Kapitel 17

2.2K 100 10
                                    

Die Landschaft zog rasch an der Kutsche vorbei, doch obwohl ich hinaussah, konnte ich mich nicht auf die Landschaft konzentrieren. Hunderte Male ging ich das lateinische Gelübde in meinem Kopf durch, damit ich ja nichts falsch machen konnte. Ich war noch nie so nervös wie jetzt vor meiner Hochzeit, doch es war nicht nur eine Hochzeit – es war die Verknüpfung zweier Seelen. Die meine und die seine vereint bis in alle Ewigkeit. Es war ein schöner Gedanke, doch machte es das flaue Gefühl in meinem Magen nicht viel besser. Im Gegenteil. Ich konnte in der Ferne schon die Klippe sehen und bemerkte auch, dass wohl schon alle da waren. Noch zehn Minuten bis ich ankam. 5 Minuten. Ich zählte die Sekunden. Nur noch ein paar Meter und die Kutsche blieb stehen. Ich hörte plötzlich wie Gespräche und Gelächter verstummten und eine leise, ruhige Melodie begann zu spielen. Irgendetwas von Mozart, doch ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Ich stand auf und wartete bis mir ein Diener die Türe öffnete. Ein muskulöser Dämon öffnete diese schlussendlich und reichte mir seine Hand als Ausstiegshilfe. Dankend nahm ich diese an und klammerte mich gleich an Liliths Arm, die sich bereit erklärt hatte meine Trauzeugin zu sein. Mit wackligen Schritten stolzierte ich so erhaben, wie ich gerade konnte, über den roten Teppich. Ich ließ meinen Blick von den Höllenfürsten und den Zuschauern nach vorne wandern, wo Luce auf mich wartete. Bei meinem Anblick hatten alle Anwesenden die Luft angehalten und Luce strahlte mir entgegen. Als ich ihm nun in die Augen blickte, waren meine ganze Nervosität und all meine Zweifel verschwunden. Er trug einen schwarzen, schlichten Anzug, der mit goldenen Ornamenten verziert war. Seine Haare waren perfekt gestylte und keine Strähne wirkte fehl am Platz. Ich stolzierte nicht, sondern schwebte über den Teppich zu meinem Geliebten. Die Musik verstummte, als Lilith meine Hand in die Lucifers legte. Diese Berührung ließ augenblicklich Schmetterlinge in meinem Bauch erscheinen und ich vergaß die Leute um uns herum. Es zählte nur noch einer für mich. Der unheilige Priester, der vor der schwarzen Schatulle stand, räusperte sich und begann mit der Zeremonie.

„Heute ist ein großer Tag. Ein großer Tag für diesen Gefallenen und diese Frau. Ein großer Tag für die ganze Hölle und deren Bewohner. Lucifer Morgenstern, beginnt mit der Verbindung!"

Luce nahm nun ein mit Runen verziertes Messer, das er mit einem entschuldigenden Blick über meine rechte Handfläche zog. Nun war es an mir, mein Gelübde zu sprechen. Ich drehte mich also zur schwarzen Schatulle und legte meine blutende Hand auf das Pentagramm, auf der oberen Seite.

„Descensus averno difficile esse videtur, autem pro rem bonam facilis videtur esse. Et quod est melior quam amor? Ego, Kerubim, me coniungo sciens cum igno averni pro Lucifer, quem est rex averni." sprach ich laut und deutlich.

„Dehisce ignis et coniunge cum illa anima et coniunge illam cum spirito averni!", befahl Lucifer und der Deckel der Schatulle löste sich augenblicklich in Schatten auf. Eine kleine, unscheinbare Flamme wurde nun frei. Es war augenscheinlich, dass es sich hierbei um das reine Höllenfeuer handelte. Das Feuer das Luce an die Hölle band. Wie ferngesteuert, löste sich eine kleine Flamme, so groß wie der Kopf eines Zündholzes aus dem Höllenfeuer und drang durch den Schnitt in meinen Körper ein. Das Feuer pulsierte heiß durch meine Adern, es war ein brennender Schmerz. Ich schrie auf und versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Gerade als ich vor Schmerz in Ohnmacht zu fallen drohte, hatte das Feuer mein Herz erreicht und der Schmerz verebbte. Luce stand mir mit stolzer Miene gegenüber und nahm mich in den Arm.

„Kerubim, deine Seele wurde von der Hölle akzeptiert. Bist du dir über die Konsequenzen dieser Tat im Klaren und möchtest mit der Verfestigung des Bandes fortfahren?" unheiliger Priester.

„Ja das will ich!"

„So sei es!" Luce nahm nun zum zweiten Mal den Dolch und schnitzte mir ein eigenartiges Symbol in die Handfläche, das wie eine nordische Rune aussah. Durch das Höllenfeuer füllte ich mich stärker und konnte dem Schmerz stand halten. Das rubinrote Blut begann aus der Wunde zu sickern. Nun reichte mir Luce den Dolch und es war an mir ihm das höllische Symbol für Verbundenheit in die Handfläche zu ritzen. Sein dunkelrotes Blut bildete Tropfen am Rand seiner Handfläche. Luce reichte mir nun seine blutende Hand, die ich natürlich annahm. Das Blut von unseren Wunden, begann sich nun zu vermischen. Eine unglaubliche Kälte, eine Dunkelheit zog sich nun durch meine Adern. Ich blickte auf meine Arme und bemerkte, dass sich meine Adern kurzzeitig schwarz verfärbten. Es tat weh. Es war kein Brennen, sondern ein Stechen, als wie, wenn man im Winter zu lange draußen ist und die Finger langsam erfrieren. Luce sah nicht besser aus, seine braungebrannte Haut wirkte nun blasser. Der Schmerz wurde schlimmer, fast unerträglich. Luce schien meine Gefühle zu teilen und hüllte uns beide komplett in seine Schatten ein. Als es wieder hell wurde, standen wir beide in Lucifers schwarzem Zimmer. Ich konnte mich nicht mehr auf das Zimmer konzentrieren und viel geschwächt auf das Bett. Luce hingegen, ließ sich auf den Fußboden fallen und stöhnte auf. Er schien ebenfalls starke Schmerzen zu haben. Ich wollte zu ihm, ihm helfen, doch die Schatten, die sich plötzlich aus meinen Händen lösten, hielten mich davon ab. Ich schrie auf vor Schreck und blickte zu Luce – Er schrie auf, als etwas Knöchernes aus seinem Rückgrat brach und seine Kleidung zerfetzte. Das grausame Knacken von brechenden Knochen ließ mich erschaudern, doch die Dunkelheit in mir lenkte mich ab. Ich konnte fühlen, wie sie mein Herz erreichte und meine ganze Haut, jedes Körperteil zuckte zusammen vor Schmerz. Bevor ich nun endlich in Ohnmacht fiel, blitzte ein Bild in meinen Augenwinkel auf. Gigantische, schwarze Flügel lagen neben mir auf dem Fußboden.

Schattenwesen - Die Hölle ruft dichWhere stories live. Discover now