F ü n f z i g

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~ Linn ~

Mit einem bösen Grinsen half er mir vom Boden auf.
"Was willst du wirklich, Jason?", wiederholte ich ernst. Hilfsbereit hob er meine Tasche hoch und reichte sie mir.
"Fangen wir es doch so an: Ich will nicht, dass du meinem besten Freund schadest." Irgendetwas an seiner Aussage verpasste mich mehrere Stiche in meine Lunge. Betroffen atmete ich aus. Ich habe bei meinem ganzen Stress nicht einmal bemerkt, dass ich Noah geschadet hatte. Ich meine, ja es war logisch... ach.

"Lass irgendwo in Ruhe reden.", meinte Jason dann gutgelaunt und ging voran. Nachdenklich verharrte ich noch an der Stelle.
"Ich bin in keiner körperlich guten Verfassung um dich zu tragen, Linn!", rief er nach einer Weile, in der ich mich nicht vom Platz bewegt hatte. Ich gab mir schließlich doch einen Ruck und lief ihm nach.
Schweigend kamen wir nach wenigen Minuten in der Siedlung an, genau bei den Häusern von Amy und Jason.
"Meine Mutter ist nicht zuhause und Amy hat ihr Wahlpflichtfach, also ist es sicher.", sprach er mir zu und schloss die Haustür auf.

Widerwillig trat ich ein. Ich war davor schon einmal hier bei Jason. An dem Tag, an dem uns Noah zum Driveway gefahren hat, aber das Haus hatte ich damals nicht wirklich betreten. Gegenüber der Tür befanden sich sofort die Stufen, die in das Obergeschoss führen. Links war ein kleines Wohnzimmer und am Ende des Flurs, der sich neben den Stufen befindet, war eine relativ große Küche. Unter den Stufen befand sich auch ein kleines Bad. 
"Willst du im Wohnzimmer bleiben oder hoch in mein Zimmer?", fragte Jason und lehnte sich gelassen an das Geländer der Stufen.

Ich überlegte einen Moment, obwohl es nichts zum Überlegen gab. Ganz sicher werde ich jetzt nicht mit ihm in sein Zimmer gehen, wenn keine anderen Personen in der Nähe sind. Jason weiß wer ich bin, er hat es die ganze Zeit gewusst und um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung wer er ist. Ich kann ja nicht einmal richtig deuten, welche Werwolfskraft er hat. Klar hatte er Eigenschaften, die auf Lügendetektoren hinweist, aber er verhielt sich komisch dabei. Amy ist ganz bestimmt seine Seelenverwandte und von dem was ich gesehen hat, kann sie Auren lesen. In welchem Ausmaß ist noch nicht bekannt.

"Okay, dann Küche.", beschloss er und ließ mich im Flur stehen. Ausatmend folgte ich ihm in die Küche.
"Hast du Hunger? Ich kann uns etwas bestellen.", schlug er vor und sah mich direkt an. Genüsslich verzog er jeine Miene. "Jetzt wäre es echt blöd zu schweigen, Linn."
"Ja.", seufzte ich auf und er bestellte über einen Lieferservice Essen. Unsicher ließ ich mich auf einen Stuhl fallen und stemmte die Knie gegen den Tisch. Eine komische Anspannung verbreitete sich in der Luft. Wer sollte zuerst reden? Ich oder er?

"Wenn du es die ganze Zeit gewusst hast, warum hast du nichts gesagt?", fragte ich schließlich flüsternd und haftete unsicher die Augen auf den Tisch.
"Ich war mir nicht ganz sicher. Du warst mir von Anfang an so mysteriös."
"Und jetzt hast du den Beweis.", meinte ich aufstöhnend. Erschöpft fiel mein Kopf in den Nacken und starrte die Decke an. Mann, war ich dumm.
"Hör mal, Linn." Ruhig drehte sich Jason einen Stuhl so zurecht, dass er zu mir schauen konnte. "Ich glaube dir, dass du viele Probleme hast, aber du musst das alles mal aus dir rauslassen. Du staust dir zu viel auf." Müde drehte ich meinen Kopf zu ihm. Seine grauen Augen brannten sich in mein Gedächtnis. Nachdenklich biss ich auf meine Unterlippe. Ich habe mein ganzes Leben lang schon alles in mich aufgenommen. Auch von anderen und es hat schin einmal fast zu meinem Untergang geführt.
"Du hast recht.", flüsterte ich leise. Die Paranoia woher Jason das alles wissen konnte, musste ich unterdrücken. Ich war sicher. Er kann nie davon erfahren haben.
"Natürlich habe ich das.", lachte er selbstsicher auf. 

"Weißt du...", fing er daraufhin an und behielt mich noch immer im Auge. "...meine Eltern waren für mich immer die perfekten Seelenverwandten. Sie haben all dieses kitschige Zeug gemacht, wie die Sätze des anderen zu vervollständigen und so. Ich war ein Wunschkind, aber bei meinem Vater hat sich nach meiner Geburt irgendetwas geändert. Er hat sich angeblich immer mehr in die Arbeit gestürzt und mich und meine Mutter vernachlässigt. Als ich zwei Jahre alt war, tischte er uns billige Lügen über eine Geschäftsreise auf, wie sonst auch. Nur..." In seinen Augen lag so viel Schmerz, dass ich mich mitleidig auf dem Stuhl aufrichtete und mich ihm zu wand. Mein Fußkettchen fühlte sich plötzlich um Tonnen schwerer. "...sagte ich an diesem Tag mein erstes Wort und zwar ihm mitten ins Gesicht. Es war 'Lüge'." Er kicherte kurz bitter auf. "Okay nicht ganz 'Lüge' aber 'Lugi'. Man hat es aber halb verstanden. Meine Mutter war geschockt und hat anfangs gedacht, dass ich das zu oft im Fernsehen gehört habe oder so. Sie hat sich nicht viel dabei gedacht, die nächsten paar Jahre danach auch nicht. Als ich zehn war und er wieder eine längere Geschäftsreise geplant hatte, fragte ich ihn genau nach den Plänen. Er erzählte uns seinen ganzen Zeitplan, jeder Tag war auf das genauste durchgeplant. Meiner Mutter hat das alles gepasst, aber mir nicht. Ich habe ihm zugehört und jede einzelne Lüge herausgefischt und notiert. Nach starker Überzeugungskraft hat meine Mutter einen Privatdetektiv beauftragt ihm zu folgen. Weißt du, was danach passiert ist?"

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