Kapitel 1 -Kleine komische Kästchen

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Ich betrachte mich noch einmal im Spiegel. Aus dem Zopf fallen einige, dunkelrote Strähnen  und die hellroten Spitzen fallen mir auf die Schulter. Das schwarze, schlichte Sweatshirt liegt für meinen Geschmack viel zu eng an. Von der Schürze, der schwarzen Jeans und den schwarzen Ballerinas sieht man in dem einfachen Badezimmerspeigel nichts.

"Liv jetzt beeil dich!", ruft mein Chef ungeduldig auf englisch. Ich seufze. Eine Woche noch. Dann muss ich nie wieder zurück.

"Ja ich komme!", brülle ich und öffne die Tür um gleich darauf vom Geruch der frisch gebratenen Frikadellen erschlagen zu werden.

"Da bist du ja endlich", stellt Georg fest und mustert mich etwas zu lange. "Ehm ja, die Gäste warten." Ich nicke und verlasse die Küche fluchtartig, in dem Gewissen, das er mir hinterher starrt. Erst als die schwere Schwingtür hinter mir zufällt bin ich sicher. Schnell setzte ich ein freundliches Lächeln auf und steuere einen der Tische an, wo sich ein älteres, typisch Englisches Ehepaar unterhält.

"Entschuldigung, möchten sie schon bestellen?" Ich möchte nicht sagen, dass ich diesen Job liebe, aber mir gefällt der Kontakt mir den Menschen. Als ich hier her kam war ich das schüchterne, zurückhaltende Mädchen von nebenan, dass nur so gerade auf der Bühne stehen konnte, bevor es fluchtartig den Schutz des Schattens sucht.

"Ehm ja", sagt die Frau. Sie wirkt auf den ersten Blick echt nett und auch ihr Mann hat dieses freundliche Lächeln auf den Lippen. Meine Mutter wäre jetzt stolz auf mich.

Schnell notiere ich mir die Bestellung, lächle wieder und gehe zum nächsten Tisch. Als ich meine Runde gemacht habe, gebe ich die Bestellung an der Küche ab und beginne Getränke zu machen. Gerade als ich mich mit beladenem Tablett durch die Reihen aus Tischen schlängle, kommt eine Gruppe Typen ins Restaurant. Sie sehen sich um und kommen dann direkt auf mich zu.

"'Tschuldigung. Haben sie noch einen Tisch für vier?" Man Hört sofort, dass sie nicht hier her kommen. Ich nicke und weise auf einen Tisch weiter hinten im Raum. Der Typ bedankt sich und seine Freunde folgen ihm. Nachdem ich die restlichen Getränke ausgeteilt habe will ich eigentlich nur kurz in der Küche vorbei schauen. Daraus wird dann aber doch nichts, denn jemand hält mich auf.

"Liv!" Ich fahre herum und lächle Joanna an.

"Du hier?", frage ich grinsend und umarme sie. Sie ist wohl die einzige in ganz London, die sogar zu faul ist, einkaufen zu gehen. Aber sie ist auch die netteste.

"Ich dachte mir, ich besuche meine Freundin einfach mal bei der Arbeit", lacht sie und sieht sich im Restaurant um. "Außerdem hab ich Hunger." War klar.

"Das übliche?" Sie nickt und setzt sich dann an ihren Stammtisch.

Als nächstes ist der Tisch mit den Jungen dran, die sich angeregt unterhalten. Als ich näher komme stelle ich fest, das es kein Englisch ist.

"Hey Guys", begrüße ich sie und schaue in die Runde. Jeder von ihnen hat sowohl ein Handy als auch einen seltsamen, schwarzen oder silbernen Kasten auf dem Tisch oder in der Hand. Einer von ihnen hält sich auch so ein Ding vors Gesicht. Seltsam. Sind das Kameras?

"Hi", entgegnet der, der mir am nächsten ist. Er hat hell braune Haare, die oben auf dem Kopf länger sind, als an den Seiten. Sein Gesicht ist schmal und er hat außer Handy und Kamera auch einen McBook auf dem Tisch. Sein Grinsen ist unbezahlbar.

"Wisst ihr schon, was ihr bestellen wollte?" Während ich sie nach einander mustere richten sich all ihre Blicke auf mich. Der, der neben dem ersten sitzt ist etwas kleiner, hat dunkelbraune Haare und im rechten Ohr einen Ohrring. Er trägt ein weit ausgeschnittenes Tank- top, dass seine tätowierte Brust und Arme frei lässt. Ihm gegenüber sitzt ein Kerl, der mich etwas unsympathisch aus schläfrigen Augen anguckt. Er hat eine ähnliche Frisur wie der erste, allerdings sind seine Haar etwas länger. Er hat eine kantiges Gesicht mit irgendwie kalten Augen. Der letzte in der Runde hat dunkel blonde Haare, ist groß und schon auf den ersten Blick sehe ich, dass er wohl eher einer dieser Gute- Laune- Typen ist.

