Chapter Thirty Six

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Liebes Tagebuch,

Die Ferien sind vorbei. Heute morgen bin ich vor dem Alarm meines Handys aufgewacht. Meine Fenster hatte ich die Nacht über offen, sodass ein kühler aber angenehmer Wind über meine Haut gefahren war und mich eingehüllt hatte. Leise war ich in mein Badezimmer getapst und hatte mich im Spiegel betrachtet. So, wie schon lange nicht mehr.

Ich hatte mich unter meinem Blick gut und hübsch gefühlt. Weder zierten mein Gesicht dunkle Augenringe, noch erkannte ich unter meiner Haut, meine Rippen. Langsam war ich über meinen Körper gefahren und hatte mich selbst gefunden. In einem einzigen Augenblick.

Es ist ein komisches Gefühl, zurück zu sich selbst zu finden, wenn man sich für eine lange Zeit verloren hatte. Und doch ist es unglaublich und um nichts in der Welt einzutauschen.

Aber so sehr ich mich auch gefunden habe, so sehr fürchte ich mich vor den Blicken der anderen, wenn ich heute mit Kyle gemeinsam die Schule betrete. Natürlich, ich bin schon oft mit ihm zusammen zur Schule gefahren. Aber weder hatte er in diesem Moment meine Hand gehalten noch mich geküsst. Vielleicht wird er es auch nicht machen. Ich weiß es nicht. Denn um ehrlich zu sein, haben wir die Ferien und unsere Zeit mit jeglichen Gesprächen verbracht, bis auf dieses.

Ich bin nervös und aufgeregt und verliebt und verträumt zur selben Zeit. Mein Herz pulsiert und schenkt mir ein wärmendes Gefühl von Geborgenheit. Ich habe das Gefühl, dass dieser Tag mir nicht genommen werden kann. Und ich weiß, dass - als ich es das letzte Mal erwähnt hatte, eine einzige Person meinen Tag zu Nichte gerührt hat. Honey.

Bitte verzeih mir an dieser Stelle, aber ich kann es immer noch nicht nachvollziehen, wie eine Mutter ihr Kind Honig nennen kann. Es ist ein niedlicher Spitzname. Aber ein katastrophaler echter. Und doch passt er zu der Person, die ihn trägt. Honey ist süß wie Honig, wenn es um ihr Aussehen und ihr Lächeln geht, doch ebenso klebrig und nur in Maßen ertragbar. Aber ich lenke ab, was ich eigentlich schreiben möchte: Nicht einmal Honey kann mir heute meinen Tag nehmen und ruinieren. Denn ich habe Kyle an meiner Seite stehen - nicht mehr gegenüber. Und ich bin es, die seine Lippen in der Nacht spürt und das kleine „Ich liebe dich" in das Ohr geflüstert bekommt.

Und ich möchte nicht, dass man schlecht von mir denkt. Doch in gewisser Weise freue ich mich, es ihr reinwürgen zu dürfen. Als kleine, nicht gewollte Rache für mein Bein.

Ich muss mich jetzt fertig machen. Der Wecker klingelt. Und in weniger als einer halben Stunde werde ich Kyle sehen.

In Liebe, Lola

Mit einem Lächeln klappte ich das kleine Notizbuch zu, legte es auf meinem Nachttisch und stand auf, um mich fertig zu machen. Ich putzte mir die Zähne und trug etwas Mascara und Lippenstift auf. Doch schließlich stand ich immer noch ziellos in meinem Zimmer - in einem mir viel zu großen Schlafshirt. Seufzend schnappte ich mir blind eine Jeans und ein Langarmshirt. Ich betrachtete die Kombination in meinen Händen und nickte. Das würde funktionieren.

Ich steckte den weißen Saum meines Oberteils in die Jeans und zog nervös einen schmalen Gürtel durch die Schlaufen. Dann strich ich über meinem Bauch und blickte in den Spiegel. Die Nervosität kam plötzlich. Mit einem einzigen Wimpernschlag. Es war ein komisches Gefühl, zu wissen, dass der Blick meiner Mitschüler und Mitschülerinnen auf mir liegen würde. Beinahe hatte ich das Gefühl, in einem klischeehaften Liebesroman die Hauptrolle zu spielen. Ich band mir meine Haare zu einem lockeren Zopf im Nacken und ließ zwei kleine Strähnen mein Gesicht umrunden, bevor ich mir meinen Rucksack schnappte und mit meinem Handy in der Hand, die Treppe ansteuerte. Mein Vater saß in der Küche und trank einen Kaffee. Sein Blick war auf sein Laptop gerichtet.

Liebes Tagebuch || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt