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Ben hat verdammt noch mal recht. Wir müssen reden. Es ist nur alles so verwirrend. Ich empfinde Freude und Erleichterung, dann wieder Angst, Frust und Schmerz. 

Warum ich mich fürchte? Das weiß ich selbst noch nicht so genau. Wahrscheinlich fürchte ich mich eher vor den Antworten als vor Fay. Aber ich brauche Antworten. Tatsächlich ist sie seit dem Krankenhaus wieder anders, eher wie früher, eher die, in die ich mich so wahnsinnig schnell verliebte. 

Vielleicht brauchte sie Zeit, um sich wieder einzuleben. Ist die USA so anders? Ich war noch nie da, habe keine Ahnung. Doch sie kam völlig verändert zurück. Na ja, ich sollte mal aufhören zu übertreiben. Völlig nicht, aber eben verändert. 

Diese süße Schüchternheit wich einem manchmal echt nervigen Rumgeplapper. Ein Zicken ersetzte die freche und gleichsam ruhige Ausstrahlung. Und in jene Eigenschaften verguckte ich mich damals. Unabhängig davon mag ich Rumgezicke echt nicht. Das beunruhigte mich direkt, aber ich wollte ihr und uns die Chance nicht sofort wieder nehmen. 

Im Krankenhaus brachen dann doch wieder diese süßen und damaligen Eigenschaften von meiner Fay durch. Und das Kribbeln fing wieder an. Aarr ... 

Ok, erst einmal muss ich mich wieder besinnen. Ich stehe in der Küche bei meinen Eltern. Kaffee wollte ich mir machen. 

Über was soll ich am besten mit ihr sprechen? Die Nachrichten?! Denn dann wären wir zumindest schon einmal bei dem richtigen Abend, über den ich mit ihr sprechen möchte. Die blutigen Szenen will ich noch nicht aussprechen ... 

»Machst du mir auch einen?«

»Fuuu... ...ntastische Idee.« 

Unwillkürlich muss ich grinsen, möchte ich doch mit diesem anderen Wort aufhören. Aber sie kann sich nicht immer so anschleichen. Wie lange steht sie wohl schon hinter mir? 

Na ja, immerhin sind wir nun beide hier. Jetzt oder nie. Also! 

»Wir müssen reden«, lass ich so klar und schnell wie ich kann die Wörter aus mir heraus, bevor ich mich noch umentscheiden kann. 

Weiter stehe ich zur Kaffeemaschine gerichtet und warte auf eine Reaktion. Ich wage es jedoch nicht mich umzudrehen, es würde mich zu sehr schmerzen, wenn ich Tränen in ihren Augen sehen würde. 

Nach einer gefühlten Ewigkeit, immer noch ohne Antwort von Fay, die Kaffees fertig zubereitet, schnappe ich mir die beiden Tassen sowie meinen Mut. 

»Fay, hast du gehört, was ich gesagt habe?« 

»Ja«, flüstert sie ganz zart. 

Ich gehe vor ins Wohnzimmer, sie folgt mir. Ich stelle ihre Tasse an einem Platz mir schräg gegenüber ab und lasse mich selbst an der gleichen Stelle nieder, an der ich heute früh bereits saß. 

Sie scheint ängstlich oder besorgt, zumindest setzt sie sich sehr zögerlich auf den Stuhl. Ihre Schultern hängen nach vorne und ihre sonst so ruhige Ausstrahlung kann ich nicht erhaschen, sie ist weder ausgeglichen noch aufgedreht. Worüber macht sie sich Gedanken? Klang ich so vorwurfsvoll? Angsteinflößend? Fürchtet sie sich vor mir? 

»Du hast sie also noch?« 

Erst irritiert durch ihre Frage, dann langsam begreifend holt sie mich dadurch aus meinen Gedanken zurück. Vor mir liegen meine Sachen, darunter auch mein Handy. 

»Ja klar. Warum sollte ich unsere Nachrichten löschen?« 

Kurzerhand öffne ich den Nachrichtenverlauf und lege das Handy zwischen uns hin. Obwohl wir beide deren Inhalt kennen sollten, lasse ich die letzten Nachrichten angezeigt. 

»Fay?« 

»Ja, ich weiß nicht ...« 

»Wie du weißt nicht?« Etwa auch keine Erinnerung mehr, wollte ich erst noch dazu fragen, ließ es aber stecken. 

»Wo ich anfangen soll ...« 

»Also du hast mir geschrieben ...?!« 

»Es tut mir alles leid.« 

Oh, nicht schon wieder so. Nicht jetzt. Ich dachte, das wäre vorbei, davon war in letzter Zeit nämlich nichts mehr zu merken. Immer dieses sich für alles Entschuldigen ... 

»Fay, bitte nicht wie früher. Das war und ist vielleicht manchmal süß, aber nicht jetzt. Jetzt möchte ich eine Erklärung.« 

»Ok, tut mir leid.« 

Boah echt jetzt? Hm ... 

»Ok, ich versuche es. Tut ... Also ... Ähm ...« 

»Gab es diesen Abend irgendwo da draußen?«, versuche ich so allgemein wie möglich zu beginnen und zeige dabei auf mein Handy. 

»Ja.« 

»Und dann ist etwas passiert?« 

»Ja.« 

»Habe ich da auch meinen Schlag auf den Kopf bekommen?« 

»Ja.« 

»Hast du Wunden von diesem Abend oder dieser Nacht?« 

»Jul ...« 

»Bitte antworte.« 

»Ja.« 

»Weißt du ...« 

»Stopp«, unterbricht sie mich und obwohl sie es beinahe nur haucht, kann ich die Bestimmtheit heraushören. 

»Fay ...« 

»Ich kann nicht.« 

hope_gapWhere stories live. Discover now