KAPITEL III | Die Aufständler

369 40 9
                                    

„Ein General bestimmt hier also über alles?", hakte Niek nervös nach.

Jorik hing das letzte Kraut auf einem Seil an der Decke auf und gesellte sich danach wieder zu dem Neuankömmling. „Nicht wirklich. Wir haben einen General, er hat viel zu sagen, aber am Ende werden alle wichtigen Entscheidungen durch Abstimmungen getroffen. Nur wenn wir uns im Gefecht befinden, muss auf den jeweiligen Truppenführer gehört werden, um schnell agieren zu können und Tote zu vermeiden."

„Das ist einfach nur irre", murmelte Niek und raufte sich seine braunen Haare. Todesstrafen an der Oberwelt und Menschen, die sich in Drachen verwandelten. Er musste träumen oder endgültig verrückt geworden sein. „Und ihr kommt alle aus Zodiac?", fragte er ein zweites Mal.

Jorik neben ihm lachte lautlos. Er lehnte sich nach vorne, stützte sich mit seinen Ellenbogen auf den Knien ab und erklärte geduldig: „Ja, wir kommen alle aus Zodiac. Jeder hier hat eine Funktion in unsere Gruppe und kann dabei eventuell die Erfahrungen aus seinem Bezirk einbringen."

„Zum Beispiel du, als Heiler", verdeutlichte Niek.

Sein Gegenüber nickte. „Oder die Soldaten. Oder die Landwirte aus Pisces und die Viehzüchter aus Aries. Sie kennen sich mit der Natur und ihren Lebewesen aus, so etwas ist wichtig, etwa auf Jagdpatrouillen oder beim Anbauen von Pflanzen. Und Wächter haben wir auch."

Niek nickte langsam. Er musste wieder an Piet und Anton denken. Sie hatten den Trupp in Form von Flugdrachen begleitet und über die nähere Umgebung gewacht. Die Bewohner der Oberwelt hatten sich hier oben in Ekliptik tatsächlich eine ganz neue Gesellschaft erstellt. Eine Gesellschaft, in der abgestimmt wurde, in der nicht ein einziger König über alles und jeden entschied. Mit dem Gedanken konnte Niek sich anfreunden, nur vor der Reaktion des Generals auf ihn, hatte er noch etwas Bange.

Niek öffnete gerade seinen Mund, einfach um etwas zu sagen, um das Gespräch voranzutragen, als plötzlich eine Person in die Krankenstation kletterte. Das Erste, was Niek sah, waren die Hände mit den spitzen, schwarzen Fingernägeln, die einen Körper in den Bau zogen.

Ehrlich gesagt, hatte Niek sich den General dieser Bande anders vorgestellt. Eher wie einen alten Kauz mit schrumpeliger Haut, der bereits ganz krumm gehen musste. Stattdessen sah die Person nicht viel älter als Niek selbst aus, auch wenn sich über die rechte Seite seines Gesichts zwei Narben bis zu seinem Auge zogen. Seine tiefroten Haare waren nach hinten gekämmt und wurden zusätzlich von einem beigen Stirnband aus seinem Gesicht ferngehalten. Die Seiten seiner Haare waren kurz geschnitten, so wie bei Niek selbst. Aber das, was Niek als erstes ins Auge stach, waren zwei blassbraune Hörner, die auf seinem Kopf thronten. Sie waren nicht wie Femkes oder Joriks Hörner, sie waren viel größer und imposanter und bogen sich auf halbem Wege zur Spitze nach hinten.

„Mares, nicht wahr?", sagte er, als er auf Niek zuging. Zwischen den Hörnern und der Höhlendecke befand sich nur eine Daumenbreite Höhenunterschied.

„Ja", bestätigte dieser und machte Anstalten aufzustehen, doch der Mann hob eine Hand in seine Richtung und schüttelte den Kopf.

„Bleib sitzen", sagte er. Er klang dabei nicht unfreundlich, aber Niek erstarrte dennoch auf der Stelle in seiner aktuellen Position und wagte es nicht mehr, sich zu bewegen. Am liebsten hätte er aufgehört zu atmen.

„Ich gehe solange raus", beschloss Jorik plötzlich und erhob sich von seinem Platz auf dem Holzstück. „Dann habt ihr eure Ruhe." Der General nickte bestätigend, dann war Jorik bereits aus dem Bau hinaus und verschwand irgendwo im Lager, wo Niek ihn zu all seiner Missgunst nicht mehr sehen konnte.

Der Rothaarige ließ sich seufzend auf Joriks alten Platz vor Niek nieder. Aus der Nähe erkannte dieser, wie müde der Mann aussah. Die dunklen Schatten unter seinen Augen bildeten einen scharfen Kontrast zu den stechend gelben Augen, mit den Schlitzpupillen. Und als er blinzelte, konnte Niek wieder das dritte Augenlid beobachten, welches sich senkrecht über das Auge schob – wie bei einem Reptil.

Dragontale - Etappe IWhere stories live. Discover now