Chapter Ten

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„Zu meinem Auto geht es in die andere Richtung." Ich fuhr zusammen und blickte über meine Schulter hinweg zu Kyle. Lässig lehnte er gegen die schwarze Autotür und warf einen Zigarettenstummel auf den Boden. Sein Gesicht zierte ein siegessicheres Grinsen.

Entnervt wandte ich mich nun völlig zu ihm.

„Ich kann nicht mit dir fahren." Am Morgen war ich früher aufgestanden, um genau diese Situation und die sich daraus aufbauende Diskussion zu umgehen. Ich konnte nicht mit ihm mitfahren.

„Wir haben denselben Schulweg, Lola." Nun schien auch er genervt von der ganzen Situation. Seine Stirn legte sich in Falten und seine Mundwinkel hingen.

Stur schüttelte ich meinen Kopf, wobei sich mein Zopf etwas lockerte. „Nein."

Er kam einen Schritt auf mich zu. „Doch."

Ich kreuzte meine Arme vor der Brust und zog die Augenbrauen kraus. „Nein."

Er stellte sich dicht vor mich und imitiere meine Bewegungen. „Doch."

Innerhalb eines Atemzuges hob er mich hoch und warf mich über seine Schulter, um mich wenig später vor der offenen Beifahrertür abzusetzen. Perplex blinzelte ich und funkelte Kyle an. „Was soll das?"

„Was soll das?", äffte er mich nach. Mit einem tiefen, erholsamen Atemzug stieg ich ergeben in das Auto ein.

„Ich möchte nicht, dass mich jemand anstarrt." Ich hatte genügend Bücher gelesen und Filme geschaut, um zu wissen, dass das das Resultat einer Autofahrt mit einem unwiderstehlichen Jungen war. „Was wäre daran schlimm?"

Kyle drehte den Schlüssel im Zündschluss herum und blickte über seine Schulter.

Ein Schnauben entfuhr mir. „Bitte erzähl keinen Unsinn, weshalb ich mit dir im Auto zur Schule fahre." Damit war für mich das Gespräch vorbei. Mein Kopf lehnte an der kühlen Scheibe und meine Augen schloss ich. Es war nicht zu leugnen. Es war entspannend, nicht den Weg zur Schule zu Fuß gehen zu müssen. Aber es tat auch weh zu wissen, dass nicht Liam neben mir saß.

Als wir ausstiegen, seufzte ich und verabschiedete mich dankend auf halbem Wege in die Schule. Ich wäre lieber zuhause geblieben. Doch nun musste ich mich einer aufgeweckten Lisa stellen und sämtliche Fragen beantworten, während sie mich hinter sich herzog.

Die nächsten Tage und Wochen vergingen wiederum wie ein einziger Wimpernschlag. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht an Liam dachte und mir alte Fotos ansah. Es verging jedoch auch kein Tag, an dem ich nicht an Kyle dachte. Er stellte meine Welt auf den Kopf, wie ich es nicht für möglich gehalten hatte. Es gab Momente, in denen wir funktionierten. Wir saßen uns lachend gegenüber und alberten herum. Und dann gab es Momente, in denen wir uns furchtbar über den jeweils anderen aufregten. Ich mochte es nicht, wenn Kyle den Zigarettenstummel zwischen seine Lippen steckte. Und das wusste er. Es war eine komische Situation. Wir waren nicht zusammen, aber wir waren uns nah. Er war mir nah und doch so fern. Die abendlichen Gespräche auf dem Balkon waren entspannend und gaben mir einen Gewissen halt. Doch er wusste immer noch nicht alles über mich. Und ich könnte es ihm nicht so einfach erzählen.

„Du solltest mit dem Rauchen aufhören. Es ist ungesund." Ich blickte auf den kleinen Glimmstängel in seiner Hand und sah dabei zu, wie er den Rauch ausblies.

„Das sollte ich." Er zog ein weiteres Mal an der Zigarette und sah mich dann grinsend an. „Heute kommen deine Eltern zurück", stellte er dann fest.

„Ja", bestätigte ich und dachte an die vielen Nachrichten meiner Eltern in den letzten Tagen. In denen schien ihnen wieder eingefallen zu sein, dass sie eine Tochter hatten.

Liebes Tagebuch || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt