S e c h s u n d v i e r z i g

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< Noah >

"Unsere Scheinbeziehung wirkt ziemlich ernst.", sprach ich meinen Gedanken lachend aus. Linn erbleichte schlagartig.
"Was meinst du?", flüsterte sie zitternd.
"Weil ich ja vorhin deinen Freund gespielt habe.", erklärte ich unsicher und wandte den Blick ab.

Ich schüttelte den Gedanken weg. Linn ist für mich unerreichbar. Meine Mate sollte die einzige für mich sein. Sollte. Warum fühlte sie sich dann zweitrangig an? Wahrscheinlich bilde ich mir nur Gefühle ein, wenn sie nicht bei mir ist.
Jonas hatte recht. Nachdem ich meine Mate getroffen habe, habe ich meine Gefühle gleich auf die nächste Person projeziert. Diese Person ist Linn. Weil sie dann plötzlich mitten in meinem Zentrum war, als ich meine Mate getroffen habe. Warum musste sie auch ausgerechnet zu dem Zeitpunkt umziehen?
Aber Linn kann keine Werwölfin sein. Sie passt einfach nicht in mein Leben. Sie kann es nicht.
Mein Kopf und mein Bauch schmerzten darüber nachzudenken.

Linn sah noch immer fragend zu mir hoch. "Ich war nur etwas gedankenverloren. Sorry." Linn nickte angespannt und setzte sich auf.
"Wir bleiben Freunde, oder?", fragte sie leise und stand wackelig auf. Ihre Knie gaben beinahe nach. Ein gequälter Ausdruck machte sich auf ihren Gesicht breit, als sie mich besorgt musterte.Ich lächelte. Sie war trotz unseres ganzen Verhaltens, doch noch lieb und nett.
"Klar." Ich stand auf und ging mit Linn auf mein Auto zu. Sie hatte sich noch mehr in meiner Jacke eingekuschelt. Es war aber auch kühl, immerhin war Ende August.

"Wann hast du eigentlich Geburtstag?", fragte ich urplötzlich, als wir beim Wagen ankamen.
"Oktober." Verwirrt sah sie mit einer hochgehobenen Augenbraue zu mir.
"Das sagt mir jetzt viel, Linn!", warf ich ihr sarkastisch zu.
Sie schüttelte schmunzelnd den Kopf. "Am 10. Oktober."
"10.10.?" Ein Lacher entfuhr mir. Jason und seine blöde 10-Finger Theorie.
"Ja, warum?"
"Nur so. Mir schwebt da ein perfektes Geschenk im Kopf herum.", berichtete ich ihr grinsend. Ihr Geschenk stand schon fest und davon konnte man mich nicht abbringen.
"Du hast im April Geburtstag, oder?", richtete sie sich fragend an mich, als wir im Auto saßen und uns anschnallten.
"Am 1.", ergänzte ich strahlend. Jonas scherzt immer damit, dass ich der Joke der Familie bin oder lächerlich sei. Mama musterte ihn dann immer richtig verstört und Papa brachte jedes Jahr den Witz, dass er meinen Geburtstag vergessen hat.

Linn schnallte sich an und sah sehnsüchtlich nach hinten.
"Ich wünschte ich könnte auch so ruhig und ausgelassen schlafen, wie die beiden.", meinte sie traurig, fast schon wegmütig.
Jason hatte den Kopf gegen die Nackenstütze hinter sich gelehnt. Amy lag schon fast quer über der Rückbank und hatte ihren Kopf auf Jasons Schulter abgestützt, irgendwie hatte er es auch geschafft einen Arm um ihre Schulter zu legen und sie an sich zu ziehen. Die beiden sind - ob sie es wollen oder nicht - Seelenverwandte! Augenscheinlich passen sie perfekt. Sie können sich glücklich schätzen sich in der gegenseitigen Nähe zu haben und zu kennen. Sie konnten sowohl sich, als auch ihre Gerüche zu jeder Zeit wahrnehmen. Sie könnten sich auch jederzeit versöhnen und zusammenkommen, da beide auf keinen Fall abgeneigt von einander sind.
Ich hingegen leide stündlich, aber irgendwie vergehen diese Schmerzen, wenn Linn in meiner Nähe ist. Blöde Projektion. Vielleicht sollte ich mal zum Psychologen. Oder mit Mama reden.
"Jason und Amy haben gegessen und sie werden chauffiert. Die beiden sind wie Babys, wenn man alle Bedürfnisse stillt, sind sie ruhig.", rutschte mir trocken heraus.
Linn schnaubte lächelnd und ich fuhr los.

Als wir in Blumstadt angekommen waren, sprach Linn wieder. "Es tut mir leid, dass ich heute wieder geweint habe. Es hat mich übernommen." Verwirrt schielte ich hinüber, wo sie sich schüchtern auf die Lippe biss und wie schon die ganze Zeit aus dem Fenster blickte.
"Wenn du so weitermachst, wird deine Lippe bluten." Ich rede aus Erfahrung. Jonas hat mich mal, während ich einen losen Milchzahn hatte und mir auf die Lippen gebissen habe, die Stufen hinabgestoßen.
"Oh." Linn richtete sich schluckend auf.
"Aber es muss dir nicht leid tun. Wir haben beide schwere Zeiten und schwache Momente." Linn sah mich forschend an. Mir fiel die Nacht im Wald wieder ein, als mich der Albtraum traumatisierte. Mein erster Zusammenbruch nach einem blöden, dummen Traum.

ᴡᴇʀ ᴠᴏɴ ᴜɴꜱ ʜᴀᴛ ᴀɴɢꜱᴛ ᴠᴏʀ ᴅᴇᴍ ʙᴏ̈ꜱᴇɴ ᴡᴏʟғ? ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt