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Die Nacht war lang, denn ich konnte die Augen kaum schließen. Wenn ich es tat, sah ich immer noch diesen einen Moment vor mir, in dem ich irgendwo zwischen totaler Verzweiflung und absoluter Hilflosigkeit gefangen war. Es spielte sich immer wieder vor mir ab, wie ein Film auf Endlosschleife. Immer und immer und immer wieder.

Es war ruhig auf dem Flur und ich überlegte einen Moment, ob ich Ben noch Bescheid sagen sollte, dass sein Mitbewohner in der Nacht nicht nach Hause kommen würde. Unsicher lief ich im Flur auf und ab, bis ich mich tatsächlich aufraffen konnte, bei Ben zu klopfen. Wie sah das nun wieder aus? Ich stand hier, mit meinem Verband an der Hand und wollte mitten in der Nacht Ben Parker erklären, dass Christian einen Unfall hatte und ausgerechnet ich ihn gefunden hatte? Das wirkte mehr als verrückt. Bei unserer Vergangenheit wäre es möglich, dass Ben glaubte, ich hätte Christian angefahren, weil er mich wieder genervt hatte. Unsicher trat ich von einem auf das andere Bein, aber es passierte nichts. Entweder hatte Ben Parker den Schlaf eines in Winterschlaf gefallenen Braunbären oder er war schlicht und ergreifend nicht da. Ich wartete noch einen kleinen Moment zur Sicherheit, ehe ich mich in ein Zimmer schlich. Fiona war nicht da, ein Zettel auf dem Boden erklärte mir, dass sie bei Blaine war. Auch gut, dann hatte ich zumindest meine Ruhe. Aber diese fand ich nicht. Ich warf mich von links, nach rechts und wieder zurück. Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass bald die Sonne aufgehen würde und ich mich tatsächlich die halbe Nacht hin und her geworfen hatte, wegen Christian. Wäre die Lage nicht so ernst, hätte ich bitter aufgelacht. Nein, ich lachte bitter auf. Er hatte es geschafft, dass ich mir Sorgen um ihn machte. Hätte mir das einer vorgestern gesagt, hätte ich die Person ausgelacht und dann eine Brücke hinab geworfen.

Es half alles nichts. An Schlaf war nicht zu denken, also raffte ich mich auf und entschied mich für etwas, was ich mir selbst in meinen düstersten Vorstellungen nicht hätte zutrauen können. Ich warf mir meine Jacke über, zog mir am Kaffeeautomaten einen furchtbar schmeckenden Instand-Kaffee und machte mich auf den Weg ins Krankenhaus.

Ich konnte über mich selbst nur den Kopf schütteln. War ich doch tatsächlich freiwillig auf dem Weg zu Christian und hatte die minimale Hoffnung, dass diese ganzen Apparate verschwunden waren und er mich gleich dämlich ansehen würde.

Es war doch verrückt. Auf einmal kümmerte es mich, wie es diesem Idioten ging? Wisst ihr, ich meine, es war mir vorher doch auch egal, was er tat... okay, nein, es war mir nicht wirklich egal. Jedenfalls nicht, wenn er die armen unschuldigen Mädchen verarschte.

Würde ich auch so reagieren, wenn ich ihn nicht kennen würde, wenn er ein vollkommen Fremder gewesen wäre? Sicherlich nicht, ich hätte geholfen, oder eher Rick dabei zugesehen und mich dumm angestellt, meine Aussage gemacht und wäre wieder nach Hause gegangen. Vielleicht hätte ich mich noch mal erkundigt, ob der Verletzte es überstanden hätte, aber seien wir ehrlich, ich wäre nicht zu ihm ins Krankenhaus gefahren. Naja, außer ich hätte zufälligerweise das Leben von Chris Pine gerettet. Ja, dann hätte ich das Krankenhaus nicht mal verlassen. Ich weiß, die meisten wollten jetzt Channing Tatum hören, aber sorry, der ist nicht so mein Ding, zu viele Muskeln. Chris Pine hingegen, ja, der ist schon... ich schweife ab. Ich schüttelte kurz den Kopf, über diese wirren Gedanken, die sicher noch wirrer waren, weil ich keine Minute geschlafen hatte und betrat kurz darauf das Krankenhaus. Es fühlte sich an, als wäre ich gar nicht weg gewesen.

Ich traf eine Schwester auf der Station und fragte sie zuerst nach dem Befinden von Christian. Sie sagte es sei alles unverändert und ich könne ruhig einen Moment zu ihm gehen. Ihr Blick verriet mir, dass sich die Sache mit der Freundin immer noch nicht aufgeklärt hatte und ich war ehrlich gesagt nicht in der Verfassung es selbst zu klären. Der Stuhl stand noch in der Nähe des Bettes und so zog ich ihn etwas bei und setzte mich neben ihn. Die Maschinen waren immer noch da und das monotone Piepen wirkte nun nicht mehr so beängstigend, wie es im ersten Moment noch der Fall gewesen war. Nein, es hatte eine beruhigende Wirkung.

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