D r e i u n d d r e i ß i g

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~ Linn ~

Er sah schon echt heiß aus, als er so ohne T-Shirt vor mir stand. Und dann noch das mit dem Kleid. Merkte er eigentlich, wie stark er nach seinem Wolf riecht? Und dass er mich damit um den Verstand bringt? War ihm das alles so egal?
In mir schleicht der Gedanke herum, dass er das mit Absicht macht. Entweder er weiß, dass ich seine Mate bin und es macht ihm nichts mehr aus, oder er weiß es nicht und glaubt, dass ich nichts bemerke. In beiden Fällen scheint er kaum echtes Interesse an mir zu zeigen.

"Linn?" Leise sah ich zu Noah hinauf. "Bist du noch da?", fragte er grinsend, während er geschmeidig auf den Stuhl glitt.
"Ehm..ja?"
"Du sahst gedankenverloren aus.", meinte er dann.
"Ich hab nur nachgedacht.", sprach ich ausatmend und griff zum Löffel, den er mir hingestreckt hatte.
"Sah wichtig aus." Ich murmelte zustimmend irgendwas und fing an vom Obstjoghurt zu essen.

Schweigend aßen wir gemeinsam, bis Noahs Hand anfing unkontrolliert zu zittern. Er ließ den Löffel fallen und stand aufgebracht auf. Hektisch lief er in der Küche auf und ab. Was war denn jetzt los?
Besorgt stand ich auf und ging auf ihn zu. War das sein Wolf? Hatte er etwa auch so einen machtbesessenen Wolf wie ich?
"Mensch, Noah. Bleib stehen. Du machst mich nervös."
"Lass mich einfach in Ruhe!", warf er mir murmelnd entgegen. Gestresst packte ich ihn an den Schultern und brachte ihn zum Stehenbleiben. Eine Gänsehaut griff von ihm auf mich über. Etwas stimmte mit ihm nicht. Sein Wolf strahlte Chaos aus.
"Was ist los?", fragte ich ihn eindringlich. Seine blauen Augen sahen nur traurig durch mich durch, während in mir die Sorge weiter anstieg.
"Linn-", fing er seufzend an.
"Wenn es keine Erklärung für das ist, dann will ich es nicht hören.", unterbrach ich ihn streng. Ich weiß nicht, warum ich so sehr darauf beharrte ihm zu helfen. Einerseits war er ein Freund und mein Seelenverwandter. Andererseits hatte er unheimlich viel Trauer und Angst in seinen Augen, die ich ihm am liebsten genommen hätte, aber nicht mehr konnte. Als er nichts sagte, wurde ich misstrauisch.
"Deine Augen sehen so aus, als würden sie gleich zerbrechen. Warum hast du so viele negative Gefühle?", hauchte ich tonlos meinen Gedanken.
"Meine Augen?"
Jetzt erst verstand ich was ich zu ihm gesagt habe. Mit hochroten Wangen wollte ich mich von ihm wegdrehen, aber er hielt mich zurück und umarmte mich plötzlich. Meine eigene Wölfin verfiel in einem Fangirlalarm. Sein Duft nahm mich unnormal in Beschlag.
"Ich hab das Gefühl, dass du die Einzige bist, die mich wirklich versteht.", flüsterte er mir leise ins Ohr. "Ehrlich gesagt macht es mir Angst.", redete er weiter. Eine weitere, angenehme Gänsehaut durchfuhr mich. "Aber du beruhigst mich auch.", vollendete er seinen Satz und ließ mich los.
"Noah...", fing ich ausatmend an.

"Du bist eher eine gute Freundin... Ich will nichts liebestechnisches von dir, Linn." Das waren seine Worte von gestern. Die harte Realität prügelte auf mich ein. Ich war schon halb abgewiesen.

"Wir sind doch Freunde.", vervollständigte ich mit einem aufgesetzten Lächeln. Der Gedanke daran verpasste mir einen Stich im Herzen. "Ich merk doch, dass es dir nicht gut geht, also was ist los?"
Niedergeschlagen setzte er sich wieder und ich blieb vor ihm stehen. Seine Hände hatten schwach meine umgriffen. Soetwas tat man doch nicht mit 'Freunden', schoss mir hysterisch in den Kopf! Verhält er sich Freunden gegenüber immer so?
"Ich hatte einen irren Albtraum und er verfolgt mich... Er war so real... Das Schlimmste daran ist, dass es wirklich passieren könnte." Noah hatte einen ausdrucksstarken Charakter, aber so wie er gerade vor mir saß, wirkte er verletzlich und gebrochen.
"Warst du gestern bei Jason? Hat er dir auch Horrorgeschichten eingeflößt?", fragte ich mit einem halbherzigen Aufmunterungsversuch. Noah fing an zu Lachen und blickte mich dann grinsend an. Nach und nach verging dies aber wieder.
"Ich hab geträumt, dass ich alle, die mir wichtig sind, umgebracht habe. Schon fast zerfleischt.", sagte er ruhig und ließ mich nicht aus den Augen.
Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter, bei dem  ich unweigerlich an die roten Augen und an das Geräusch des durchtrennten Knochen zurückdenken musste. Wie konnte Noah das alles gewesen sein?

ᴡᴇʀ ᴠᴏɴ ᴜɴꜱ ʜᴀᴛ ᴀɴɢꜱᴛ ᴠᴏʀ ᴅᴇᴍ ʙᴏ̈ꜱᴇɴ ᴡᴏʟғ? ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt