Kapitel 22 - Fahrraddiebe

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[COLE]

Der Motor meiner Maschine dröhnte in meinen Ohren und vermischte sich mit den anderen Geräuschen der Stadt. Es war Nacht, die Straßen waren wenig befahren, und nur hin und wieder erhellten die Scheinwerfer eines Autos oder Straßenlaternen den Asphalt. Ich umfasste den Griff des Lenkers fester und gab noch einmal Gas. Der Wind zerrte an meinem schwarzen Hoodie und drückte gegen meinen Helm, welcher mein ganzes Gesicht verdeckte.

Am Ende der breiten Straße warf ich einen kurzen Blick in den Rückspiegel, um mich zu vergewissern, dass Zac noch hinter mir war. Dann bog ich nach rechts in eine Seitenstraße ab. Es wurde ruhiger, die Gasse schmaler und die Häuser dunkler. Das Rauschen in meinen Ohren verschwand, und meine Gedanken, welche zuvor übertönt worden waren, drängten sich in den Vordergrund.

Wie auch die letzten Nächte, welche ich fast nur auf der Straße verbracht hatte, dachte ich an Grace. Ich war nicht zur Uni gegangen und opferte Tag und Nacht meiner Zeit für die Guardians. Das war ich ihnen schuldig. Es war das mindeste, was ich tun konnte. Während Zac auch die letzten drei Nächte bei Luc und mir auf der Couch gepennt hatte, war Jacob nicht wieder aufgetaucht. Während mich seine Abwesenheit im Moment nicht weiter störte, war ich mir des Kontaktabbruches zu Grace durchaus bewusst. Ich war ihr bewusst aus dem Weg gegangen, hatte ihre Nachrichten ignoriert und es Luc überlassen, Zola zu informieren, dass es ihm nach seinem erfundenen Motorradunfall wieder besser ging. Ich wusste, dass ich mich scheiße verhielt, doch ich war mir sicher, dass es die beste Lösung war. Ich hatte versucht meine zwei Leben zu vereinen, und es war mir nicht gelungen. Damit musste ich klar kommen.

Trotzdem konnte ich Grace nicht einfach so vergessen. Sie spukte mir im Kopf herum wenn ich Motorrad fuhr, mit dem Auto unterwegs war oder kurz bevor ich schlafen ging. Ich sah sie überall, und es stresste mich so sehr, dass ich mich immer weiter in die Arbeit stürzte.

Ich nutzte jede Ablenkung, um Grace, ihre weichen Lippen, ihre fröhliche Art und das Lächeln zu vergessen. Und, um meine Abwesenheit bei den Jungs wieder gut zu machen, auch, wenn das unmöglich war. Ich konnte Vergangenes nicht verändern. Aber ich konnte sehr wohl dafür sorgen, dass ich den Fehler nicht noch einmal wiederholte.

Während Luc versuchte mich aufzumuntern wo er konnte, verhielt Joel sich normal. Und obwohl Zac dasselbe versuchte, konnte ich spüren, dass er enttäuscht von mir war. Und das spornte mich nur noch weiter an, ihm zu zeigen, dass ich ihn nicht noch einmal im Stich lassen würde. Ich würde nicht wie sein Vater werden, ich würde ihn nicht einfach so von mir stoßen, nur weil ich etwas besseres gefunden hatte als meine Freunde.

Vor mir tauchte das Lagerhaus auf, zu dem Joel uns geführt hatte, und ich stoppte mein Motorrad.

»Du hast aber ein Tempo drauf, Mann«, rief Zac mir zu, als er einige Sekunden später neben mir hielt.

»Wir haben noch viel vor heute Nacht«, erwiderte ich, klappte das Visier meines Helmes nach oben und nahm ihn ab. »Joel?« Ich fasste mir an den Kopfhörer, und gleich darauf ertönte seine Stimme in meinem Ohr. »Ja ich bin da, ich habe mich nur schon mal umgesehen.«

»Ach echt? Wir sehen dich gar nicht.« Zac grinste und fuhr sich dann durch die schwarzen Haare, welche vom Helm platt an seinen Kopf gedrückt worden waren.

»Mann, du weißt, was ich meine«, seufzte Joel und räusperte sich, bevor er konzentriert fortfuhr. »Also Jungs, es gibt zwei Eingänge. Eine Hintertür und den Haupteingang.«

»Super! Dann würde ich sagen, spazieren wir einfach durch den Haupteingang rein«, schlug Zac vor und schwang sich von seiner Maschine. Ich verkniff mir einen Kommentar, während Joel seufzte. Auch, wenn ich ihn nicht sah, wusste ich, dass er die Augen verdrehte. »Klasse Idee Zac. Wirklich. Also, da ihr ja nur zu zweit seid...« Er stockte und fuhr dann in schnellerem Tempo fort, doch ich wusste, was er meinte. Wegen meiner Abwesenheit war Luc verletzt worden und durch meine anschließende Anwesenheit Jacob abgehauen. »Ich würde vorschlagen, dass ihr beide durch den Hintereingang geht. Der Mann ist vorne rein gegangen, das sollte kein Problem für euch werden.«

Nobody Gotta Know | ✓Where stories live. Discover now