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»Wo willst du hin?« 

»Mich mit Ben treffen.« 

»So?« 

Verwirrt schaue ich an mir herunter. Ähm, ich kann mich nur wiederholen, dass mein Kopf echt etwas abbekommen haben muss. Ich bin noch in meiner Schlaf- beziehungsweise Chillkleidung. 

»Ups. Danke Fay. Dann zieh ich mich wohl erst einmal um.« 

»Ist sonst alles in Ordnung?« 

Ob sonst alles in Ordnung ist? Hat sie das gerade wirklich gefragt? Nein auf keinen Fall, würde ich ihr sehr gerne an den Kopf schmettern, aber ich habe mich eben erst wieder fangen können. 

Nach meinen Telefonaten, währenddessen ich nur diesen einen Gedanken hatte, habe ich natürlich direkt zum Nachrichtenverlauf zwischen ihr und mir geklickt. Das bringt mich einfach alles durcheinander. Jedoch kann und will ich das jetzt so nicht mit ihr besprechen. Ich will mich jetzt mit Ben treffen. Ich will jetzt hier raus. Ok, erst einmal umziehen, da hat sie recht, aber dann will ich hier raus, hier weg. 

»Ja. Bin nur noch nicht ganz fit. Aber kennst doch Ben.« 

»Ok. Sehen wir uns dann später hier?« 

»Klar.« 

Und damit gehe ich an ihr vorbei, die Treppe hoch, rein in diesen albtraumhaften Raum, mache mich im Schnelldurchgang frisch und gehe umgezogen wieder hinunter. Beim Vorbeigehen schnappe ich mir meine wichtigsten Dinge und gehe schnurstracks zur Tür hinaus. 

Draußen vor der Tür nehme ich einen tiefen Atemzug. Ab geht es zum Treffen. Den Weg dorthin – und ja, meine Eltern haben recht, – kann ich zu Fuß gehen, weil wir hier in der Stadt sind und beinahe alles fußläufig erreichbar ist. Ich genieße die paar Minuten sogar. Ja, sie haben recht. Zumindest diesbezüglich. 

Zwei bis drei Schritte vor der Tür des Cafés halte ich inne, drehe mich mit dem Rücken dazu und schaue auf die andere Seite. Meine alte Uni. Wo ich sie kennen und lieben lernte. Eine wilde wunderbare Zeit. Völlig aufgedreht und voller Zweifel startete ich damals meinen ersten Tag und dann sah ich sie. Fay gab mir von der ersten Sekunde Halt an diesem Ort. 

-

Ben hat bereits vorgesorgt und sitzt mit Kaffees an unserem Lieblingsplatz. Ob er andere verscheuchen musste oder er wirklich frei war? Auch egal. Dieser unsere Platz ist eben in der Ecke mit potenziell weniger Menschen um dich herum, die dir zuhören können, und trotzdem kannst du durch die schönen hohen Fenster hinaussehen. 

»Jules, da bist du ja. Du hast ganz schön lange gebraucht seit der Nachricht. Beinahe hätte ich Rita angerufen!« 

»Jetzt bin ich ja da, musste mich noch anziehen und alles. Und du musst nicht immer gleich Ma anrufen.« 

Ich setze mich erst einmal hin, bemerke, wie schon wieder mein Puls hochfährt. Das kann nicht gesund sein, so oft wie der in die Höhe katapultiert wird allein in den letzten Tagen. 

»Warum machst du dir eigentlich solche extremen Sorgen?« 

»Hab ich doch schon immer.« 

»Aber nicht so.« 

»Hm.« 

»Weich mir nicht aus, Benja...« 

»Ist ja gut. Oh du weißt, dass ich gar nicht draufstehe, wenn mich jemand so anspricht.« 

Ja und ich weiß, dass es funktioniert, deswegen nutze ich es ja zu gerne, aber das sage ich lieber nicht, möchte ja keinen Boxhieb abbekommen, ein Schmunzeln entweicht mir leider trotzdem auf die Lippen. 

»Boah Jules. Du machst das mit Absicht. Aber du musst ja dann nicht noch so frech grinsen.« 

»Ok. Sorry. Aber jetzt sag schon.« 

»Im Krankenhaus habe ich dir doch schon so 'nen bisschen versucht zu sagen, was ich denke.« 

»Wegen Fay meinst du?« 

»Ja.« 

»Und da ist noch mehr, was du mir sagen möchtest?« 

»Ja.« 

»Und darf ich das auch erfahren? Mensch, seit wann muss ich dir alles aus der Nase ziehen?« 

»Ich will dir nichts kaputtmachen. Damals das war schrecklich für dich. Jetzt ist sie wieder da und ich freue mich für dich, wirklich.« 

»Aber?« 

»Für mich ist sie nicht dieselbe.« 

»Ja, das sagtest du bereits.« 

»Na ja, es liegen ja auch viele Jahre dazwischen und so.« 

»Ja, das weiß ich auch. Wir haben auch noch nichts beschlossen. Wir wollten es langsam angehen, uns einfach erst einmal wieder kennenlernen. Bis ... Na ja egal.« 

»Wie? Was meinst du?« 

Ohne groß nachzudenken und ohne zu wissen, ob es wirklich klug ist, zeige ich ihm die letzten Nachrichten zwischen Fay und mir. Er blickt mich an und fragt: »Und was soll mir das jetzt sagen?« 

Fay: 
Können wir uns doch 
heute noch treffen? 

Jules: 
Geht es dir nicht gut? 
Ist etwas vorgefallen? 

Fay: 
Ich muss unbedingt 
mit dir reden. 

Jules: 
Ok. Wann willst 
du vorbeikommen? 

Fay: 
Lass uns am Hafen 
treffen und spazieren. 

Jules: 
Ist 18:00 Uhr 
in Ordnung? 

Fay: 
Ja, danke. Bis später. 

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