Kapitel 29 - Never not (think about you)

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[GRACE]

I will never not think about you...

Lautlos formten meine Lippen den Text des Songs mit. Ich hörte das Lied von Lauv nun schon zum gefühlt hundertsten Mal, doch ich hatte keine Kraft um nach meinem Handy zu greifen und die Dauerschleife aufzuheben. Genauso wenig hatte ich die Kraft gehabt, heute zur Uni zu gehen. Zum Glück war Freitag, und ich hatte das Wochenende Zeit, um mich wieder zusammenzureißen. Ich hasste es mich selbst so zu bemitleiden, doch heute, in diesem Moment, konnte ich nicht anders.

Ich lag auf meinem Bett und beobachtete, wie die aufsteigende Sonne verschiedenste Muster an meine Zimmerdecke malte. Meine Finger verkrampften sich um die Bettdecke, und ich musste blinzeln, als ich die Augen ein wenig zu lange offen hielt.

Nachdem Zola und ich gestern Nacht zu Hause angekommen waren, waren wir direkt schlafen gegangen. Während meine beste Freundin sich heute morgen dazu aufgerafft hatte zur Uni zu gehen, hatte ich mich nicht einmal dazu durchringen können, weiter als bis zum Bad zu gehen. Die Erinnerungen an die gestrigen Ereignisse überrollten mich erneut, und ich wünschte mir einen Knopf, um sie stoppen zu können. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so schlecht gefühlt. Ich hatte immer versucht, das Beste aus jeder Situation zu machen, egal, wie verzwickt sie schien. Ich hatte meine Kindheit mit meiner Mutter und ihren hohen Erwartungen an mich überstanden. Ich kämpfte mich durch mein verhasstes Studium, dessen Lernstoff mich teilweise verzweifeln ließ. Doch jetzt, in diesem Moment, schien es mir unmöglich, wieder aufzustehen.

Wie würde ich es mir jemals verzeihen können, dass ich Dad dermaßen anlog? War es die falsche Entscheidung gewesen? Sollte ich ihn anrufen, und die Guardians verraten? Cole ins Gefängnis befördern? Schon der Gedanke daran sorgte dafür, dass mir schlecht wurde. Ich konnte das nicht tun.

Mit schmerzenden Augen wandte ich den Blick von der Decke ab und rollte mich auf die Seite. Emotionslos starrte ich auf die vielen Pflanzen, die über meinem Schreibtisch wuchsen. Wieso? Wieso hatte Cole mir das angetan? Doch ein anderer Gedanke beschäftigte mich noch viel mehr. Wieso hatte ich nichts bemerkt?

Ich hätte früher erkennen müssen, dass Cole ein Guardian war. Zumindest, dass etwas ganz gewaltig nicht stimmte. Doch ich hatte mich von seinem Charme beeinflussen lassen und viel zu schnell das bisschen Misstrauen, welches mich am Anfang in seiner Gegenwart begleitet hatte, fallen lassen. Ich hatte mich damals schon gefragt, warum er ausgerechnet mit mir das Uniprojekt machen wollte. Wieso war ich der Frage nicht auf den Grund gegangen?

Irgendwie hatte ich mich an die Hoffnung geklammert, dass er sich tatsächlich für mich interessierte. Wie naiv war ich bitte gewesen? Ich hätte seine Stimme von der Nacht, in der Connor von Jacob angegriffen worden war, wiedererkennen müssen. Ich hätte mir denken können, dass etwas nicht stimmte, ich hätte besser aufpassen müssen. Doch trotzdem wusste ich, dass ich ohne einen Hinweis niemals darauf gekommen wäre, dass Cole ein Guardian war.

Cole war ein Guardian... Er arbeitete Seite an Seite mit dem Typen, der Connor zusammengeschlagen hatte. Er war einer der Kerle, die mein Dad und seine Kollegen suchten. Er gehörte zu der Gruppe, welche Angst und Schrecken in der Stadt verbreitete. Doch trotzdem brachte ich es nicht über mich, ihn zu verraten.

Die Pflanzen verschwammen vor meinen Augen, bis ich sie frustriert schloss. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und ich lauschte dem schnellen Pochen in meiner Brust.

Wann noch? Fieberhaft durchforstete ich meine Erinnerungen nach weiteren Indizien, dass es Cole nie um mich gegangen war, sondern um etwas anderes. Doch was war der ausschlaggebende Grund für sein plötzliches Interesse an mir gewesen? Wieso hatte er mich genau an jenem Freitag gefragt, ob wir das Projekt zusammen machen wollten?

Nobody Gotta Know | ✓Where stories live. Discover now