Kapitel 31 - Bleib. Stark.

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[GRACE]

Meine Finger krallten sich in die Gurte meines Rucksacks. Ich sah Cole schweigend an, während meine Gedanken rasten. Seine Worte hatten für ein Gefühlschaos in meinem Inneren gesorgt. Trauer, Wut, Misstrauen, Überraschung und Unglaubwürdigkeit wechselten sich im Sekundentakt ab. Doch ich hatte mir fest vorgenommen mich nicht von seinen Worten beeinflussen zu lassen. Das war leichter gesagt als getan, aber irgendwie schaffte ich es, meine Mauer aufrecht zu erhalten. Ich hatte schon seine Kontaktversuche am Wochenende erfolgreich abgeblockt. Jetzt musste ich nur noch dieses Gespräch überstehen, und dann konnte ich hoffentlich damit abschließen. Oder weinen gehen. Oder schreien. Oder alles zusammen.

War es das, was du mir so Wichtiges erzählen wolltest?, hallten meine harschen Worte in meinem Kopf nach, während ich in Coles braunen Augen sah, wie sehr sie ihn getroffen hatten. Ich hielt für einen Moment den Atem an und nahm seinen Anblick in mich auf. Der markante Kiefer, die braunen Haare, sein geschwungene Mund. Wie sollte ich es ohne ihn aushalten? Er hat dich verraten, flüsterte mir eine Stimme zu. Er ist der Grund dafür, dass du deinen Vater anlügen musst. Er hat dich nur benutzt. Seine Worte sind eine einzige Lüge. Genauso wie sein ganzes Leben.

Ich spürte, wie mir schlecht wurde. Schon in Coles Gegenwart zu sein strengte mich unglaublich an. Ich wollte ihn anschreien, wegrennen, schweigen, ihn umarmen...

»Das Wichtige kommt jetzt. Dein Arbeitskollege Connor verkauft Drogen für die Typen, die mich angeschossen haben. Es sind die selben Drogendealer, die wir damals in der Nacht hinter dem Selfdefenders aufhalten wollten.« Coles Worte rissen mich aus meinen wirren Gedanken und warfen mich mit einem Schlag zurück in die harte Realität.

Ich schüttelte den Kopf, während das, was er eben gesagt hatte, langsam zu mir durchdrang. Obwohl ich wusste, dass Cole dieses Mal nicht log, wollte ich seine Worte nicht wahrhaben. »Nein.«

Coles Miene wurde weicher, und ich wandte schnell den Blick ab. Ich ertrug diesen sanften Ausdruck auf seinem Gesicht nicht.

»Ich habe es auf Video«, sagte Cole leise und hielt mir vorsichtig sein Handy entgegen. Ich nahm es zögernd entgegen, bedacht darauf, ihn nicht zu berühren. Schweigend beobachtete ich, wie Connor sich in der Dunkelheit mit drei Typen traf und nach einem kurzen Wortwechsel mit zwei gefüllten Tüten verschwand.

»Das muss ein Missverständnis sein«, murmelte ich schwach, während ich Cole das Handy zurückgab. Ich wusste, dass ich naiv war. Alle Beweise sprachen deutlich gegen meinen Kollegen. Doch ich wollte es nicht wahrhaben.

»Ich glaube er wird erpresst und macht das nicht freiwillig.«

Überrascht sah ich zu Cole auf. Ich hätte nicht damit gerechnet das von ihm zu hören. Andererseits wussten die Guardians wahrscheinlich am Besten, wie es war, fälschlicherweise verdächtigt zu werden.

»Darüber wollte ich mit dir sprechen«, fuhr Cole fort. »Kannst du mit Connor reden? Die Jungs wollten das Video als anonymen Hinweis an die Polizei schicken, aber... ich wollte es erst dir sagen.«

Ich wollte es erst dir sagen... Ich spürte, wie eine Gänsehaut meinen Rücken hinunterlief. Bleib. Stark.

Ich räusperte mich und war froh, als meine Stimme bei den nächsten Worten fest klang. »Okay. Ich spreche mit ihm. Aber ihr haltet euch ab jetzt da raus. Ich werde versuchen Connor zu überzeugen mit mir zur Polizei zu gehen. Wenn er wirklich erpresst wird, wird er sich über Hilfe freuen. Und ab dann wird sich die Polizei um diesen Drogenring kümmern.«

Cole schüttelte den Kopf. »Wir werden nicht einfach aufhören...«

»Doch!«, erwiderte ich mit scharfer Stimme und sah ihn aufgebracht an. Die kurzeitig verschwundene Wut kochte wieder in mir auf. »Etwas vor meinem Dad zu verschweigen ist eine Sache, aber ihm auch noch Beweismaterial über Drogendealer und eine mögliche Erpressung meines Arbeitskollegen vorzuenthalten, eine vollkommen andere. Das bin ich ihm schuldig. Haltet euch einfach von Connor und meinem Vater fern. Okay?«

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