Kapitel 24 - Unbekannt

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[COLE]

Ich hatte ein Problem. Das Gespräch mit Grace hatte mir gezeigt, was ich die ganze Zeit verdrängt hatte: Sie verabscheute die Guardians wirklich. Und wenn nicht einmal Grace mir glaubte, war es unmöglich, die Polizei von den guten Absichten der Guardians zu überzeugen. Sie sahen in uns Feinde, obwohl wir sie nur unterstützen wollten. Hätte ich Grace umgestimmt bekommen, hätten wir zumindest bei ihrem Vater eine Chance gehabt. Doch so war es umsonst.

Es war eine verdammt dumme Idee gewesen, Grace als Guardian zu treffen. Ein kleiner Teil von mir hatte zwar gehofft, dass sie anders reagieren würde, doch mir war bewusst geworden, dass ich sie schlichtweg hatte sehen wollen.  Der Versuch, als Guardian ihr Vertrauen zu gewinnen, war nur nebensächlich gewesen. Ich hatte vorher gehofft, dass sie in den Club gehen würde und auf ihrem Nachhauseweg auf sie gewartet. Doch ihre Stimme zu hören, und in ihrem Gesicht Angst zu sehen, die mir gegolten hatte, war unerträglich gewesen. Diese Begegnung hatte mir einmal mehr gezeigt, dass das mit uns niemals funktioniert hätte.

Frustriert fuhr ich mir durch die Haare und drehte die Musik in meinem Auto lauter. Der Bass brachte den Wagen zum Beben, und ich lehnte mich mit geschlossenen Augen im Sitz zurück. Müdigkeit zerrte an meinen Augenlidern, ich hatte die letzten Nächte fast nicht geschlafen. Stattdessen versuchte ich, so viel wie möglich für die Guardians zu regeln. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass es nicht genug war. Es war nie genug. Seufzend setzte ich mich auf, öffnete die Fahrertür und ging über den leeren Innenhof zum Eingang der Fabrik.

Da auch Joel die letzten Nächte fast durchgemacht hatte, hatte ich ihm nicht gesagt, dass ich auch diesen Abend wieder unterwegs sein würde. Luc war immer noch nicht bereit, Motorrad zu fahren, und Zac hatte beschlossen, heute mit seinem Dad zu sprechen. Ich konnte nur hoffen, dass das Gespräch gut verlaufen würde.

Mit einem Knarren öffnete sich die alte Eingangstür, und ich trat in die Dunkelheit der großen Halle. Der vertraute modrige Geruch empfing mich, und ich wartete einen Moment, bis meine Augen sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Es war noch nicht dunkel, doch sobald es dämmerte, drang das Tageslicht nur noch schwer ins Innere der Fabrik. Die hohen Fenster waren verschmutzt und ließen nur wenig Sonnenstrahlen hindurch.

Ich umfasste das Geländer der alten Treppe und lief die Stufen hinauf. Eine Etage höher öffnete ich die Tür zu unserer Zentrale und trat ins Innere. Der Raum war verlassen, die Computer heruntergefahren, und nur ein leises Summen zeigte mir, dass der kleine Kühlschrank an der Wand in Betrieb war. Ich ging hinüber und holte mir eine gekühlte Wasserflasche aus dem untersten Fach.

Nachdenklich lehnte ich mich an den Schreibtisch und drehte das Getränk in den Händen. Ich musste mir Gedanken machen, wie es weitergehen sollte. Ich konnte die Uni nicht ewig schwänzen. Das Studium war mir unglaublich wichtig, doch ebenso war es meine Arbeit als Guardian. Und im Moment war ich es den anderen schuldig, mich auf letzteres zu fokussieren.

Entschieden stieß ich mich vom Tisch ab und nahm auf Joels Schreibtischstuhl platz. Ich fuhr den Computer hoch und checkte anschließend die Informationen, Karten und Überwachungskameras, wie Joel es sonst immer tat. Es war schwieriger als gedacht, denn ich hatte keine Ahnung, worauf ich achten musste.

Vielleicht bin ich erfolgreicher, wenn ich einfach durch die Stadt fahre, ging es mir durch den Kopf, und ich blickte nach draußen. Es war immer noch nicht dunkel, ich musste mich also ein wenig gedulden, bevor ich losfahren konnte.

