S i e b z e h n

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(Kursiv = Rückblick)
~ Linn ~

"Ich muss... Ich muss mit euch reden."

Papa ließ meine Hand los und auch Mama entließ mich aus der Umarmung. Bisher ist es noch nie vorgekommen, dass ich mich unkontrolliert verwandelt habe, weswegen alle erst einmal im großen Schock waren.
"Warte noch kurz, Kleines.", sagte Mama unsicher und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Sie rannte zu einem Umzugskarton und wühlte etwas darin rum, schließlich zog sie einen Lavendel-Lufterfrischer heraus. Papa reichte ihr eine der Taschenlampen, die ich gerade von den Nachbarn mitgenommen habe und sie betätigte den einen Knopf  am Lufterfrischer und ging mit dem Duft einmal durch das ganze Haus, sogar vor die Haustür. Inzwischen war ich schon mit Papa aufgestanden und ließ mich im Wohnzimmer auf dem einem dunkelbraunen Stoffsofa nieder. 

"Linn. Was ist los mit dir?", fragte Mama kleinlaut, als sie fertig war und setzte sich auf das Sofa gegenüber von mir, neben Papa. Sie haben auf dem Couchtisch ein paar Kerzen angezündet und auch Papas LED-Lampe spendierte uns in diesem dunklen Raum Licht.

"Ich war gestern Abend noch im Wald...", fing ich mit einer, vom Weinen, angeschlagenen Stimme an. "... auf einmal habe ich ein schmerzhaftes Heulen gehört." Ich griff zu einem Taschentuch, das Mama vor mir auf den Couchtisch abgelegt hatte. Sie hatte Papas Hand ergriffen und es schien nicht so aus, als ob sie sie bald wieder loslassen würde. Papa folgte nur mechanisch jedem Wort und jeder Bewegung von mir. "Wie ferngesteuert bin ich sofort dorthin gelaufen und da war eine Wölfin in einer alten Bärenfalle." Schnell putzte ich mir meine Nase, damit ich wieder Luft bekam und sprach weiter: "Es war eine fremde Wölfin. Hellbraun und weißes Fell und blaue Augen. Keine aus unserem Rudel."

"Was hast du dann gemacht?", unterbrach mit Papa ausdruckslos. 
"Ich habe ihr aus der Falle geholfen."
"Und dann?"
"Dann ist noch ein Wof aufgetaucht. Graues Fell und gelbe Augen. Er ist - schätze ich mal - ihr Mate. Nachdem ich ihr aus der Falle geholfen habe, ist er gleich auf sie zugestürmt und hat sie beruhigt und verteidigt."
"Das ist der Punkt wo du gegangen bist, oder?", fragte Papa mit einem zweifelnden Unterton. Das Gefühl der Angst erfüllte das Wohnzimmer.
"Nein.", ich schluchzte wieder auf. "Dann ist noch ein Wolf gekommen."
"Ein dritter Wolf? Linn, du hättest flüchten sollen! Wie sah er aus?", rief Mama überrascht. Tränen bildeten sich wieder in meinen Augen. "Er war perfekt.", flüsterte ich schließlich und zog meine Knie an mich. Krampfhaft schloss ich die Augen und ging den letzten Abend noch einmal im Kopf durch.
Papa spannte sich an und lehnte sich nach vorne. "Linn. Wovon redest du?" Er wusste genau, wovon ich redete. Wir alle wussten es, doch keiner wollte es so wirklich wahr haben.
"Ich glaube er ist es. Meine Wölfin hat Luftsprünge gemacht, wo er aufgetaucht ist. In mir machte sich so eine schöne, wohlige Wärme breit. Es war... er war magisch.", sagte ich schüchtern und ließ meinen Blick stur auf einer Kerze. 
"Linn." Papa hatte Angst in seiner Stimme. Verständlicherweise. Ich war verloren.
"Er ist es, Papa. Er ist mein Mate. Mein Seelenverwandter ist ein Wolf mit tiefschwarzen, weichen Fell und verzauberten, meeresblauen Augen und er riecht so schön nach Tiefwald, Moos und brennendem Feuerholz.", sagte ich langsam und vorsichtig, während ich ihn direkt in die Augen blickte.

Papa sprang verzweifelt auf und fing an sich die Haare zu raufen. Mama saß tragisch auf dem Sofa und wusste nicht, was sie mit sich machen sollte. Währenddessen weinte ich wieder. Die Situation war zum Durchdrehen.

"Das ist ja noch nicht einmal das Schlimmste.", brachte ich zittrig noch irgendwie heraus. Papa versteinerte sich und Mama stürmte bleich auf mich zu. Etwas grob packte sie mich an den Schultern und untersuchte meinen Hals. Als sie nichts vorfand, atmete sie erleichtert aus. 
"Was kommt denn jetzt noch?" Mama sah mich panisch an.
"Ich weiß nicht wer er ist."
"Das ist doch einmal eine gute Nachricht." Papa verschränkte seine Hände hinter seinem Nacken und ausatmend sah zu mir. Entgeistert blickte ich zu ihm hoch.

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