R.1_Schattendasein

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Als Tartara jünger gewesen war, hatte sie oft im ›Nordstern‹ gelesen

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Als Tartara jünger gewesen war, hatte sie oft im ›Nordstern‹ gelesen. Die Legenden des Südens hatten es ihr angetan, denn sie waren oft in eine Geschichte verwoben gewesen und sie hatte die Sichtweise auf den Norden geliebt, den unzählige Seefahrer aufsuchten, denn er versprach Gold und Ruhm. Tartara, die auf Leyte und somit im unteren Norden lebte, hatte sich immer vorgestellt, wie in ihrer Heimat all jene Figuren ankamen, von denen die Legenden handelten, wie sie mit sagenumwobenem Schiff in den Hafen einfuhren und dann in einer der Spelunken einkehrten.

So sehr sie auch die Entdecker, Helden und Ganoven geliebt hatte, ihr Herz hatte sich immer danach gezehrt, einen Gott zu treffen, der auf Erden wandelte. Einen Gott, der ebenfalls in jenem Sagenbuch auftauchte. Einen Gott, der ihr Herz vor Aufregung flattern ließ und dessen elysische Präsenz sich fest und auf ewig in ihre Erinnerungen brennen würde.

Als sie jetzt vor einer Gottheit stand, fühlte sie nichts dergleichen.

Ihr war schlecht und schwindelig, als sie aufstand.

Keine Göttin, keine Hilfe, keine Erlösung vom Urozean. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Die Reise durch das Meer, die Suche auf der Insel... Sie hatten so viel Zeit verloren, während sie ein Ziel zu erreichen versucht hatten, das für sie nicht von Bedeutung war. Manannan konnte ihnen nicht helfen.

»Was ist mit dir passiert?«, hauchte sie, als sie sich an das Bild erinnerte, das Kip ihr in den Tiefen der Meere gezeigt hatte.

Die Augen der Göttin strahlten nicht gütig wie in jenem Abbild, sie flatterten wild wie ein ängstlicher Vogel. Sie sah aus wie jemand, der lange Zeit gefangen war und sich nie davon erholen konnte, weil die Schrecken der Vergangenheit sie auf jedem ihrer Schritte verfolgten. Sie blickte umher und sah die Welt als etwas, das Wirklichkeit sein könnte, wenn ihre Gedanken sie nicht noch an einem anderen Ort festhielt. Tartaras Herz blutete. Was hatte Manannan nur durchgemacht?

Etwas in Manannan zerbrach. Man konnte es in ihrem Ausdruck erkennen, als sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen

»Mein Wasser...«, wisperte sie und ließ ihren Blick über den Ozean wandern. Langsam und andächtig trat sie näher an das Wasser heran, sodass einige Wellen an ihren Füßen leckten. Sie erlaubte sich nicht, sich niederzuknien und ihre Hände über die Gischt streifen zu lassen. Steif stand sie da und schien all ihren Stolz herunterzuschlucken. »Ich kann es nicht mehr fühlen.«

Es bestätigte sich, was Tartara schon seit dem Moment, als die Göttin aus dem Wasser gestiegen war, geahnt hatte. Manannan war kaum mehr eine Hülle der Göttin, die sie einst gewesen war.

Obwohl die Frau aus dem Meer sichtlich in ihren Grundfesten erschüttert war, drehte sie sich zu Kip und Tartara um und aus ihren Augen wich ein Stückchen der Hoffnungslosigkeit. Lange verweilte ihr Blick auf Kip, der, noch immer im Sand kniend, ziemlich überwältigt von der Gesamtsituation aussah und der seine Schöpferin mit einer Mischung aus Unglaube und endlosem Respekt ansah. Dann wanderte Manannans Blick zu Tartara weiter.

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