Die Minuten verstrichen, und ich nutzte die Zeit, um unsere Zentrale aufzuräumen. Seit Luc nicht mehr hier gewesen war, herrschte auf dem Boden ein großes Chaos aus Pizzaschachteln, Flaschen, Dosen und Sportgeräten. Als der Raum wieder einigermaßen vorzeigbar war, bearbeitete ich den Boxsack mit einigen kräftigen Schlägen. Die Wut, welche tief in mir geschlummert hatte, kam an die Oberfläche, und mit jedem weiteren Treffer fühlte ich mich freier. Es waren die Wut auf mich selbst, die Zweifel an meinen Entscheidungen und die Vorwürfe von Jacob, die mich antrieben. Ich hatte mir früher geschworen, mich nicht von den Guardians ablenken zu lassen, doch genau das war eingetreten. Ich musste all das irgendwie wiedergutmachen, doch ich hatte keine Ahnung wie ich das anstellen sollte.

Mein Atem ging schnell und meine Fingerknöchel schmerzten, da ich in der Eile keine Handschuhe angezogen hatte, als ich schließlich von dem Boxsack abließ. Ich war ausgepowert, doch trotzdem waren die düsteren Gedanken in meinem Kopf noch da. Ich musste etwas unternehmen, bevor ich noch allein mit mir verrückt wurde.

Als ich die Matte unter dem Boxsack gerichtet hatte, ertönte ein leises Ping vom Computer. Irritiert setzte ich mich auf den Stuhl und rollte ein Stückchen zurück, bevor ich mich dem Bildschirm mit zusammengekniffenen Augen wieder näherte.

Eine eingegangene Nachricht.

Normalerweise empfing Joel nie Mitteilungen jeglicher Art über diesen Computer. Während ich die Worte überflog, stieg mein Mistrauen, und mein ungutes Gefühl bestätigte sich.

Unbekannt: Nächster Dealerort von Blade Lane: Hinter dem Bunker, heute, 22:00 Uhr.

Verblüfft lehnte ich mich in dem Stuhl zurück, dessen Lehne unter meinem Gewicht quietschte. Wer auch immer die Nachricht geschrieben hatte, wusste, wen er mit der Mitteilung erreichen würde. Entweder die Person wollte, dass die Dealer erledigt wurden, oder es war eine Falle von Blade Lanes Leuten. Es war waghalsig und unüberlegt, doch es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Mein Ehrgeiz gewann die stumme Diskussion in meinem Inneren, und ich richtete mich auf. Schon zu oft waren uns die Dealer entkommen, wir hatten keine weitere Spur außer dieser, und ich spürte, wie Adrenalin durch meinen Körper schoss. Dieser Fall könnte für Klarheit sorgen und der Polizei, sowie allen anderen, inklusive Grace, zeigen, welche Intention hinter den Guardians steckte. Dass wir nicht mit Blade Lane zusammenarbeiteten, sondern gegen ihn.

Ich griff nach dem Schlüssel für mein Motorrad, Hoodie und Tuch und verließ den Raum. Es war eine einmalige Gelegenheit, und außerdem der einzige Anhaltspunkt, den ich im Moment hatte. Auch, wenn ich eindeutig in der Unterzahl lag, konnte ich mir die Chance, die Dealer zu sehen, nicht entgehen lassen. Wer wusste schon, wie lange uns blieb, bis die Guardians vollkommen auseinander brachen oder von der Polizei gefasst wurden?


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Huhu! 🖤

Sorry dass SOO lange kein neues Kapitel kam, irgendwie ist die Zeit verflogen 🤯 Und das Kapitel ist tatsächlich auch das kürzeste von allen, deswegen versuche ich morgen das nächste hochzuladen!

Was meint ihr von wem die Nachricht kommt? Ist es eine Falle? Sollte Cole hinfahren oder lieber nicht? 🤔

Ab jetzt wird es wieder spannender, ich freue mich schon auf die nächsten Kapitel und eure Reaktionen... 👀 (ich hoffe jedenfalls, dass ihr es auch spannend finden werdet 😂)

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend 🥰 (oder Morgen, Mittag, Nachmittag, Nacht, wann auch immer ihr das hier lest! 🥳)

Nobody Gotta Know | ✓Where stories live. Discover now