KAPITEL IX | Die Ausrüstungsmission

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Nach dem Essen traf Niek sich mit der Patrouille in der Lagermitte. Pfade waren durch das hohe Gras vor der Klippe getrampelt worden, von all den Personen, die Tag ein Tag aus von einer Höhle zur anderen marschierten.

Der Patrouillenanführer war Bente Osiek. Kadira hatte Niek vor Bentes Ankunft erzählt, dass man Bente auch den Panzer nannte und Niek wusste augenblicklich, warum dies so war, als der Genannte zu ihnen stieß. Er war noch einen ganzen Kopf größer als Niek und war breit wie ein Schrank. Seine Haare waren sehr kurz und schwarz und seine Haut wirkte irgendwie gräulich – und das lag definitiv nicht daran, dass es bereits dunkel geworden war. Das orangene Licht der Fackel, die Bente in der Hand hielt, ließ seine Haut abgestorben aussehen und warf tiefe, flackernde Schatten über sein bärtiges Gesicht. Eine Narbe zog sich von seinem Haaransatz bis auf seine Stirn und weitere Narben pflasterten seine Arme.

Neben Kadira stand Gina Keniston, Piets Schwester und ebenfalls eine ehemalige Wächterin aus Zodiac. Sie war jedoch kein Flugdrache, sondern ein Landdrache, welcher die Fähigkeit besaß, die Geräusche anderer Tiere nachzuahmen und zudem mit einem besonders guten Gehör ausgestattet war, welches ihnen nun im dunklen Wald sehr gut weiterhalf. Sie hatte das Tier Paralophus genannt. Die zierliche Frau zog ihre blonden Haare wie goldene Wellen hinter sich her, als sie zu ihnen herüber marschierte.

Nachdem sich der Trupp zusammengefunden hatte, führte Bente sie ins Dickicht. Niek war froh um die Fackel, die er in seiner Hand halten konnte. Mit ihr fühlte er sich dem finsteren Wald nicht so hilflos ausgesetzt. In den Büschen konnte er es zirpen und knacken hören und er erwartete hinter jedem Geräusch eine riesige Gefahr. Doch seine Augen konnten in der Nacht nun besser sehen, dank seiner neu erworbenen Drachenform und demnach konnte er auch erkennen, dass sie niemand belauerte.

Dafür spürte er jedoch, wie seine Glieder wieder schwer wurden und er fühlte sich schrecklich ausgelaugt. Vielleicht hatte er sich doch zu schnell, zu stark belastet.

„Seid ihr sicher, dass es okay ist, mit mir bei Nacht das Lager zu verlassen?", fragte er an die Gruppe, als Zweifel an ihm zu nagen anfingen, umso weiter sie in den Wald wanderten. Den Fluss hatten sie schon lange überquert und sie steuerten direkt auf den Zodiac-Berg zu. Noch war ihnen allen unbekannt, ob Niek sich in einen tag- oder nachtaktiven Drachen verwandeln würde, was bedeutete, dass jederzeit die Gefahr bestand, dass er sich wieder unkontrolliert verwandelte.

„Wir passen auf, dass nichts passiert. Sag einfach frühzeitig Bescheid, wenn du dich seltsam fühlst", antwortete Gina mit ihrer freundlichen und hellen Stimme. Niek konnte sich bei ihr nicht vorstellen, dass sie auch nur die Hand gegen ein anderes Lebewesen erheben konnte.

Niek konnte schlecht etwas Anderes tun, als auf seine Gruppe zu vertrauen. Umzudrehen und die Patrouille im Stich zu lassen, war immerhin keine wirkliche Möglichkeit. Er konnte sich also nur zusammenreißen und versuchen, erst ihre Aufgabe zu beenden, ehe er sich eventuell verwandelte.

Die vier stiefelten also weiter durch die Dunkelheit, ihr Weg nur von den beiden Fackeln beleuchtet. Ständig stolperte Niek über Wurzeln oder kleine Zweige. Er hatte sich noch nicht an das unebene Gelände der Oberwelt gewöhnt. In Zodiac hatte er, selbst wenn er im Dunkeln unterwegs gewesen war, nicht mit Unterholz kämpfen müssen. Dort unten in der Höhlenstadt gab es keine Pflanzen, die sich ihm in den Weg stellen konnten.

Dafür war die Nacht an der Oberwelt jedoch längst nicht so dunkel. Als sie endlich zum Waldabschnitt kamen, in dem sich die Bäume langsam lichteten, konnte Niek durch das Blätterdach das dunkle Himmelszelt erkennen, an dem der volle Mond und unendlich viele Sterne hingen. Sie warfen ihr fahles Licht hinab zu ihnen in den Wald und ließen ihre Umgebung plötzlich gar nicht mehr so gefährlich wirken.

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