KAPITEL IV | Der Mondscheinsee

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Niek setzte sich während der Wartezeit an den Rand des Baus. Seine Beine hingen von dem Felsvorsprung herab und schwebten dort knapp über dem Boden, während sich über seinem Kopf das Vordach aus Stroh erstreckte.

Skalli war zuvor in der Haupthöhle zu seiner Linken verschwunden und seitdem war nichts mehr von ihm zu hören oder zu sehen gewesen. Ab und zu trottete eine Person durch das Lager und kletterte von einem Bau in der Klippenwand zum anderen, aber keiner von ihnen unterhielt sich mit ihm.

Nur Jorik, der irgendwann zurück zu seiner Höhle kehrte, sagte ihm, dass er eine gute Entscheidung getroffen habe, indem er sich ihnen angeschlossen hatte.

Danach dauerte es nicht mehr lange, bis Skalli zurück aus der Höhle kehrte. Hinter ihm liefen zwei Frauen und zu dritt steuerten sie direkt auf Niek zu. Dieser stieß sich daraufhin vom Boden ab und sprang den niedrigen Vorsprung herab auf den grasbewachsenen Waldgrund.

„Das ist meine Erste Offizierin", stellte Skalli, als sie vor ihm zum Stehen kamen, mit einer ausschweifenden Geste zu einer Frau mit orangenen, schulterlangen Haaren fest.

Die Frau reichte Niek daraufhin lächelnd die Hand. Auch sie trug spitze Krallennägel und diese Echsenaugen. Ihre waren blutrot und ihre spitzen Zähne verstärkten ihr gefährliches Erscheinungsbild umso mehr. „Ich bin Amalia Tarras", stellte sie sich mit überraschend sanfter Stimme vor.

Danach stellte sich gleich die zweite Frau vor. Niek überragte sie um einen guten Kopf. Im Gegensatz zu Amalia sah sie langweilig aus mit ihren hellbraunen Haaren, die sie mit Hilfe einer Pflanzenfaser zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Auch ihre Augen sahen normal aus, abgesehen von der gelben Farbe. Lediglich ihre spitzen, schwarzen Fingernägel ließen darauf schließen, dass auch sie sich in einen Drachen verwandeln konnte.

Sie schüttelte euphorisch seine Hand und sagte: „Ich bin die Erfinderin hier, Kadira Westerbeck. Ich entwickle neue Waffen, Kleidung und Kampftechniken für uns alle."

„Hallo", entgegnete Niek überfordert von der Begeisterung seines Gegenübers. „Ich bin Niek Mares." Immer noch, schoss es ihm durch den Kopf. Wie oft hatte er sich an diesem Tag schon vorstellen müssen?

„Gut, dass das jetzt geklärt ist", unterbrach Skalli die Vorstellungsrunde. „Dann können wir jetzt ja anfangen. Westerbeck", er wandte sich nun direkt an die Erfinderin: „Wir führen das Gespräch in deinem Labor fort."

„Alles klar, General", flötete sie und ging gleich herüber zu der Klippenwand.

Erst jetzt fiel Niek auf, dass neben der Krankenstation eine Strickleiter hing, die hinauf zu dem Bau führte, der gleich über der Heilerhöhle lag. Auch dieser besaß ein Vordach aus Stroh und der Höhleneingang wurde von Holzpfählen gestützt.

Skalli deutete ihm, dass er der Erfinderin die Wand hinauf folgen sollte. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er packte die nächste Holzsprosse und machte sich daran, die wackelige Konstruktion emporzuklettern. Hinter ihm folgten Amalia und daraufhin Skalli.

Der Bau befand sich in gut vier Metern Höhe und Niek war nicht zum ersten Mal in seinem Leben froh, dass er keine Höhenangst hatte. In seinem Beruf musste er schon mehrfach Schächte senkrecht emporklettern oder Glasgestein in schwindelerregender Höhe austauschen. Er war dabei nie gesichert gewesen und hatte auch schon zweimal mitbekommen, wie Mitarbeiter bei ihrer Arbeit abgestürzt waren.

Als Niek oben im Bau ankam, schaute er sich interessiert in der Höhle um. Sie war etwas größer als die Heilerhöhle, aber in ihr befanden sich nur Schlafplätze.

„Was ist das hier für eine Höhle?", fragte er Kadira, die neben ihm auf die anderen wartete.

„Die Soldatenschlafhöhle. Nebenan befindet sich die Wächterschlafhöhle. Ich weiß nicht, ob du sie von draußen gesehen hast, sie liegt über der Haupthöhle", erzählte Kadira ihm munter.

Dragontale - Etappe IWhere stories live. Discover now