Kapitel 1 - Die Guardians

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[GRACE]

»Noch zehn Minuten, dann ist Schluss für heute!«

Das Quietschen der Turnschuhe auf dem Linoleum verstummte, die simulierten Kämpfe wurden unterbrochen und zehn Augenpaare blickten mich überrascht an.

Lexi, das zierliche Mädchen in der ersten Reihe, warf einen verdutzen Blick zu der großen Uhr an der Backsteinwand und sah dann stirnrunzelnd zu mir. »Immer wenn ich hier bin vergeht die Zeit doppelt so schnell. Wie machst du das Grace?«

Ich musste grinsen. »Okay, erraten, ich kann zaubern. Aber pssst.«

Die anderen Mädchen lachten und Lexi grinste zurück. »Das erklärt natürlich einiges.«

Ich blinzelte ihr amüsiert zu, bevor ich mich der ganzen Gruppe zuwandte. »Wir haben noch etwas Zeit. Jetzt zeige ich euch eine Technik, mit der ihr einem Würgegriff entkommt.«

Die Mädchen horchten auf und sahen mich erwartungsvoll an. Ich blickte in die Runde und senkte theatralisch die Stimme. »Wer will mich erwürgen?«

Lexi grinste und kam nach einem Blick in die Runde auf mich zu. »Was soll ich machen?«

Ich schob meinen Zopf über die Schulter und deutete auf meinen Nacken. »Leg deine Hände um meinen Hals.«

Als ich Lexis schmale Hände auf meiner Haut fühlte, drehte ich mich ein wenig, damit die anderen Mädchen mich besser sehen konnten.

»Wenn wir etwas an unserem Hals spüren, fühlt es sich meistens unangenehm an«, erklärte ich. »Legt euch mal gegenseitig vorsichtig die Hände an den Hals.« Ich beobachtete, wie die Mädchen sich zu zweit gegenüberstellten und meiner Aufforderung nachkamen. »Wie fühlt sich das an?«

»Beklemmend!« rief Cassie, die mit ihrer besten Freundin in der letzten Reihe stand, und verzog das Gesicht.

»Man will sofort aus dem Griff raus«, stimmte Rose zu, und auch die anderen nickten.

Ich erhob die Stimme. »Genau, das ist ganz normal. Wir sind automatisch wachsamer. Wenn ihr euch in so einer Situation allerdings in der Realität befindet, ist es schwer, die Panik zu kontrollieren, weil unser Körper automatisch denkt, wir seien in Lebensgefahr. Was wir im schlimmsten Fall auch sind. Wir können diese Panik nicht abschalten, und wenn wir dagegen ankämpfen, wird es meist noch schlimmer. Aber wir können uns auch hier, wie wir es mit unseren anderen Techniken gelernt haben, eine Struktur erarbeiten, an der wir uns entlang hangeln können. Das gibt uns Sicherheit.«

Ich blickte zu Lexi, die mich abwartend aus ihren dunklen Augen ansah. Das braunhaarige Mädchen mit den farbenfrohen Klamotten war taffer als es auf den ersten Blick wirkte. Sie hatte die letzten Monate über sehr an Selbstvertrauen hinzugewonnen, was mich freute.

»Ich zeige euch die Technik einmal schnell.« Ich warf einen prüfenden Blick zu Lexi. »Bereit?«

Sie nickte und verfestigte ihren Stand. Ich hob in einer schnellen Bewegung den rechten Arm, legte ihn über Lexis Arme, die immer noch meinen Hals umfasst hielten, und drückte sie herunter. Gleichzeitig ging ich in die Knie. Durch die Geschwindigkeit war Lexi gezwungen, mit mir hinunter zu gehen und schließlich ihre Arme fallen zu lassen, als ich meinen sachte gegen ihren Hals drückte.

Ich richtete mich wieder auf und sah zu Lexi. »Alles okay?«

Sie nickte beeindruckt. »Wow. Das war krass. Ich hatte gar keine Möglichkeit weiter festzuhalten.«

Ich nickte zufrieden und drehte mich zu den anderen Mädchen. »Genau. Der Überraschungsmoment ist auf eurer Seite. Mit dieser Taktik könnt ihr euch auch von kräftigeren Gegnern befreien. Eigentlich sind es nur zwei Bewegungen die ihr beherrschen müsst. Ich zeig es euch noch einmal langsam, und dann versucht ihr es!«

Nobody Gotta Know | ✓Where stories live. Discover now