Kapitel 32: "Wir wollten es langsam angehen. Weißt du noch?"

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In James Wohnung angekommen ließ Poline sich mit dem Kopf nach unten auf das Sofa fallen, während er ihnen einen Tee machte.

Sie hatte noch etwas über eine Stunde Zeit, bis ihr Vater sie wieder abholen würde und hoffte, dass diese genügte, um sich noch ein wenig abzureagieren.

Schon länger wusste sie, dass Vincent ein ekelhafter Typ war, aber, dass er es wirklich so weit durchziehen würde, hätte sie nicht gedacht.

Auf einmal musste sie an Lillian denken.

Sollte sie wissen, was passiert war? Würde sie es überhaupt glauben? Vermutlich nicht.

Vincent würde alles abstreiten und Poline für verrückt erklären. Vielleicht würde er den anderen sogar von dem Vorfall mit James erzählen.  

Was sollte sie bloß tun, falls jemand ihm glauben würde?

Ihr Gedankenkarussell wurde von James unterbrochen, der ihre Tassen auf den Tisch stellte und sich neben Poline setzte. Obwohl er ihr Gesicht nicht sehen konnte, schien er ihren besorgten Blick zu erkennen, zu spüren.

"Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich weiß, ich sage das so einfach, aber du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Wenn die Jungs erstmal fertig mit ihm sind tanzt er aus Angst nach unserer Pfeife. Niemand wird von heute erfahren, es sei denn, du willst das. Und auch dann wird er nicht lügen und zugeben, was er getan hat. Er wird sich vor Angst in die Hose machen, da kannst du dir sicher sein."

Poline hob ihren Kopf und sah James dabei zu, wie er lässig auf der Couch saß und seinen Tee trank. Langsam setzte sie sich auf. Ihre Augen waren durch die Tränen leicht angeschwollen und ihre Wangen gerötet. Sie tat es James gleich und trank einen großen Schluck ihres Tees. Die Tasse weiterhin in der Hand haltend, blickte sie James verzweifelt an.

"Ich weiß trotzdem nicht, was ich machen soll. Meine Freunde würden mich zwar bestimmt irgendwie verstehen und unterstützen, aber sie sind in letzter Zeit so skeptisch...Sie würden bestimmt erstmal fragen, wieso ich überhaupt bei Vincent war und ich hätte keine passende Antwort darauf, die sie mir glauben würden. Ehrlich gesagt finde ich selbst, dass das ziemlich unüberlegt von mir war. Jeder der mich kennt weiß, dass ich ihn nicht leiden kann, vor allem nach dem letzten Vorfall. Und ich bin so dumm und gehe auch noch zu ihm."

"Was das angeht: Wieso hast du das eigentlich gemacht?"

"Ich brauchte jemanden, der wirklich bestätigen konnte, dass ich bei ihm war. Du kennst ja mittlerweile meine skeptischen Eltern."

"Wieso hast du dann nicht deine Freunde..."

"Ja, schon klar, die hätten auch für mich gelogen, aber das war einfach zu riskant. Allein auf die Frage weswegen ich die Lüge brauche hätte ich schon keine Antwort und dann sind ja auch noch die Eltern untereinander befreundet. Das wäre einfach zu schnell aufgeflogen..."

James nickte verständnisvoll, während er die Tasse zurück auf den Tisch stellte. Doch Poline fühlte sich grauenhaft. Erneut stiegen ihr Tränen in die Augen; sie bedeckte sie mit ihren Händen.

"Es tut mir so leid, ich..."

"Du machst dir jetzt bitte keine Vorwürfe mehr", unterbrach er sie bewusst. "Du bist nicht an der Sache Schuld. Er ist es. Niemand sonst."

Diese Worte richtete James nicht nur an Poline, sondern auch an sich selbst. Hätte er es nicht von Anfang an verbockt und wäre vorsichtiger gewesen, hätte sie gar kein "Alibi" für den Nachmittag gebraucht und das alles wäre nicht passiert.

Er musste jetzt stark für sie sein und sie unterstützen, doch zumindest gegenüber sich selbst musste er zugeben, dass er so fühlte und sich die meiste Schuld an den schrecklichen Geschehnissen des Nachmittags gab.

Forbidden Attraction [Old Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt