon einem Thron glich, stand er auf und setzte sich erst nach mir. So ein Verhalten würde man wohl nie vom Teufel erwarten, doch er ist nicht nur Satan, sondern auch ein König. Nun, da ich es mir neben ihm gemütlich gemacht hatte, schnipste er und eine Schar von Dienern betrat den Raum und tischte uns so viele Köstlichkeiten auf, dass man damit eine halbe Armee ernähren könnte.

„Greif zu, meine Schöne!" forderte er mich auf. Schüchtern und langsam belegte ich mir ein Brötchen mit etwas komisch grün Glänzenden. Es ließ sich aufstreichen wie Butter, aber schmeckte nach verschiedenen Kräutern, die ich nicht definieren konnte.

„So meine Schöne, da du einen Vorteil hast und meinen Namen kennst, würde ich nun gerne deinen erfahren." 

„Mein Name ist Kerubim" antwortet ich mit mehr Selbstvertrauen als ich es mir je zugetraut hätte. Seine Augen blitzten für eine Sekunde rot auf, was mich innerlich erschaudern ließ.

„Kerubim" sagte er mit unterdrückter Wut, die der Überraschung wich, als ich unbewusst seine Hand nahm. Natürlich erzürnt ihn dieser Name, wenn es der war den sein Vater ihm gab. Kerubim – die Begleiter und engsten Vertrauten Gottes.

„Nenn mich doch Ruby", sagte ich und seine Augen wurden wieder sanft. Er blickte auf meine Hand, die auf seinem Arm lag und schenkte mir ein freches Grinsen. Soviel dazu, dass ich es ihm nicht allzu leicht machen wollte. Ich zog meine Hand so schnell es ging wieder weg.

„Schätzchen, du kannst ruhig an der verbotenen Frucht naschen. Du heißt zwar nicht Eva, aber Verführung ist mein Spezialgebiet", schnurrte er mir mit etwas zu viel Selbstvertrauen ins Ohr. Nun war es an mir rot zu werden, nicht vor Wut, sondern vor Scharm.

„Wer wird denn hier rot?" fragte er und konnte sein Lachen nur schwer zurückhalten. Ich konnte mich nur schwer von seinen blauen Augen lösen, doch schaute ich nun betreten zu Boden. Doch plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Kinn, das mein Gesicht nach vorne richtete. Mit sanftem Befehlston sagte er: „Eine Königin richtet ihren Blick immer nach vorne!"

„Also Ruby", er zog meinen kurzen Spitznamen mit Genuss in die Länge. „Spielen wir ein Spiel?" sagte er mit einem verführerischen Lächeln, wobei er seinen Kopf wie ein neugieriger Welpe schief auf die Seite warf. Es sah zum Schreien komisch aus. Ich konnte ein leises Lachen nicht verkneifen. „Wer lacht denn da über den Herrscher der Unterwelt!", gab er gespielt entsetzt von sich und schaffte es für einen kurzen Moment, das ich alles um mich herum vergaß. Nur er war das Zentrum meiner Gedanken.

„Sag mir, oh mächtiger Lucifer, Erschaffer der Hölle und Herrscher über alle Dämonenblütige, welch ein Spiel verlangt ihr zu spielen?" erwiderte ich mit einer nur so von Ironie tropfenden Verbeugung am Ende. Sein Lachen und seine Augen strahlten nun um die Wette.

„Schön, dass Sie so anmutig fragen, Ma'am. Also: Du stellst eine Frage, ich antworte. Dann stelle ich eine Frage und du antwortest. Die einzigen Regeln: 1. Man muss die Wahrheit sagen. 2. Man muss antworten. Sind Sie damit einverstanden?" fragte er einen Tick zu höflich.

„Normale Menschen nennen dies GESPRÄCH", wobei ich das Wort Gespräch in die Länge zog und überbetonte. Lucifers Augen wurden härter und ich wusste, dass ich gerade kurz vor einer Grenze stand, die zu überschreiten gefährlich werden kann.

„Einverstanden?" grollte er nun etwas wütend und ungeduldig. Dieser Mann ist eindeutig unberechenbar.

„Einverstanden." 

„Also fang an" erwiderte er nun wieder ruhiger und mit seinen normalen eisblauen Augen.

„Welche Rolle sollte ich nun für dich spielen?" fragte ich mit mehr Verbitterung als geplant. Lucifer merkte dies, schien es aber gekonnt zu ignorieren.

„Du bist meine Seelenverwandte. Wir verfestigen das Band und du wirst an meiner Seite herrschen."

„Aber..."

„Regeln! Ich bin dran. Hast du Geschwister?"

„Ja. Eine ältere Schwester. Sie ist 19 und heißt Seraphim" aufgrund der Erinnerung an die Engel verfärbten sich seine Augen wieder rot, aber nur kurz, da er sich schnell wieder unter Kontrolle hatte.

„Wieso ich?" fragte ich nun etwas, was mir schon seit dem „Fest" im Kopf herumschwirrte.

„Vor gut 2 000 Jahren traf ich eine Seherin. Ich dachte anfangs, dass es mir aufgrund meiner Rebellion untersagt wäre, eine Seelenverwandte zu haben, doch sie prophezeite mir, dass in einigen Jahrtausenden ein besonderer Mensch in mein Leben treten wird, der mein totes Herz wieder zum Schlagen bringen kann. Ich werde ihr mein Leben zu Füßen legen und sie wird mit mir die Hölle regieren und mehr. Nächste Frage: Welche Fähigkeiten hast du?"

Wie ein Blitz trafen mich diese Worte. Ich hätte Vieles erwartet, doch dies war zu viel. Ich sprang auf, stotterte eine Entschuldigung und rannte in mein Zimmer.

Schattenwesen - Die Hölle ruft dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt