Chapter Twelve

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Die Stunden zogen sich in die Länge. Immer wieder trommelte ich mit meinen Stiften auf den Büchern herum und blickte zur Uhr, die über den Türen hing. Als es endlich zum Ende der vorletzten Stunde klingelte, schmiss ich meine Sachen in meinen Rucksack und beeilte mich zu meinem Spind zu kommen.

„Hey." Sam begann neben mir zu hüpfen und begleitete mich die letzten Meter zum Spind. „Hi. Wie geht es dir?" Sie sah aufgeregt aus. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem Dutt gebunden und ein roter Lippenstift zierte ihre schmalen Lippen.

„Ich kann mich nicht beschweren." Sie beobachtete mich bei jeder meiner Bewegungen, als ich den Spind öffnete und meine Bücher hineinlegte. Ich blickte auf das Foto von Liam, das ich auf die Innenseite der Tür befestigt hatte und lächelte, bevor ich mich wieder Sam widmete.

„Hast du Lust, am nächsten Wochenende mit auf den Geburtstag von Anthony zu kommen? Es wird diesmal eine etwas kleinere Runde, aber nicht minder lustig."

Die Erinnerung an meine erste und bisher letzte Party jagte mir Schauer über den Rücken. Ich hatte es immer noch nicht geschafft, meine Gedanken zu ordnen. Die letzten Augenblicke dieser Nacht waren immer noch versteckt.

Ich verzog mein Gesicht. Das würde mir nur Unheil bringen. „Ich weiß nicht."

Mit einer traurigen Grimasse blickte Sam mich an, was mich ins Wanken brachte. „Es wird so lustig!", versuchte sie es weiter und seufzend sah ich sie an.

„Welches Datum?" Ich wandte mich noch einmal meinen Spind zu und schaute, ob ich alles hatte.

„Der achtzehnte." Sie lehnte sich gegen die Spinde und grinste mich erwartungsvoll an.

Mir stockte der Atem und für einen Moment sprang mir mein Herz aus der Brust. Mein Blick heftete auf dem Foto und vorsichtig strich ich mit meinen Fingern über das Papier. Entschuldigend schaute ich Sam schließlich an.

„Tut mir leid. An diesem Wochenende besuchen meine Eltern und ich unsere Familie." Sam schaute mich enttäuscht an, begann dann aber zu lächeln und zuckte die Schultern. „Familie geht vor."

Noch einmal strich ich mit meinem Daumen über das Foto, bevor ich ein 'Ja...' murmelte und mich verabschiedete.

Familie geht vor.

Die Worte spukten mir im Kopf umher, während ich eine Tür aufstieß und die Treppe runterging. In den letzten Tagen hatte ich immer mehr den Gedanken an Liam verdrängt. Kyle hatte mir jeglichen anderen Gedanken, als den an sich selbst, geraubt. Und dafür hasste ich ihn. Und mich. Denn er drängte mich aus meiner kleinen Welt, in der ich den Schmerz willkommen hieß, um Liam nahe zu sein. Meine Erinnerungen schwanden und die Realität zog mich mit sich.

Unwillkürlich wurde meine Sicht wässrig. Ich blinzelte mehrmals gegen die Tränen an. Ich durfte weinen, so viel ich wollte und konnte. Aber nicht in der Schule. Nicht an einem Ort, an dem ich den Grund für meine Tränen leugnete und versteckte.

„Lola, richtig?" Eine Abwertung schwang in ihrer Stimme mit, als sich Honey mir direkt in den Weg stellte. Sie stand zwei Stufen unter mir. Es war paradox. Sie schien mir überlegen sein zu wollen und doch stand ich in diesem Moment - wenn auch nur metaphorisch - über ihr.

Ich seufzte. Augenblicklich wurde meine Sicht wieder klar und ich blickte erwartungsvoll zu Honey, während ich die letzten Stufen runterging. Ich hatte es nicht nötig, mich über sie stellen zu wollen.

„Ja." Ich stellte mich dicht vor ihr und sah sie weiterhin abwartend an, während sie auf ihre Fingernägel schielte. Die Nacht, in der sie mich gegen die Wand gedrängt hatte, war mir gut in Erinnerung geblieben. Es begann in mir zu brodeln, als ich daran dachte, wie sie mir den Kontakt zu Kyle verbieten wollte. Denn dazu hatte sie kein Recht.

Liebes Tagebuch || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt