KAPITEL XVII | Träume

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Als die Patrouille zurückkehrte, war Niek gerade dabei, sich in einem der Wassereimer seine Hände zu waschen, da er zuvor im Pflanzenbeet gearbeitet hatte. Er hätte dafür auch zum Fluss oder dem Wasserfall gehen können, dann hätte er sich auch nicht so beobachtet gefühlt, als er im Voraus seine Zähne dort geputzt hatte, aber er wollte auf gar keinen Fall verpassten, wie Skallis Patrouille zurückkehrte.

Als die Truppe dann jedoch am oberen Klippenrand zum Vorschein kam, hätte Niek nicht erwartet, wie erschöpft und besorgt sie aussahen. Er hätte erwartet, dass Kadira von dort oben lauthals jubeln würde und ihr Siegesschrei alle Vögel in der näheren Umgebung aufgeschreckt hätte. Damit, dass Bente einen bewusstlosen Skalli auf seinem Rücken die Klippe heruntertragen musste und Jorik ohne ein Wort an die anderen zu richten, in seinen Bau rannte, hatte Niek nicht gerechnet.

Was war passiert?

Als Bente Skalli auf dem Lagerboden ablegte und Niek den in Blut getränkten Verband um seine Augen erkannte, sprang er sofort auf seine Beine und kam zu der Truppe gerannt. Auch alle anderen anwesenden Mitglieder versammelten sich aufgebracht.

„Was ist passiert?", fragte Amalia sofort und musterte den General besorgt.

„Wir haben das Gift, aber der Sinornith hat den General erwischt", erklärte Femke, die zusammen mit Kadira den letzten Meter der Klippenwand heruntersprang.

„Ein Biss?", hakte die Erste Offizierin nach.

Femke schüttelte den Kopf. „Es waren zum Glück nur die Krallen, er ist nicht vergiftet."

„Bente!", rief Jorik da plötzlich von seinem Heilerbau aus: „Du kannst ihn herbringen!"

Das ließ sich der ehemalige Minenarbeiter nicht zweimal sagen. Er hob Skalli an, als würde es sich bei ihm nur um eine Puppe handeln. Viel mehr schien er auch nicht zu sein, er hing zumindest genauso schlaff in den Armen des anderen. Dann trug Bente ihn eilig herüber zu der Heilerhöhle.

Die anderen stürzten sich danach förmlich auf Femke und Kadira und überströmten sie mit allerlei Fragen. Der Aufruhr war groß. Sie konnten es sich nicht leisten, dass der General so schwer verletzt wurde und vielleicht sogar starb. Nicht jetzt. Sie mussten doch Zodiac besiegen!

Doch nun konnten sie nichts mehr daran ändern, wie es gekommen war. Skalli würde entweder sehr schnell auskurieren müssen oder Niek würde einen neuen Partner gebrauchen, der ihn mit nach Zodiac begleiten würde. Das würde Skalli sicherlich ganz und gar nicht gefallen, immerhin wollte er nichts lieber, als den König mit seinen eigenen Händen zum Fall zu bringen.

In einer Woche würde die Mondfinsternis anbrechen. Dann würden sie in die Stadt einfallen – mit oder ohne Skalli.

Nach dem Abendessen löste Niek Gina als Wache ab. Es war seine erste Wache, die er halten würde. Zum Glück waren seine Augen auch bei Nacht sehr gut. Er ließ sich in der breiten Astgabelung des Wächterbaumes nieder, der seine dicken Wurzeln in den bröckeligen Boden am Klippenrand geschlagen hatte. Von dort oben konnte er das Lager und den umliegenden Wald erkennen. Sogar den Fluss konnte er an der ein oder anderen Stelle durch das Blätterdickicht im Mondlicht schimmern sehen.

Über ihm am Himmelszelt funkelten die Sterne und Niek konnte die nachtaktiven Tiere im Wald ihr Unwesen treiben hören. Da waren Insekten, die summten und zirpten und die kleinen Nagetiere, die nun im Schutz der Dunkelheit herauskamen und sich mit ihren kleinen Pfoten einen Weg durch das Unterholz suchten.

Ansonsten war alles still, im Lager rührte sich nichts mehr und Niek hatte mehr als genug Zeit, um sich seinen Kopf über die aktuellen Ereignissen zu zerbrechen.

Er musste ehrlich mit sich sein: Mit jemand anderen als Skalli, würde er ungerne in Zodiac einbrechen. Der General strahlte immer dieses ruhige, gefasste Etwas aus, welches Niek das Gefühl gab, dass sie die Situation unter Kontrolle hatten und dass alles gut werden würde. Ohne Skalli, da war er sich ziemlich sicher, war die Mission zum Scheitern verdammt. Er würde in den Schächten durchdrehen und in das Königshaus könnte er schon gar nicht einfallen – und das obwohl er ein erfahrener Einbrecher war.

Dragontale - Etappe IWhere stories live. Discover now