Kapitel 20: "Ich will nicht, dass du gehst."

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Am nächsten Morgen wachte Poline wunschlos glücklich auf. Sie hatte so gut geschlafen wie schon lange nicht mehr.

Als sie am gestrigen Abend nach Hause kam musste sie sich anstrengen, vor ihren Eltern nicht wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen.

Auch am Morgen war dieses unglaublich schöne Gefühl nicht verschwunden.

Poline bereitete sich also auf einen weiteren langweiligen Schultag vor und hoffte auf einen möglichst ruhigen Tagesablauf ohne tragische Vorkommnisse. Doch in der Schule angekommen fand die schmerzhafte Realität ihren Weg zurück in Polines Gedanken.

Sie dachte daran, dass Lillian ihr die ganze Geschichte mit James nicht glaubte und auch einige der anderen noch zurückhaltend im Umgang mit ihr waren.

Plötzlich fiel ihr auch wieder der Brief ein, den sie erhalten hatte. Was, wenn diese Schulwoche tatsächlich ihre letzte auf dieser Schule und mit ihren Freunden sein würde?

Ihr wurde klar, dass sie schleunigst Frieden mit allen schließen musste. Wenn sie wirklich schon am Montag die Realschule besuchen müsste, und die Chance war nicht gerade gering, würde sie es sich nie verzeihen im Streit mit ihren Freunden auseinandergegangen zu sein.

In der großen Pause setzte sie sich deshalb wieder an ihren gewohnten Platz, statt die Zeit alleine auf dem Schulhof zu verbringen.

Ihre Freunde schauten sie verwundert an. Einige freundlich, andere...weniger freundlich. Poline begann sofort ihr Anliegen zu erklären.

"Ich hab euch vermisst. Ich weiß, die Sache mit dem Abstand zu euch ist mehr oder weniger auf meinem Mist gewachsen, aber ich halte das nicht länger aus. Wir sind doch eine Gruppe. Ich will mich nicht streiten."

Niemand sagte etwas. Die Freude über den Abend mit James, die sie noch kurz zuvor verspürt hatte, schien nun gänzlich vergessen.

Tränen der Verzweiflung sammelten sich in Polines Augen.

"Mir ist es sowas von egal, ob ihr mir glaubt oder nicht. Ich will einfach nur, dass alles wieder so normal wie möglich wird."

Noch immer erhielt sie keine Antwort. Langsam wusste sie nicht mehr weiter.

"Ich habe gestern einen Brief bekommen. Es könnte sein, dass das hier meine letzte Woche an der Schule ist. Die würde ich gerne in Frieden mit meinen Freunden verbringen."

Auf den sie anblickenden Gesichtern breiteten sich Verwunderung und Schock aus. Damit hätte niemand gerechnet.

"Daher weht also der Wind", hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich.

Poline wusste genau, zu wem diese gehörte. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und drehte sich widerwillig um.

"Was soll das bitte heißen, Vince?"

"Naja, du tust das hier, weil du ein schlechtes Gewissen hättest, wenn du nicht alles geklärt hättest bevor du 'nen Abflug machst."

Vincent grinste und Poline hätte ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen. Stattdessen drehte sie sich zurück zu ihren Freunden.

"Ihr wisst, dass das nicht stimmt. Ich will mich einfach nur mit euch vertragen."

Die Stille war erdrückend. Keiner schien zu wissen, was er sagen sollte.

"Sagt doch endlich was, verdammt", rief Poline etwas lauter als beabsichtigt, wodurch die Aufmerksamkeit der Schüler im hinteren Bereich der Mensa mal wieder ihr galt.

Plötzlich stand Lillian auf.

"Ich sehe das so wie Vince. Tut mir echt leid, aber ich kann dir einfach nicht glauben", sagte sie, nahm ihren Rucksack und lief auf Vince zu.

Forbidden Attraction [Old Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt