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'Denk an etwas anderes ... Beam dich weg von hier ... Mach schon', fordere ich mich nun schon zum unzähligen Male auf, dabei meinen immerwährenden Begleiter fest in der Hand haltend. 
'Ok', erwidere ich meiner fordernden Gedankenstimme. 

Und lasse mich so langsam forttragen ... 

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Innerlich extrem hibbelig, nach außen jedoch total gelassen sitze ich in einem mega entspannten kleinen Café. 

An der Theke habe ich mir meine Lieblingscaféspezialität bestellt und mich schräg gegenüber an der Fensterfront mit dem Blick nach draußen hingepflanzt. 

Das Glas in meiner Hand schwenke ich immer wieder hin und her und lasse meine Augen das Geschehen dort draußen betrachten. Ich könnte einfach wegschweifen und gedanklich völlig abdriften, wenn ich nicht die Eiswürfel meines Iced Café Lattes hin und wieder gegen das Glas schlagen lassen würde, die mich daran erinnern, wo ich bin. 

Wie es wohl werden wird? Ein völlig neuer Lebensabschnitt kommt auf mich zu. Es ist so spannend und aufregend. Komplett neue Leute, denen ich begegnen werde. Ob wir die gleichen Interessen teilen? 'Chill mal Jul, eine Leidenschaft habt ihr alle ziemlich sicher gemein'. Die Hingabe zur Gestaltung. Ich hoffe, ich werde schnell Anschluss finden und dass ich nicht die Einzige bin, die dort ohne befreundete Menschleins anfangen wird. Bestimmt kennen sich manche schon. Ach, das wird schon. 

Klirr klirr ... holt es mich wieder zurück. Glücklicherweise. Ich gucke auf meine Uhr. Oh. Ich trinke meinen restlichen Kaffee in einem Zug aus, packe meinen Rucksack beim Aufstehen und ... schleudere dabei alles um. Mist. Ich höre wie alles, was zuvor auf meinem Tisch stand, hinab fällt und die unterschiedlichsten Töne von sich gibt, eins davon bereitet mir das meiste Unbehagen. Das Geräusch des zerbrechenden Glases. Als die Geräuschkulisse hinter mir versagt, wage ich den Blick nach vorne. Geradeaus schauend in die Augen des Mitarbeitenden, durchströmt mich zugleich Erleichterung. Er lächelt und nickt mit seinem Kopf in Richtung Tür, bedeutet mir also, dass ich abhauen kann. Boah, wie nett von ihm, wo ich nun auch echt los sollte. Er bekommt von mir ein dankbares breites Lächeln. 

Vor der Tür atme ich noch einmal tief ein – los geht es – und atme wieder aus. 

Ich überquere die Straße, schaue danach noch einmal hinter mich hinüber zum Fenster, aus dem ich eben noch blickte, wende mich wieder um und gehe auf den Campus zu. Ab heute werde ich hier studieren. 

Welch ein Glück ich habe, ohne die finanzielle Unterstützung meiner Eltern könnte ich hier nicht studieren. Die Gebühren würden mich stark verschulden und für BAföG wäre ich nicht mal berechtigt. Ich bin ihnen dankbar, dass sie es mir ermöglichen. Doch sobald ich weiß, wie meine Woche mit dem Studium ausgelastet sein wird, werde ich mir zumindest einen Job suchen, damit sie mir nicht noch meinen kompletten Lebensunterhalt zahlen müssen. Vor dem Eingang bleibe ich stehen und betrachte den kreativ gestalteten Campus. Er ist inspirierend und wunderschön. Ich male mir aus, wo die Pausen verbracht werden würden, wo ich meine Pläne entwerfen könnte, nach und nach formt sich ein Bild in meinem Inneren. Ja, hier kann ich mich wohlfühlen. 

So dann! 

Ich drehe mich hin zur Tür. ... 

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Piep ... Piep ... Piep ... 

Das ist eine meiner schönsten Erinnerungen an einer meiner schönsten Tage meines Lebens. Einige Sekunden später lernte ich sie kennen, die mir mein Leben um so viel mehr bereicherte als nur dieses Ding ... 

Piep ... Piep ... Piep ... Ein Geräusch ... Oder doch nicht? 

Piep ... Piep ... Piep ... Doch da schon wieder. Und es dringt näher an mich heran oder wird kraftvoller? Ich weiß es nicht und irgendwie scheint es mir auch egal zu sein ... 

hope_gapWhere stories live. Discover now