"Vier mal Cheeseburger", sagt der Gute- Laune- Typ. Ich nicke.

"Und Trinken?"

"Vier Coke", erklärt der- sagen wir mal- Schlechte- Laune- Typ. Ich nicke wieder und will wieder verschwinden, als mir etwas einfällt.

"Deutschland?", frage ich und sehe sie an. Alle nicken verwirrt. "Bitte nicht hier drin Fotografieren." Der plötzliche Sprachenwechsel tut meinem Gehirn glaube ich nicht ganz so gut, aber was soll's.

"Sie sprechen deutsch?", fragt der McBook- Typ. Wieder nicke ich. "Wieso das?"

"Auslandsjahr", erkläre ich knapp.

"Respekt", meint der Tattoo- Typ und nickt um seine Aussage noch zu verstärken.

"Warum dürfen wir hier nicht fotografieren?", fragt der Gute- Laune- Typ. Ich zucke mit den Schultern.

"Fragt den Chef."

"Und was ist mit filmen?", wirft der Tattoo- Typ ein.

"Was macht das für einen Unterschied, du Depp?", lacht der McBook- Typ.

"War ja nur ne Frage", brummt dieser und sieht mich entschuldigend an. Ich schüttle nur lachend den Kopf und gehe dann.

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"Wer sind die?", fragt Joanna, als ich ihr ihren Salat bringe und weißt auf die vier Typen, die nun alle ihre Kameras weggepackt haben. Ich zucke mit den Schultern.

"Deutsche." Das bringt sie zum Grinsen. "Warum grinst du so?"

"Der Kerl guckt immer wieder zu dir rüber", flüstert sie, als könnten die Jungs das hören. Ich sehe zu ihnen rüber und sehe noch so gerade wie der Kopf des Schlechte- Laune- Typs zurück schnellt.

"Der?" Ich sehe sie enttäuscht an. "Nein danke."

"Ach komm schon, Liv. Es kann halt nicht jeder dein Traumtyp sein." Ohne jegliche Rücksicht auf Privatsphäre starrt sie die Jungs immer noch an.

"Hör auf damit", flüstere ich.

"Womit denn?"

"Liv!" Mein Chef steht in der Tür zur Küche und sieht mich auffordernd an. Ich senke meinen Blick und richte mich wieder auf.

"Muss wieder an die Arbeit", murmle ich und nehme das Tablett wieder in die Hand um die letzten Reste der gegangenen Gäste wegzuräumen.

-

"Köstlich", lacht der McBook- Typ, der gar kein McBook mehr auf dem Tisch stehen hat.

"Freut mich", sage ich lächelnd und sammle die völlig leeren Teller wieder ein. In wenigen Minuten habe ich Feierabend und die Jungs sitzen immer noch hier. Mit einem jungen Paar zusammen sind sie die letzten hier und ich sehe schon kommen, dass ich sie gleich rausschmeißen muss.

"Du weißt was das heißt", sagt Georg  als ich mit den Tellern in die Küche komme und weist auf die Uhr. Ich nicke. Das Restaurant schließt jeden Augenblick und jetzt sitzen nur noch die Jungs da und starren auf ihre Computer. Schwerfällig drücke ich die Tür auf und laufe auf ihren Tisch zu.

"Jungs, es tut mir leid das sagen zu müssen, aber wir schließen in weniger als fünf Minuten." Als der Schlechte- Lauen- Typ aufblickt wundere ich mich, dass er nicht schon längst eingeschlafen ist.

"Wie ist ein Name?", fragt er und sieht mich direkt an.

"Olivia", sage ich und er nickt.

"Sam, Julian, Tobi und ich bin Luke." Nacheinander weist er erst auf den McBook- Typ, dann auf den Tattoo- Typ und dann auf den Gute- Laune- Typ. Ich nicke freundlich und sehe sie dann auffordernd an.

"Du hast also wirklich vor uns rauszuschmeißen, Liv?", fragt Sam amüsiert.

"Ich find ich hab mir meinen Feierabend jetzt echt verdient", erkläre ich und weise sie an sich zu beeilen, während sie lachend ihre Sachen zusammenpacken.  Als sie sich von mir verabschieden zwinkert mir Julian zu und ich schüttle nur leicht verwirrt den Kopf und schließe die Tür hinter ihnen ab.

Two confused heartsحيث تعيش القصص. اكتشف الآن