~51~ ✔

3.6K 194 27
                                    

»Wir sollten reden«, stand auf meinem Display, als ich in die Sonne hinaustrat. Meine Hände zitterten, mein Herz schien sich nicht beruhigen zu wollen. Noch immer versuchte ich mich zu sammeln. Wie lange wusste Christian es schon? Und warum verschwieg er es mir? Das war nichts, was man einfach vergaß oder mal unter den Tisch fallen ließ. Ich sah zu meinem Wagen und daneben stand Emmi, an der Christian lehnte. Sein Helm auf der Rückbank liegend, von meinem keine Spur. Es war kein guter Moment um zu reden, denn ich war wütend. Wütend, weil ich enttäuscht war. Ein wenig Abstand wäre wohl besser, damit sich dieses Gefühl in mir abbauen konnte, welches sich unbarmherzig in den Vordergrund drängte. Ein Gefühl aus der Vergangenheit, was ich so lange nicht mehr hatte.

»Hey«, meinte ich leicht unterkühlt, als ich vor ihm stand.

»Hey«, seufzte Christian und blickte kurz auf. Er wirkte müde und ihm war bewusst, dass er richtig großen Mist gebaut hatte.

»Ich kann da jetzt nicht drüber reden.« Nein, es wäre so falsch. Ich hatte mich nicht unter Kontrolle.

»Ich wollte nicht, dass du...«

»Ich sagte, ich kann da jetzt nicht drüber reden«, fuhr ich ihn an und wusste selbst, wie falsch es war. Er wollte sich erklären. Mir sagen, warum er es mir verheimlichen wollte. Aber das war gerade nicht wichtig.

»Ich wollte dich nicht so fahren lassen, wollte ich sagen.« Er blieb ruhig. »Lass uns ein bisschen laufen, einfach nur laufen. Du musst nicht mit mir reden.«

Ich war mir nicht mal sicher, ob ich neben ihm herlaufen wollte. Ich wollte schreien, laut. Irgendwas treten.

Ich hatte doch endlich einen Abschluss gefunden. Ohne ein weiteres Wort lief ich an Christian vorbei, öffnete mein Auto und setzte mich hinein. Ich war sicher nicht so verrückt direkt loszufahren, aber ich musste allein sein. Obwohl es ihm zuzutrauen gewesen wäre einfach einzusteigen, blieb er vor dem Wagen stehen, machte keine Anstalten die andere Tür zu öffnen, mich zu bitten nicht zu fahren.

Mit geschlossenen Augen legte ich den Kopf in die Nackenstütze, versuchte tief durchzuatmen und die Worte des Beamten zu verarbeiten. Diese Worte hatten so viele Fragen aufgeworfen, jene, die ich mir vorher nie stellte, weil ich mich nicht damit beschäftigen wollte. Ich spürte die Tränen, die meine Wangen hinunterliefen, heiß auf meiner Haut brannten, ehe ich wütend auf das Lenkrad mit flachen Händen einschlug. Und Christian stand einfach da, vor meinem Wagen und ließ diesen Ausbruch zu, griff nicht ein.

Das ich mit vielen Altlasten zu kämpfen hatte, war kein Geheimnis mehr. Nicht, nachdem Matt hier aufgetaucht und mein Leben erneut aus der Bahn warf. Wie sehr er jedoch mein Leben selbst hier noch bestimmte, konnte ich mir nicht mal vorstellen. Christian stand weiter vor dem Wagen. Ich hatte ihn um Raum gebeten, er gab ihn mir. Hatte nicht versucht, mir zu erzählen, dass die Welt jetzt wieder besser werden würde. Das jetzt alles gut werden würde. Er schien gewusst zu haben, dass dieser Moment unausweichlich war.

Die Tränen versiegten und mein Herzschlag begann sich zu normalisieren. Es kehrte etwas Ruhe in mir ein. Ich öffnete die Scheibe auf der Beifahrerseite, was ihn dazu brachte, sich zu mir umzudrehen.

»Ich fahre.«

Er nickte, griff nach seinem Helm und deutete mir an, dass er hinter mir herfahren würde. Sichergehen, dass ich am Campus ankam. Dachte ich, ich könnte die Vergangenheit hinter mir lassen, musste ich mir eingestehen, dass das nicht der Fall war. Mit meiner Flucht nach Boston unterdrückte ich so vieles nur, was nun wieder an die Oberfläche kam.

Ich verkroch mich auf mein Zimmer, bis zur Probe, die Fiona heute reinschieben musste. Mir war nach allem, nur nicht danach mit einer Fahne über das Footballfeld zu marschieren. Dennoch tat ich es und schenkte den anderen ein aufgesetztes Lächeln. Immerhin sah man meinem Gesicht nicht mehr an, wie viel ich geweint hatte. Das grelle Flutlicht des Stadions blendete mich dennoch, während wir am Rand standen und den Cheerleadern bei ihrem Probelauf zusahen. Fiona bestand darauf, dass wir die ganze Show einmal durchgehen sollten. Charlotte, die mich giftig musterte, konnte ich dann doch ganz gut ausblenden. Immerhin war das Team nicht hier, so dass das unweigerliche Gespräch noch in weiter Ferne war. Doch, ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, ertönten die ersten Klänge von Viva La Vida und Henry Chole begann zu singen. Er und Fiona teilten sich die Songs auf. Ihre Stimme kurz darauf über die Stadionanlage zu hören, war so anders als auf all den Partys.

by your sideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt