Aushilfe

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Überrascht starrt die junge Frau in den Spiegel beim Friseur. Der Kiefer ist leicht nach unten geklappt und die Augen groß. „Und? Was sagst du?" Roman zeigt ihr auch mit einem zweiten Spiegel die Rückseite und schmunzelt. Er kennt sie gut genug um zu wissen dass das kein negatives Starren ist. „Wow!" Aus den schulterlangen Haaren wurde eine sportliche Kurzhaarfrisur, wobei die Haare nun gerade noch so an die Ohren heranreichen und der Undercut ein wenig zu sehen ist. „Ein wenig mehr Spice, wenn du es so haben willst. Ein bisschen mehr Aufregung. Glamour!" Ja, wenn er in seinem Element ist, dann wird er ein wenig exzentrisch. Davon hat ihre Mutter eigentlich geredet. „Ich liebe es, danke!" Roman dreht sie auf dem Drehstuhl zu sich und nickt. „Du kannst deinem Patenonkel immer trauen, mein Goldstück." Woher er eigentlich dem Spitznamen hergekommen ist, das weiß keiner. Seine Reaktion als ihn ihr Vater einmal darauf angeredet hat? ‚Soll ich sie Kupferrohr nennen, oder wie?!' Das wird übrigens bis heute gefeiert. Ihr Blick geht kurz nach draußen und dann zu ihrem Onkel. „Eine Frage." Er nickt und packt den Spiegel wieder an seinen eigentlichen Bestimmungsort. „Ich meine... du musstest eh weg von hier und mich abholen. Und es schüttet ja immer noch! Wie wäre es wenn ich hier ein wenig helfe? Ich kann keine Kasse oder so machen, aber die Haare wegkehren, den Leuten etwas zu trinken bringen..." Roman seufzt, sieht sich aber in seiner Räumlichkeit um. Tatsächlich sind sie heute ein wenig knapp besetzt und einiges kann man nicht machen da der Zeitplan straff ist und die Leute ihre Termine haben. „Meinst du das ernst?" Sie nickt und steht schon auf, vergisst dabei aber nur den schwarzen Umhang den man für jeden Haarschnitt bekommt und schmeißt die Haare einfach so auf den Boden, welche aber nur neben den anderen landen. „Klar! Ich bin heute das Mädchen vom Dienst!" Dankbar befreit Roman sie aus dem stoffernen Gefängnis und zeigt ihr alles. Wo der Besen ist, wo die Haare hinkommen, wie die Maschine funktioniert und schon ist er wieder auf dem Sprung zum nächsten Kunden der kommt. Sie schreibt nur ein kurzes: ‚Helfe meinem Onkel, Achtung Schmierzettel!' auf ihren Unterarm und denkt sich ein System aus. Jedem Platz mit Kunden gibt sie eine Nummer, welche sie sich aufschreibt und dahinter wird das kommen was gebraucht wird wenn sie etwas wollen. Den Besen schwingt sie so gut es geht und hält somit die Arbeitsfläche für die Friseure sauber. Auch liegen gelassene Zeitschriften werden aufgeräumt und sie kommt mit der ein oder anderen Person ins Gespräch, die zum Beispiel darauf wartet dass Farbe einwirkt oder die Lockenwickler raus können. Mit ihrer guten Laune und dem gewagten Schnitt den ihr ihr Onkel verpasst hat, ist sie relativ schnell hier akzeptiert und wird von den anderen hier arbeitenden nicht nur als Hilfe, sondern als Mitglied des Salons angesehen. Wenn jemand etwas will, schreibt sie sich das auf und macht es an der Maschine. Cappuccino, normaler Kaffee, Milchkaffee oder Latte Macchiato... alles was das Maschinchen eben so von sich geben kann.

Oh? Sie hilft ihrem Onkel? Nette Geste, wenn man das so nimmt. Alexander sieht nur kurz zwischen seiner aktuellen Mission und der Predigt auf den Unterarm und weiß gar nichts von der verregneten Wanderung. Aber wenn man eins und eins zusammenzählt, dann wird sie wohl bei ihrem Onkel in Deutschland unterkommen sein um sich einen Teil der Kosten zu sparen. Keine schlechte Idee! Seine Seelenverwandte ist eine schlaue Frau, dass muss er zugeben. „Schon etwas Neues von Eurer Seelenverwandten?" Der Papst ist und bleib ein wenig neugierig was seine Leute angeht. Vor allem als er gehört hatte dass sein Pater eine eigentlich relativ aktive Seelenverwandte hat, hat er selbst ein Interesse daran entwickelt und sich auf dem Laufenden gehalten. „Ja, Eurer Eminenz. Sie scheint auf Reisen zu sein und im Augenblick ist sie in Deutschland. Dort ist sie höchstwahrscheinlich bei ihrem Onkel untergekommen dem sie nun hilft." Der Papst nickt zufrieden. „Eine rechtschaffende Frau, sehr gut. Habt Ihr in Betracht gezogen sie zu suchen?" Daraufhin ist Alexander ein wenig abwehrender und schüttelt den Kopf. „Nein, Eure Eminenz. Ich muss meine Konzentration auf Iskariot, die Auslöschung der Ungläubigen und das Waisenhaus richten. Ich könnte es mir nicht leisten hier weg zu gehen um sie zu suchen." Das kann der Papst durchaus verstehen und nickt, während sie durch den lichtdurchfluteten Gang eines der Vatikangebäude gehen. „Aber zu lange solltet Ihr nicht warten, Pater Anderson. Nur weil Ihr keine Zeit habt solltet Ihr Euch davon nicht aufhalten lassen. So wie ich es bisher verstanden habe ist Eure Seelenverwandte ein normaler Mensch." Seufzend stimmt Anderson zu. „Ja, aber ich weiß nicht einmal wie alt sie ist oder wie sie heißt! Und so etwas würde ich lieber in Person fragen." Aber das wird er nicht tun, weil ihn hier zu viel hält. Der Papst sieht sein Problem, kann ihm da aber nicht helfen wenn er nicht selbst aus diesem Teufelskreis ausbricht. „Wann hattet Ihr das letzte Mal Urlaub?" Wann hatte er- „Wenn ich so recht darüber nachdenke..." Alexander sieht nach vorn und muss sein Hirn gerade auf Hochtouren laufen lassen. „Eigentlich noch nie, wieso?" Der wissende Blick seines Gegenübers lässt ihn sofort abwehrend die Arme heben. „Oh nein, Eure Eminenz! Ich werde mir keinen Urlaub nehmen, Gesindel tut dies auch nicht! Ich bin ein Krieger Gottes und wenn dies das Opfer ist..." Kurz stoppt er, denn das ist einfach mies. „Wenn dies das Opfer ist, dann werde ich es bringen." Er schätzt die Treue und Loyalität seines Paters wirklich, aber wird es nicht langsam aber sicher Zeit ein wenig sesshaft zu werden? Wenigstens nur ein klein wenig? „Ich kann und werde Euch zu nichts zwingen, Pater Alexander Anderson. Aber seid Euch sicher dass Ihr meine Unterstützung habt, solltet Ihr diesen Weg dennoch einschlagen wollen." Mit einem Lächeln bedankt er sich und sieht auf den Boden vor sich. Natürlich ist es von Vorteil wenn man Ihre Eminenz im Rücken hat und die Verstärkung ist nicht schlecht! Dennoch muss er eben daran denken dass er lange weg wäre und das will er nicht schon wieder.

A soul for twoWhere stories live. Discover now